Hoher "Schwund" bei Flüchtlingen im Osten

Erstveröffentlicht: 
19.12.2015

In Ostdeutschland verlassen Tausende Flüchtlinge bereits nach wenigen Tagen wieder die Erstaufnahmestellen. Die Quote "individueller Abreisen" wird auf bis 30 Prozent geschätzt - obwohl die Asylbewerber eigentlich so lange in der Erstaufnahme bleiben sollen, bis über ihren Antrag entschieden ist. Doch viele wollen offenbar nicht solange warten und ziehen zu Verwandten in die großen Städte.

 

In Ostdeutschland verlassen Tausende Flüchtlinge die Erstaufnahmestellen bereits wenige Tage nach ihrer Ankunft. Nach Recherchen der "Saarbrücker Zeitung" liegt die Quote sogenannter individueller Abreisen bei bis zu 30 Prozent. Vermutet wird, dass viele Flüchtlinge in Großstädte zumeist im Westen weiterziehen, zu Verwandten oder in andere EU-Staaten. Dabei sollen Asylbewerber eigentlich so lange in der Erstaufnahme bleiben, bis über ihren Antrag entschieden ist. Ein Problem ist auch, dass damit der "Königsteiner Schlüssel" zur Verteilung der Flüchtlinge in Deutschland ausgehebelt wird. Andere Bundesländer müssen entsprechend mehr Hilfesuchende aufnehmen. 

 

In Thüringen und Sachsen geht etwa jeder vierte Flüchtling


In Thüringen wird die Quote der sogenannten individuellen Abreisen auf 20 bis 30 Prozent geschätzt, bei 27.000 registrierten Flüchtlingen in diesem Jahr. Das Migrationsministerium hat aber keine konkreten Zahlen.

 

Auch in Sachsen geht das Innenministerium von einem Schwund in Höhe von bis zu 30 Prozent aus. Manchmal warteten Angehörige und Bekannte schon an den Eingängen der Lager auf Neuzugänge und nähmen sie gleich mit. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Bis Oktober wurden in Sachsen 45.000 Flüchtlinge registriert. Nach Sachsen-Anhalt kamen bis Anfang Dezember gut 36.400 Asylbewerber, doch nur 32.600 blieben. Auch in den ersten Wochen nach der Aufnahme gibt es laut Behörden weitere individuelle Fortzüge. 

 

Ziel sind Ballungszentren


Ähnlich ist die Lage in Brandenburg. Von gut 30.000 Flüchtlingen wurden nur etwa 24.600 dort tatsächlich untergebracht. Etwa jeder Fünfte ist "einfach verschwunden", wie ein Regierungsvertreter auf Anfrage sagte, viele vermutlich nach Berlin.

 

In Mecklenburg-Vorpommern wurden dem Bericht zufolge bisher knapp 21.700 Flüchtlinge registriert. Das Innenministerium bezifferte die "Schwundquote" auf zehn bis 15 Prozent. Sie sei nicht so hoch, weil das Land eine schnelle Antragstellung binnen drei Tagen schaffe. Allerdings versuchten die Flüchtlinge, nach der Anerkennung schnell in die Großstädte zu kommen, um dort Arbeit zu finden. Dem will Mecklenburg-Vorpommern jetzt vorbeugen, indem dort frühzeitig die Arbeitsagentur eingeschaltet wird. Man versuche, besonders die Fachkräfte zu halten. 

 

Nationalitäten sammeln sich in bestimmten Regionen


Überall ziehen die Metropolen die Flüchtlinge an, weil sie dort auf mehr Hilfe und Arbeitsmöglichkeiten hoffen. Auf dem flachen Land fühlen sich dem Bericht der "Saarbrücker Zeitung" zufolge viele nicht wohl, zumal sie dort manchmal von Rechtsextremen angegriffen werden. Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit lebte im Oktober die Hälfte der registrierten erwerbsfähigen Flüchtlinge aus den acht wichtigsten Herkunftsländern in nur 33 von 403 Landkreisen. Beliebteste Wohnregionen sind demnach das Saarland, Hessen, NRW sowie die Großräume Hannover, Hamburg, Bremen und Berlin. Abgesehen von Großstädten wie München, Nürnberg oder Stuttgart ist der gesamte Osten und Süden deutlich unterdurchschnittlich gefragt.

Dabei haben die einzelnen Nationalitäten Schwerpunktregionen. So ziehen zum Beispiel Afghanen meist nach Hamburg, Hannover und ins Rhein-Main-Gebiet. Die Syrier gehen überwiegend nach Ostwestfalen, Bremen, ins Ruhrgebiet und das Saarland. Iraker sind meist in Bielefeld, Hannover und Süddeutschland zu finden.