"M99" Kreuzberg kämpft um den Krämer der Revolution

Die Pickelhaube auf dem Kopf: Trotz der Kündigung des Mietvertrags behält Lindenau seinen Humor.
Erstveröffentlicht: 
12.01.2016

Berlin-Kreuzberg -Ein Kiez wehrt sich gegen die Schließung. Über 1000 Menschen haben für Hans-Georg Lindenau und sein Geschäft „M99, Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf“ demonstriert. Dem Rollstuhlfahrer wurde in der Manteuffelstraße der Mietvertrag gekündigt. Er ist den Tränen nahe. „Wenn ich hier raus muss, bekomme ich depressive Anfälle. Hier kann ich Menschen bedienen und ihnen helfen. In einer barrierefreien Wohnung werde ich wie ein Rollstuhlfahrer behandelt und das möchte ich nicht“, sagt Hans-Georg Lindenau.


Er ist ein Unikum in Kreuzberg und ein Revolutionär erster Stunde. Seit 30 Jahren verkauft er im „M99“.  Hier bekommt man so ziemlich alles: Plakate, Tassen, T-Shirts, Pfefferspray und Antifa-Sticker. Alles ist dicht gedrängt. Nach einem Sturz ist der 56-Jährige an den Rollstuhl gefesselt. Über 50 Polizei-Razzien hat Hans-Georg Lindenau, den alle nur HG nennen, überstanden.

„Ich bin weltweit bekannt und stehe in vielen Reiseführern“, sagt er schnell. Der gebürtige Franke kann reden wie ein Wasserfall.  Und in der Tat kaufen in diesem Moment gerade Touristen aus Neuseeland und Einheimische bei ihm ein. Einer von ihnen ist Marc (25): „Eine Katastrophe, wenn der  LadenSeit 2013 hat das Haus, in dem sich der alternative Laden befindet, einen neuen Besitzer.  Er hat Lindenau gekündigt. Er soll seinen Laden räumen, weil er ihn an andere untervermietet: Der Anwalt des Besitzers, Cornelius Ernst Wollmann, sagt: „Zufällig stellte der Vermieter fest, dass Herr Lindenau drei Räume pensionsartig vermietet. Nachdem Lindenau zahlreiche Fristsetzungen zur Beendigung der vertragswidrigen Nutzung ignoriert und trotzt mehrerer Abmahnungen erklärt, weiterhin so vermieten zu wollen, wird er gekündigt.“


Das Gericht habe in seinem Urteil nicht berücksichtigt, dass das Geschäft einen Keller hat, so der Ladenbesitzer. Deswegen kam es bisher noch nicht zur Räumung. Der nächste Gerichtstermin folgt. Hans-Georg Lindenau will unbedingt bleiben. „Der Vermieter hat mir 2014 versprochen, dass ich bleiben kann“, sagt er. Unterstützt wird er vom „Bündnis Zwangsräumung verhindern“. Hunderte Demonstranten sind schon durch Kreuzberg gezogen und haben für den Erhalt des „M99“ demonstriert.  David Schuster vom Bündnis vermutet, dass das Haus saniert werden soll und somit teurer vermietet werden kann. Für Himmelfahrt ist die nächste Demo geplant.  

Doch der Anwalt meint: „Es gibt ein rechtskräftiges Urteil. In der Vergangenheit haben wir Herrn Lindenau unter anderem einen langfristigen Mietvertrag angeboten. Jedes unserer zahlreichen Vergleichsangebote hat Herr Lindenau ohne Gegenangebot zurückgewiesen.“ Dem Besitzer des Hauses werde jetzt gedroht, erklärt der Anwalt dem KURIER.