Politikverdrossenheit - Parteien in Sachsen laufen die Mitglieder davon

Erstveröffentlicht: 
09.01.2016

Der Mitgliederschwund vor allem bei den großen Parteien hat sich in Sachsen im vergangenen Jahr fortgesetzt. Einer Umfrage zufolge, blieb die CDU mit knapp 11.400 Mitgliedern zwar stärkste Partei, musste aber verglichen mit dem Vorjahr ein Minus von rund 520 Mitgliedern hinnehmen. Dafür macht die Union neben einem allgemeinen Trend auch die aktuelle Asyl- und Flüchtlingspolitik verantwortlich. Die SPD bewertet ihren Rückgang als "Schwankung im üblichen Rahmen". Die Linken rechnen auch künftig mit einem Mitgliederrückgang - schon aus demografischen Gründen. Ein Plus bei den Parteieintritten konnten im vergangenen Jahr hingegen die Grünen und die AfD in Sachsen verzeichnen.

 

Bereits Ende Dezember hatte der Generalsekretär der sächsischen CDU, Michael Kretschmer, auf Anfrage von MDR SACHSEN erklärt, es handele sich vor allem um ein demografisches Problem. Die meisten Austritte seien altersbedingt. Kretschmer räumte aber auch politische Austrittsgründe ein. "Zurzeit ist es das Thema Asyl, das die Menschen in Deutschland und in der großen Volkspartei CDU umtreibt", so Kretschmer. "Wir müssen Antworten geben und nicht Populismus betreiben." 

 

Linke suchen junge Mitstreiter

 

Die Sozialdemokraten versuchen politikinteressierte Sachsen mit einem Schnupperangebot zu locken. Mit Gastmitgliedschaften zu einem Beitrag von monatlich 2,50 Euro will die Partei die Menschen zeitweilig zum Mitmachen bewegen. Diese haben in Versammlungen Rede- und Antragsrecht, können Personalvorschläge machen, dürfen aber nicht abstimmen und nicht an Wahlen teilnehmen. Landesweit gibt es derzeit 39 solcher Gastmitglieder.

Die Linken wollen gegen eine drohende Vergreisung vorgehen. Die 1929 Geborenen seien 2015 der stärkste Mitgliederjahrgang gewesen, hieß es. 2016 will die Partei verstärkt um Neueintritte werben und unter anderem Menschen ansprechen, die sich etwa in der Flüchtlingshilfe engagieren. Auf beständigen Zuwachs hoffen die Grünen. Derzeit werde an einem Konzept zur Mitgliederwerbung mit Aktionen und Kampagnen gearbeitet. Die AfD sieht sich nach eigenen Angaben auf einem "gesunden Wachstumskurs".

Die derzeit nicht im Landtag vertretene FDP hatte Ende 2015 genau 2011 Mitglieder, 89 weniger als 2014. Nachdem sich die Partei wieder stabilisiert habe, solle in diesem Jahr wieder mehr um Mitglieder geworben werden, hieß es. 

 

Politikwissenschaftler: Keine Trendwende in Sicht


Politikwissenschaftler Tom Thieme von der Technischen Universität in Chemnitz macht den Parteien indes wenig Hoffnung auf eine Trendwende. Die Abneigung vieler Menschen aus der ehemaligen DDR gegen Parteien allgemein und Politik wirke nach. Das werde an folgende Generationen weitervererbt, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

"Das geschieht etwa bei Gesprächen in der Familie oder im Freundeskreis". Demotivierend wirke auch die inhaltliche Annäherung der großen Parteien. "Warum soll da noch jemand in Parteien eintreten?", würden sich viele fragen.

Ähnlich sieht es Politikwissenschaftler Mark Arenhövel von der TU Dresden. Er erklärt im Gespräch mit MDR SACHSEN den Abwärtstrend bei CDU, Linken und SPD mit unklaren Positionen: "Für viele Wähler, aber auch Mitglieder war gar nicht mehr sichtbar, wofür die Parteien stehen. Die kleineren Parteien waren davon mit Sicherheit weniger betroffen."