[Saar] Geplantes Wehrmachtsdenkmal in Riegelsberg

Antifa Saar

In Riegelsberg ist es einer revisionistischen Initiativgruppe gelungen, ihre Vorstellungen einer Gedenkplatte für die deutsche Wehrmacht im Ortsrat durchzusetzen. Die Kritik der Opposition und der saarländischen Medien geht in die falsche Richtung.

 

Bereits vor zwei Jahren sorgte die Initiativgruppe „Hindenburgturm“ aus Riegelsberg für allgemeine Irritation, als ihr Sprecher Dietmar Braun sein Bestreben, dort am 8. Mai einen Fackelzug zu veranstalten, in der kommunalen Verwaltung durchzusetzen versuchte. Zustimmung gab es damals schon von SPD-Bürgermeister Klaus Häusle, der von der Idee, den „Opfern“ zu gedenken, sehr begeistert war und die Idee so gut fand, dass er sie gleich im Ortsrat durchwinken lassen wollte.1

 

Während Politiker der CDU Riegelsberg wie der Ortsvorsteher Heiko Walter die Idee als „sehr lobenswert“2 bezeichnen, reagieren die im Ortsrat vertretenen bürgerlichen Parteien jedoch eher verhalten.3 Die Abgeordnete der Linken störte sich an dem militärischen Moment und lehnte den Vorschlag ab „weil das Geld kostet“4 und der SPD-Sprecher begründete seine Absage damit, dass für die „Opfer des Zweiten Weltkrieges“ bereits „ein Mahnmal auf dem Friedhof“5 existiere. Auch der Ortsvorsteherin Rommel stieß die militaristische Komponente der Feier sauer auf und sagte den Termin „aus Zeitgründen“6 schließlich ab. Stephan Lehberger (Grüne) lehnte ebenfalls eine solche Veranstaltung ab, indem er einräumte, dass man ja nicht wisse, „wer Täter und wer Opfer waren“.7

 

Dass bei Wehrmachtssoldaten überhaupt noch danach gefragt werden muss, ob sie Täter oder vielleicht sogar Opfer waren, ist die eine Sache. Bemerkenswert ist vielmehr, dass offenbar keiner der Protagonisten sich daran störte, dass sowohl mit der Wahl des Ortes als auch der des Zeitpunkts eine eindeutige politische Botschaft gesendet werden sollte und die Initiativgruppe Hindenburgturm mit dem Ziel, geschichtsrevisionistische Erinnerungspolitik zu betreiben, an den Bürgermeister herangetreten ist.

 

 

Am „Victory in Europe Day“, dem Tag der Befreiung Nazideutschlands durch die Alliierten sollte also an einem Kriegsdenkmal, mit dem sich Riegelsberger einst als Volksdeutsche inszenierten, ein Truppenaufmarsch stattfinden? Nicht nur, dass der Turm schon namentlich an den Antidemokraten und Steigbügelhalter für Hitler Paul Hindenburg erinnert, dieser Turm wurde 1934 als „Bekenntnis des unter der Verwaltung des Völkerbundes stehenden Saargebietes zu Deutschland“ errichtet8; genauer: zu einem Deutschland, in dem seit 1933 die Machtposition der Nazis mehr und mehr durch Verhaftungen und politische Morde ausgebaut wurde, dasselbe Deutschland, zu dem sich das Saarland schließlich auch in der historischen Saarabstimmung 1935 mit über 90,73 % Zustimmung bekannte.

 

Nichts anderes strebte die Initiative Hindenburgturm an, als - wie viele Nazis an diesem Tag - den 8. Mai nicht als Tag der Befreiung, sondern als Tag des Gedenkens an die Opfer des Krieges, zu zelebrieren. Dass zu diesen Opfern auch die gefallenen Wehrmachtssoldaten zählen, ist an Hohn freilich kaum zu überbieten.

 

Der Vorfall wurde weder in der Kommunalpolitik, noch im Kulturdezernat, geschweige denn in der Landesregierung groß diskutiert oder skandalisiert. Stattdessen wurde die Fragestellung, wie man zukünftig den gefallenen Wehrmachtssoldaten gedenken könne, aufgeschoben. Im April des nächsten Jahres (2014 wurde ein weiterer Versuch von der Initiativgruppe unternommen, den Hindenburgturm als Gedenkstätte zu nutzen, woraufhin der Vorschlag in den Bauausschuss befördert wurde. Dort konnte die Diskussion unter Ausschluss der Öffentlichkeit weitergehen, ohne weitere hässliche Presseberichte zu provozieren.9

 

Auf den Weg gebracht wurde somit ein Kompromiss, der vorsieht, dass zehn Tafeln mit den Namen der Toten auf dem Friedhof in Riegelsberg angebracht werden sollen. Als die Presse davon Wind bekam und die Frage stellte, ob unter denen, deren Andenken geehrt werden sollte, auch SS-Angehörige seien, drehte die Riegeslberger Politprominenz endgültig durch.

Nicht nur dass der Bürgermeister sich erneut für das Mahnmal stark machte. Er nahm sogar die Vollstrecker des deutschen Vernichtungskrieges in Schutz. „Eine Unterscheidung zwischen Tätern und Opfern sei heute methodisch gar nicht mehr möglich und auch nicht sinnvoll“, zitiert ihn der Saarländische Rundfunk. Außerdem sei, als würde das die Täter von jeder Schuld frei sprechen, das Mahnmal „ein Mahnmal des Friedens“. Ingbert Horn, Geschäftsführer der SPD erklärt „Die sind alle tot.“, wodurch ein „Ende der Schuld“ erreicht sei. Die Täter seien nur „in Anführungsstrichen Täter“ und hätten somit ein Anrecht auf eine Gedenkstätte. Dennis Detzler, der Vorsitzende der jungen Union in Riegelsberg erklärte unverblümt, für ihn sei „das Thema vielleicht nicht mehr ganz so wichtig“.10

 

Der Initiator selbst setzte alledem die Krone auf, indem er sich in einem Radiointerview zudem mit Äußerungen über eine angebliche „Umvolkung“, die von den Grünen ausginge, und dass diese es auf eine Provokation „ethnische[r] Differenzen“ abgesehen hätte, auffiel. Sie, die Soldaten, egal ob SS-Angehörige oder nicht, hätten „alle Ehrerbietung“ verdient und, als ob das keine Rolle spiele, „egal welcher politischer Couleur sie angehörten“ „Im Übrigen“, so führt er in einem weiteren Interview aus, beschwere „sich ja niemand darum [sic!] wenn sieben Jahrzehnte nach dem Kriegsende beispielsweise Stolpersteine verlegt werden“.11

 

Dass sieben Jahrzehnte nach Kriegsende in einem von Kriegerdenkmälern, Gedenkplaketten, Soldatenfriedhöfen, Ehrenmälern und Heldenhallen nur so übersäten Land es ohnehin fragwürdig ist, weitere neue einzurichten, dass von Seiten der Angehörigen selbst an einem solchen Denkmal allem Anschein nach kein Bedarf besteht, dass der Hindenburgturm vor allem als architektonische Manifestation des Bekenntnisses der meisten Saarländer zu Hitler-Deutschland anzusehen ist und somit auch gerne verrotten kann, dass die Kriegsverbrechen der Wehrmacht nicht durch den Tod ihrer Angehörigen verlöschen, dass diese auch keine Opfer, sondern Täter sind und ihre Opfer mit ihnen auch ohnehin nicht gleichzusetzen sind, das alles soll ohnehin als selbstverständlich anzusehen sein!

Aber dass Wehrmachtssoldaten in dieser Diskussion von den Vertretern aller bürgerlichen Parteien in Riegelsberg als „Opfer“ bezeichnet werden, ist der eigentliche Skandal, der weder in den Ausschüssen, noch in den eingängigen Provinzmedien thematisiert wird.

 

Die Wehrmacht war nie ein entideologisiertes Werkzeug der Nazis, das „nur“ Befehle befolgte. Auch waren ihre militärischen „Leistungen“ nie ideologiefrei oder unpolitisch. Dass die Deutsche Wehrmacht im Gegensatz zu der SS fair nach den Bestimmungen des Kriegsrechts gekämpft hätte und unschuldig blieb, ist eine glatte historische Lüge und als die Kriegsheimkehrer 1955 in Friedland schworen, sie hätten „nach den Gesetzen des Krieges“ gehandelt, so ist dies als „kollektiver Meineid“12 anzusehen.13

Die Legende von der sauberen Wehrmacht ist ein Geschichtsmythos, der so unhaltbar er auch ist, von politisch rechtsgerichteten Agitatoren immer noch gepflegt wird. Dass sowohl CDU als auch die SPD Riegelsberg diesen Mythos ungeprüft weiterverbreiten, spricht für sich. Dass sie noch einen Schritt weiter gehen und die Täter zu Opfer machen, schlägt dem Fass den Boden aus.

Doch was ist geschehen? Haben sich die Mitglieder als historische Laien, die sie offensichtlich sind, von einem rechten Gedenkfetischisten überrumpeln lassen? Sind sie, so wie ihre angeblich ach so unschuldige Wehrmacht, in ein Unglück hineingeschlittert, von dem sie nichts ahnten. Weit gefehlt.

 

Seit Jahren schon hat Dietmar Braun sehr gute Kontakte zur Lokalpolitik und wirbt dort für den Erhalt und den Ausbau des Turmes. Und seit Jahren lässt er keinen Gelegenheit aus, seine tiefbraunen Überzeugungen zum Besten zu geben.

Umso irritierender ist, dass die JU Riegelsberg noch im Jahr 2012 eine Besichtigung des Turmes veranstaltet.14 Interessant ist hierbei, dass kein geringerer als Dietmar Braun, der Vorsteher dieses unseligen Projektes, die Führung der Jungunionisten leitet. Dennis Detzler, der Vorsitzende der Karrenbauer-Jugend kommentiert seine Teilnahme mit einem „Wir freuen uns“. Wenn dann auf den Fotos, die im Anschluss bei Facebook hochgeladen werden, Dietmar Braun in seinem Trenchcoat mit - in Offiziersmanier - auf dem Rücken verschränkten Armen “mit der wissenswerten Geschichte des Hindenburg-Turmes“ vertraut macht, kann man sich denken, welcher revanchistische Unfug dort ungehemmt verbeitet wurde.15 Da kann man nur hoffen, dass, nachdem im Anschluss „ordentlich geschwenkt“ wurde, dem ein oder anderen die Bockwurst im Halse stecken geblieben ist.

 


Verweise:

1Dittgen, Fredy: Streit um Feier am Hindenburgturm "Ich finde das Ganze zu militärisch". In: Saarbrücker Zeitung, ersch. am 18.3.2013. <http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/koellertal/Riegelsberg-Hindenburgturm-Gedenkfeier-Monika-Rommel;art4784,4698745> am 17.10.15. (Screenshot)

2Ebd.

4Dittgen: Hindenburgturm.

5Ebd.

6Ebd.

7Ebd.

8Touristeninformation der Stadt Riegelsberg: http://www.riegelsberg.de/Sehenswuerdigkeiten.147.0.html am 17.10.15. (Screenshot)

9Forst, Kai: Stunk um geplante Riegelsberger Gedenkstätte. Onlinepublukation auf SR-Online-Homepage am 5.10.2015. http://www.sr-online.de/sronline/sr3/riegelsberg_gedenkstaette_ns_zeit_kritik100~print.html am 17.10.15. (Screenshot)

10Saarländischer Rundfunk 2015. Aktueller Bericht vom 29.9.2015: http://sr-mediathek.sr-online.de/index.php?seite=7&id=35831 am 17.10.2015.

11Saarländischer Rundfunk 2015. SR3 Saarlandwelle vom 5.10.2015 http://sr-mediathek.sr-online.de/index.php?seite=7&id=35946 am 17.10.2015.

12Zähe Legenden. Interview mit Wolfram Wette, in: Die Zeit vom 1. Juni 2011, S. 22 http://www.zeit.de/2011/23/Zweiter-Weltkrieg-Sowjetunion (Screenshot)

13Vgl. hierzu: Später, Erich: Der dritte Weltkrieg.; Gerd R. Ueberschär: Die Legende von der sauberen Wehrmacht. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Klett-Cotta, Stuttgart 2007, S. 110F; Christian Hartmann: Wehrmacht im Ostkrieg. Front und militärisches Hinterland 1941/42. (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Band 75) Oldenbourg, München 2009, S. 790.

14Homepage der JU Riegelsberg. ju-riegelsberg.generation-ju.de/content/news/96307 am17.10.2015. (Screenshot)

15Facebookseite der Jungen Union Riegelsberg. facebook.com/JURiegelsberg/photos/a.10150958959667734.417234.162414222733/10150965178907734/?type=3&permPage=1 am17.10.2015 (Screenshot)