Rechte Patrouillen statt Polizei

Erstveröffentlicht: 
13.07.2016

In Koberg ließen die Behörden ein illegales Rechtsrockkonzert geschehen – und tauchten ab

 

Vor Monatsfrist war das 800-Einwohner-Dorf Koberg in Schleswig-Holstein für einen Abend offenbar in der Hand rechter Patrouillen – sie sicherten ein Rechtsrockkonzert, während die Polizei wegsah.

 

Das Image der Landespolizei Schleswig-Holstein ist angekratzt. Nach der jüngsten Affäre um offenbar sexistische und rassistische Äußerungen durch Polizeianwärter steht nun der Vorwurf im Raum, dass im Juni die Durchführung eines Rechtsrockkonzertes in Koberg bei Mölln wissentlich ermöglicht wurde, ohne dass polizeiliche Maßnahmen ergriffen wurden. Auf einer Diskussionsveranstaltung der Grünen am Montagabend in Koberg – zu der auch Bundestagsfraktions-Vize Konstantin von Notz, der hier seinen Wahlkreis hat, angereist war – äußerten viele Teilnehmer ihren Unmut.

 

Peter Perner, engagiertes Mitglied des landesweit aktiven Beratungsnetzwerkes gegen Rechtsextremismus, will nicht einfach hinnehmen, was sich am 11. Juni in der 800-Einwohner-Gemeinde Koberg (Kreis Herzogtum Lauenburg) zugetragen hat. An jenem Samstag trat im eigentlich stillgelegten Gasthaus »Zum Koppelkaten« die aus Bremen stammende Band Kategorie C auf, Aktivisten aus dem Veranstalterumfeld patrouillierten uniformiert und mit Funkgeräten durch den Ort – offenbar mit der Aufgabe, das Konzert abzusichern.

 

Für Perner passt nicht zusammen, dass einerseits Zivilcourage eingefordert wird, die Polizei aber dann wegsieht, wenn es um zweifelsfrei rechtsextreme Aktivitäten geht. Auch für Kobergs ehrenamtlichen Bürgermeister Jörg Smolla ist es nur schwer zu begreifen, warum die Polizei anlässlich des Konzert keine Präsenz zeigte. Beide möchten, dass die Landespolizei ihnen Antworten für ihren »Nichteinsatz« liefert.

 

Der Journalistenpool »Recherche Nord« hat herausgefunden, dass mindestens eine Woche vor besagtem Konzert die Landeskriminalämter von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen über den anstehenden Termin informiert gewesen seien. Die Band, die vom Bremer Verfassungsschutz als eindeutig rechtsextrem klassifiziert wird, auch wenn die Musiker selbst dies abstreiten, hatte auch eine Konzertankündigung auf ihre Homepage gestellt mit dem Hinweis, man werde zwischen Hamburg und Westmecklenburg auftreten. Über eine Telefonhotline und einen Schleusungspunkt an der Autobahn A 24 wurden Konzertinteressierte dann kurzfristig nach Koberg gelotst. Ein Blick auf die Autokennzeichen zeigte laut »Recherche Nord« dann, dass Besucher aus ganz Norddeutschland angereist waren. Ein Polizeifahrzeug sei zwar in Koberg gesehen worden, doch die Beamten machten keine Anstalten, all die Kfz-Kennzeichen zu erfassen, geschweige denn andere Maßnahmen in die Wege zu leiten.

 

Mit Blick auf die rechten Patrouillen durch Koberg fragt sich Perner nun, ob der Staat hier wissentlich sein Gewaltmonopol preisgegeben hat. Das ist nur eine von vielen Fragen, die während der Diskussion vielen Kobergern unter den Nägeln brannten. Die Bremer Band war offenkundig von einer Clique junger Erwachsener aus dem Ort eingeladen worden. In einem Schreiben haben diese sich dazu bekannt, sprechen aber verharmlosend davon, dass die Band sich ja schließlich von rechtem Gedankengut distanziere und man die Musik möge, weil sie »Zusammenhalt, Ehrlichkeit und Standhaftigkeit« verkörpere, auch wenn einige Liedtexte grenzwertig seien, »weil sie auch Randale und Remmidemmi verherrlichen«.

 

Der Konzertort mit dem Gasthof scheint nicht zufällig gewählt, hat dort doch bereits im November 2013 ein Rechtsrockkonzert stattgefunden – nach Angaben eines Koberger Einwohners mit der Band Nahkampf. Diese wiederum ist laut Verfassungsschutz personell nahezu identisch mit der Band Kategorie C. Auch vor 2013 hatte es im »Koppelkaten« zwei Rechtsrocktreffen, offiziell als Geburtstagsfeiern tituliert, gegeben. Das berichtete der Vorgänger von Bürgermeister Smolla, Jürgen Schäfer.

 

Besondere Brisanz hat die Aussage von Kobergs ehrenamtlichem Bürgermeister Smolla, der hauptberuflich Polizeibeamter im Hamburger Polizeidienst ist. Er kam nach eigener Darstellung erst am Tag nach dem Konzert aus dem Urlaub zurück. Auf der Suche nach Aufklärung habe er bei zuständigen Polizeistellen unter anderem in Lübeck angerufen, doch sei das Geschehen am 11. Juni in Koberg seitens der Polizei »verniedlicht« worden.