AFD: Splitterfraktionen wollen U-Ausschuss "Linksextremismus"

Erstveröffentlicht: 
11.08.2016

"Die AfD missbraucht ihre Spaltung"

Die eigentlich zerstrittenen Splitterfraktionen der AfD im baden-württembergischen Landtag wollen einen U-Ausschuss "Linksextremismus" installieren. Politiker anderer Fraktionen ärgern sich über diesen Schachzug in plötzlicher Harmonie.

 

Bei einer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag im Landtag zeigten sich Rainer Podeswa von der Fraktion Alternative für Baden-Württemberg (ABW) um Jörg Meuthen und Christina Baum von der AfD-Restfraktion in herzlicher Eintracht. Beide AfD-Fraktionen hatten sich zuvor auf einen Untersuchungsausschuss zum Thema Linksextremismus geeinigt.

 

Die verbliebene AfD-Fraktion hat nach SWR-Informationen schon vergangene Woche dafür gestimmt. Die ABW-Fraktion am Mittwoch. Ein Untersuchungsausschuss "Linksextremismus in Baden-Württemberg" soll nach dem Willen der AfD klären, "in welcher Dimension der Linksextremismus in Baden-Württemberg verbreitet ist. Er soll untersuchen, ob linksextreme Strukturen in Baden-Württemberg von Seiten der gewesenen oder derzeitigen Landesregierung, Parteien, der Verwaltung, der Behörden oder dem Landtag toleriert, gefördert oder geschützt wurden oder werden", wie es in einem Antrag der AfD heißt, der dem SWR vorliegt.

 

AfD-Spaltung nur ein Trick um U-Ausschuss einzurichten?

 

Die anderen Parteien hatten zuvor in aktuellen Debatten im Landtag bereits die Befürchtung geäußert, die AfD könnte ihre Aufspaltung in zwei Fraktionen dazu nutzen, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Podeswa sagte dazu: "Unsere Wähler hätten kein Verständnis dafür, wenn wir unsere rechtlichen Mittel nicht ausschöpfen würden."

 

Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke, sagte am Mittwoch: "Es passiert genau das, wovor ich gewarnt habe. Die AfD missbraucht ihre Spaltung, um sich Vorteile zu erschleichen. Diese Partei ist in jeder Hinsicht unglaubwürdig. Einerseits gibt man das Schauspiel einer Mediation. Andererseits macht man politisch gemeinsame Sache."

 

Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Andreas Stoch: "Die AfD nutzt nun diese formale Position aus, aus unserer Sicht rechtsmissbräuchlich, weil sie Themen in den Landtag zu bringen versucht, die die AfD allein offensichtlich beschäftigen, die aber aus Sicht der anderen Fraktionen derzeit nicht das Hauptproblem in Baden-Württemberg darstellen."

 

Einsetzung eines U-Ausschusses Frage für das Verfassungsgericht?

CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart hält das Verhalten der AfD-Fraktionen für ein "taktisches Manöver" und für einen "offensichtlichen Missbrauch" der Minderheitenregelung im Untersuchungsausschussgesetz. Seine Partei wolle sich im September weiter mit der Frage beschäftigen. Als letztes Mittel schloss er auch den Gang zum baden-württembergischen Verfassungsgericht nicht aus.

 

Von Missbrauch will Baum nichts wissen: "Wir nutzen jetzt einfach die Möglichkeit, die uns gegeben ist", so die AfD-Politikerin. Sie verwies auf das Gutachten zur Fraktionsspaltung, das ihnen recht gebe.

 

Um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, benötigt man die Stimmen von einem Viertel der Abgeordneten oder von zwei Fraktionen. Beide Fraktionen der AfD haben zu Erkennen gegeben, sich wieder zusammenfinden zu wollen. Derzeit führt ein Mediator Gespräche mit allen Abgeordneten der AfD. Baum wertete den gemeinsamen Antrag für einen Untersuchungsausschuss als "ein Signal an unsere Mitglieder, dass wir bereit sind, wieder zusammenzuarbeiten". Auch Podeswa widersprach dem nicht.

 

AfD-Fraktionen wollen linksextreme Strukturen untersuchen lassen

In ihrem Antrag steht, dass untersucht werden soll, "ob Anknüpfungspunkte an diese Strukturen bestanden oder bestehen. Hierzu gilt es auch zu ergründen, ob eine Beeinflussung der Sicherheitsbehörden stattgefunden hat und falls ja, ob und warum ein Vorgehen sowohl gegen linksextreme Strukturen als auch Straftaten unterblieben ist".

 

Die AfD hat dabei auch die Jugendorganisationen der Parteien im Blick. Sie will außerdem die Proteste gegen den AfD-Bundesparteitag am 30. April und 1. Mai 2016 in Stuttgart sowie gegen die sogenannte "Demo für alle" von Bildungsplangegnern am 11. Oktober des vergangenen Jahres untersuchen lassen.

 

Dabei wollen die Antragssteller unter anderem erfahren, "wieso das Opernhaus Stuttgart durch Gegendemonstranten besetzt werden konnte; [und] wieso ein politisches Banner auf dem Opernhaus entrollt werden konnte und wer dies zu verantworten hat". Außerdem möchte die AfD in beiden Fällen wissen, inwiefern die Polizei bei den Demonstrationen gegen "Linksextremisten" vorging.

 

Nach dem Willen der AfD soll ein solcher Ausschuss "dem Landtag bis zum 31.03.2019 über seine Ergebnisse berichten".

 

Anstieg linksextremer Gewalt

 

Zur Begründung schreiben die beiden Fraktionen, es habe einen Anstieg von Gewalttaten durch Linksextremisten gegeben - und sie erheben den Vorwurf, es gebe kein "verstärktes Bemühen seitens der gewesenen oder derzeitigen Landesregierung, gegen die genannten Tendenzen vorzugehen". Außerdem werfen sie der Grünen-Landtagsabgeordneten Brigitte Lösch, die zum Zeitpunkt der Demonstrationen Vizepräsidentin des Landtags von Baden-Württemberg war, vor, dass sie das Bündnis "No Pegida Stuttgart" unterstützt habe.

 

Podeswa wies darauf hin, dass "alle Parteien außer der CDU" mit vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierungen Demonstrationen organisieren würden. "Und das für normal und selbstverständlich" halten würden. Baum führte einen Anstieg linksextremistischer Gewalt an, den sie kritisierte. "Linksextremistische Gruppierungen gehen ja mittlerweile gegen alle Andersdenkenden vor." Baum und Podeswa konnten sich vorstellen, dass sie in Teilen der CDU Zustimmung für den Ausschuss bekommen würden.