Pegida rechtsextrem? Sachsen bezweifelt das

Erstveröffentlicht: 
28.04.2016

Viele Ableger von Pegida werden vom Verfassungsschutz beobachtet - nur nicht in Sachsen, dem Stammland der Anti-Islam-Bewegung. von Matthias Meisner

 

Die Sicherheitsbehörden in Deutschland sehen bei Pegida-Ablegern aus ganz Deutschland eine rechtsextremistische beziehungsweise islamfeindliche Einflussnahme oder Steuerung. Sie werde "in unterschiedlicher Ausprägung" festgestellt, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf einer Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, die dem Tagesspiegel vorliegt. Pikant: Ausgerechnet in Sachsen, dem Stammland der Anti-Islam-Bewegung, wird diese Einflussnahme nicht gesehen - weder bei Pegida in Dresden noch beim Leipziger Ableger Legida oder Cegida in Chemnitz.

 

Die Bundesregierung berichtet, die Gruppierungen Pegida München, Pegida Nürnberg, Nügida und Pegida Franken würden als extremistische Gruppierungen beobachtet, "bei denen die Verantwortlichen in unterschiedlicher Zusammensetzung aus dem rechtsextremistischen Spektrum wie auch aus dem Bereich der verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit stammen".

 

Insgesamt werden von der Bundesregierung 78 Kundgebungen gegen eine vermeintliche Islamisierung allein im ersten Quartal 2016 aufgelistet, die in ihrer Ausrichtung als extremistisch eingeschätzt werden - von Bärgida in Berlin über Magida 2.0 in Magdeburg und verschiedene Proteste in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern bis zu Pegida NRW, die unter anderem in Duisburg aufmarschierte. Recht aktiv ist auch der thüringische Ableger Thügida, der Kundgebungen unter anderem in Gera, Ronneburg, Weimar, Neustadt an der Orla, Schleiz und Schmölln organisierte.

 

Manchmal waren es bei den von der Bundesregierung aufgelisteten Veranstaltungen nur ein paar Dutzend Teilnehmer, wie am 8. Februar in Magdeburg. Überwiegend lag die Teilnehmerzahl im niedrigen dreistelligen Bereich. Die größte Kundgebung im vergangenen Quartal organisierte Pegida NRW am 9. Januar in Köln. Nach der Debatte um die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht zählten die Sicherheitsbehörden damals 1700 Teilnehmer. Nach Randale und Attacken der Teilnehmer gegen Polizeibeamte und Journalisten war der Protestzug von der Polizei aufgelöst worden. 

 

Sachsen sieht Pegida-Aufmärsche als "asylkritische Veranstaltungen"


Die Einschätzung der Bundesregierung zu Pegida in Dresden und den Gida-Ablegern in Sachsen deckt sich mit der Bewertung des sächsischen Verfassungsschutzes. Die Behörde hatte in dieser Woche ihren Bericht vorgelegt, laut dem die "Gida-Veranstaltungen in Sachsen (...) in ihrer Gesamtheit nicht als extremistische Bestrebung bewertet" wurden - für den Geheimdienst im Freistaat handelt es sich lediglich um "asylkritische Veranstaltungen".

 

Zwar sei zunächst von März 2015 der Leipziger Ableger Legida von regionalen Gliederungen der NPD, ihres Jugendverbandes Junge Nationaldemokraten (JN) und auch vom sächsischen Landesverband der Partei Die Rechte unterstützt worden. Es habe aber bald "Verwerfungen" gegeben. Auch seien Vertreter der NPD bei Pegida "anwesend" gewesen, der Verfassungsschutz beschreibt das Verhältnis aber als "eher distanziert".

 

 

Trotz einer regelmäßigen Teilnahme von Rechtsextremisten an Gida-Veranstaltungen hätten diese "nicht erfolgreich" Einfluss auf die Anti-Islam-Bewegung genommen, heißt es. Der Verfassungsschutz bilanziert: "Spätestens mit Ende des Sommers 2015 konnten alle rechtsextremistischen Einflussversuche auf Gida-Bewegungen als gescheitert betrachtet werden." Auch für die Rechtsextremisten habe sich die Teilnahme an den Aufmärschen von Pegida und ihren Ablegern nicht zu "wahrnehmbaren Rekrutierungs- oder Propagandaerfolgen" geführt, berichtet der Geheimdienst. 

 

Linke: Willkür des Verfassungsschutzes


Die Linken-Bundestagsabgeordnete Jelpke sagte dem Tagesspiegel: "Ob ein Pegida-Ableger in der Auflistung als islamfeindlich registriert wird, hängt von der Laune der jeweiligen Landesämter für Verfassungsschutz ab. Und weil der sächsische Verfassungsschutz erfahrungsgemäß auf dem rechten Augen sehr schlecht sieht, fehlen dann auch in der Aufzählung der Bundesregierung alle islamfeindlichen Aufmärsche in Sachsen."

 

Dies sei umso unverständlicher, da Pegida in Dresden und Legida in Leipzig ihre islamfeindliche Ausrichtung nicht nur im Namen führten, sondern auch die bei weitem größten derartigen Aufmärsche bundesweit abhalten würden. Jelpke sagte weiter: "Während sich Pegida-Chef Lutz Bachmann wegen seiner rassistischen Ausfälle gegen Flüchtlinge vor Gericht verantworten muss, blendet die Bundesregierung die von ihm angeführten Aufmärsche in Dresden kurzerhand aus. Die Definitionshoheit über Islamfeindlichkeit darf nicht Landesverfassungsschutzbehörden überlassen werden, die Willkürlichkeit der Erfassung solcher Aufmärsche muss beendet werden."