„Viele hat es eben noch nie persönlich betroffen“

Erstveröffentlicht: 
01.12.2015
Leipziger Autor Taba Keutcha unternimmt etwas gegen Rassismus und Diskriminierung im Alltag
VON ANGELIKA RAULIEN

 

Lepzig. Taba Keutcha kam vor 17 Jahren aus Kamerun nach Leipzig. „Zum BWL-Studium“, sagt der 41-Jährige . „Und bis dato wusste ich gar nicht, dass es so etwas wie ,soziales Engagement‘ gibt“, schmunzelt der alleinerziehende Vater einer Tochter (7) und eines Sohnes (18). Anfangs habe er zwar schon immer mal so „paar kleinere Sachen“ diskriminierender Anfeindungen zu spüren bekommen, jedoch weggesteckt. „Dann gab es aber eine Geschichte, wo ich mir sagte, also so kann das jetzt nicht weitergehen.“

 

Der Vorfall betraf immerhin seinen damals achtjährigen Jungen. „Er spielte in einem Fußballverein, ich begleitete ihn zu einem Spiel, und weil er – sagen wir – etwas ,torgefährlich‘ war, wurde er noch während der Partie allen Ernstes massiv vom Vater eines Kindes der Gegenmannschaft ziemlich rassistisch beschimpft. Und alle um uns herum, die das mitbekommen hatten, sagten einfach nichts! Das Spiel lief weiter. Als wäre nichts passiert. Das hat mich schockiert.“ Er habe dann verstehen wollen, was bei manchen Menschen zu so einem Verhalten führt. Und als Konsequenz aus der Sache 2006 mit acht Freunden zunächst in Leipzig den Verein „Equilibre International“ gegründet. „Wir wollten uns hier für eine positive Einstellung zur Vielfalt in der Gesellschaft, insbesondere gegenüber Afrika, einsetzen“, sagt er.

 

Schulprojekte, öffentliche Info-Veranstaltungen und vieles mehr organisierten Keutcha und seine Mitstreiter in der Folge. „Dabei habe ich gemerkt, dass viele weiße Deutsche die Problematik Diskriminierung und Rassismus eigentlich gar nicht nachempfinden können – weil sie es persönlich eben noch nie betraf!“ Schließlich hätten er und seine Freunde nach Wegen gesucht, wie man als kleiner Verein möglichst viele Menschen und möglichst „auf neutralem Weg“ erreichen kann. „So kam die Idee von einem Buch auf. Wir wollten eine Geschichte erzählen, die nun gerade mal nicht hier spielt. Eine Geschichte, wo Diskriminierung zum Grund für Ausgrenzung wird. Eine Geschichte, die einfach jedem passieren kann.“

 

Keutcha selbst war es dann, der sich hinsetzte und das Buch schrieb. „Sanggo der Waisenjunge“ – so der Titel. Sanggo, ein elternloses, aber sehr kluges Kind aus dem afrikanischen Dorf Basu, wird aufgrund einer, wie der Autor sagt, „absurden Tradition und viel Neid“ zunächst denunziert, dann diskriminiert und letztlich geopfert. Obwohl er zuvor durch sein Wissen, seinen Fleiß soviel zum Wohl der Dorfgemeinschaft beigetragen hatte! Das Ganze geht nun so aus, dass der Junge auf wundersame Weise dem Tod entkommt und durch seine widrigen Erlebnisse Kräfte entfaltet, eine neue Art des gesellschaftlichen Miteinanders zu schaffen.

 

Was zunächst wie ein Märchen von einem anderen Kontinent daherkommt – wunderbar illustriert von Keutchas deutschem Freund Marco Scanga aus Hamburg – versteht sich denn eher als Parabel; vermittelt die Botschaft gleichermaßen kultur- wie generationsübergreifend. „Sanggo zeigt uns, wie wir Erlerntes nutzen und es mit Hilfe anderer Menschen schaffen können, das wunderbare Geschenk des Lebens mit Respekt und Toleranz zu erfüllen“, schreibt denn auch Karamba Diaby, SPD-Bundestagsmitglied und Vize-Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, in seinem Vorwort.

 

Vielfalt – ein Thema der Grunderziehung

 

Das Buch erschien im Frühjahr mithilfe eines Crowdfundings im Leipziger Vielfalt Verlag. „Das Echo ist groß“, sagt Keutcha mit zurückhaltender Bescheidenheit. Aktuell ist er mit „Sanggo“ Gast an zig hiesigen Schulen. Gerade war er bei Sieben- und Achtklässlern im Humboldt-Gymnasium, diskutierte mit ihnen über Vorurteile; über Sinn und Nutzen der Migranten für die Gesellschaft. Für Ende November luden ihn sogar eine Schule in Hamburg und die Montessori-Schule in Berlin ein. „Ich bin ausgebucht bis Ende Dezember“, freut’s den schreibenden Vereinschef.

 

Die Lehre von der Vielfalt gehöre zur Grunderziehung eines jeden Menschen, denkt er. „Gerade, wenn ich jetzt in den Schulen bin und die Jugendlichen von ,Flüchtlingen und was die kosten‘ und davon, dass das ,doch alles Islamisten sind‘ reden, bringe ich schon mal ins Spiel, dass Deutschland in der Geschichte schon immer ein Migrationsland war. Oder dass Leute, die beispielsweise vor 15 Jahren mal als Flüchtlinge herkamen, inzwischen hier vielfach Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind, längst einen wichtigen Beitrag zur hiesigen Wirtschaftskraft leisten.“

 

„Die Schüler lernen bei uns auch, dass es zweierlei Arten von Migranten gibt“, sagt Keutcha. „Kriegs- und Wirtschaftflüchtlinge. Wir in Afrika, sage ich dann immer, sind nicht arm, weil wir vielleicht faul oder dumm sind. In dem Fall würden der Kaffee- und Kakaoindustrie in der Welt die Rohstoffe fehlen. Wenn man will, dass aus Afrika weniger Flüchtlinge kommen, muss man etwas tun, dass Menschen dort von ihrer Arbeit leben können. Das heißt, Kaffee und Kakao, die sie produzieren, müssen in der Welt zu fairen Preisen eingekauft werden. Generell. Nicht nur punktuell. Daher habt ihr hier doch auch den Mindestlohn eingeführt, oder? Und die Kriegsflüchtlinge? Will man davon weniger haben, muss man weniger Waffen in die Kriegs- und Krisenregionen exportieren.“

 

„Sanggo der Waisenjunge“, 96 Seiten, 20 Euro, erschienen und erhältlich im Vielfalt Verlag (ISBN 978-3-9817106-1-8), beim Verein Equilibre International, Gregor-Fuchs-Str. 22. Kontakt: www.eiev.de. Inzwischen gibt es auch ein Hörbuch (15 Euro) dazu. Der Verkaufserlös kommt der Vereinsarbeit zugute.