[COP21] Hurra, die Welt verhungert!

kleinbäuerlicher widerstand

[COP21] Aufruf zur Beteiligung am KleinbäuerInnen-Block auf der Klimademo am 28. November in Freiburg – Bringt Strohhüte, Ackerwerkzeug, Transparente und Schubkarren mit.

Der Klimawandel geht uns alle an, besonders auch uns LandwirtInnen, die versuchen dem Mainstream der globalen und lokalen Zerstörungswut zu trotzen. Wir gehören zu denen, die die Welt ernähren wollen und die frustriert sind von der Arroganz der Macht der Industrie, welche diktiert was für ein Gesicht die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft und was für ein Gesicht unsere Landschaften haben sollen. Einer Industrie die nichts mit dem schöpferischen, hoffnungsvollen und umweltbewussten Ackern zu tun hat, dass einige von uns als „kleinbäuerliche Landwirtschaft“ bezeichnen. 

 

Alle sind sich darüber einig, dass die Kehrtwende auch im Bereich der Lebensmittelproduktion nicht zuletzt um der Erderwärmung zu begegnen radikal sein muss. Diese Kehrtwende findet jedoch trotz viel parlamentarischem Gerede weltweit nicht statt. Zwar wächst eine bis zum Anschlag grün-getünchte Ökobranche, bahnbrechende Veränderungen für eine nachhaltigere Landwirtschaft sind jedoch nicht zu verzeichnen – eher im Gegenteil. 


Solidarisch gegen den Klimawandel

 

Wir, Aktive und SympathisantInnen solidarischer Landwirtschaft, wollen heute in Freiburg zu Beginn der Weltklimakonferenz COP21 für einen radikalen Wandel im Bezug auf die Lebensmittelkrise auch in der Region demonstrieren. Das Monopol der Industrie in Fragen der Ernährung muss enden. Die seit Jahrzehnten einer Umwelt- und Menschenverachtenden Landwirtschaft des Kapitals geopferten Böden müssen zeitnah einen ganz anderen Umgang erfahren, wollen wir sie erhalten. 

Die rücksichtslose Ausbeutung von SaisonarbeiterInnen und die Selbstverständlichkeit des auf Öl und Plastik fußenden Anbaus öder Monokulturwüsten muss durchbrochen werden, wenn es zukünftigen Generationen möglich sein soll, einen Zugang zu ihrer Umwelt zu leben und zu Lebensmitteln einen Zugang zu bekommen. 

 

Für uns ist die Antwort hier Vorort in erster Linie im Aufbau von solidarischen Kooperationen und Kooperativen zu sehen, die mittelfristig in der Lage sein sollen, das Gemüse für den kommenden Aufstand herzustellen. Doch es gibt nicht eine Antwort auf die komplexen Herausforderungen, vor die uns die in jeder Hinsicht rücksichtslose Agrarindustrie stellt. 

 

Der gegenwärtigen Zerstörung des Planeten durch die industrielle Landwirtschaft und der Perspektive weltweiter Hungersnöte muss massiv entgegengetreten werden, mit Widerständen die der Vielfalt der unterdrückten „kleinbäuerlichen“ Welten entsprechen. Das mag an der einen Stelle die Demo gegen Agrarfabriken sein, an anderer Stelle die Enteignung der Großlandwirte. An der einen Stelle kann es die Sabotage der Abläufe globaler Landwirtschaftsmafia und an weiterer Stelle der Aufbau eines CSA-Betriebs in Hintertupfingen sein. All dieser Widerstand ist legitim und notwendig. 

 

Primär zählt der Wandel fort vom Raubbau an Mensch und Umwelt, der sich in den letzten 60 Jahren selbst legitimiert hat und zum Mainstream der Welt der Landwirtschaft wurde. Es braucht solidarische Antworten auf die autoritäre Verwüstung durch das herrschende System von Zentralisierung und Gewinnmaximierung.   

 

Hot peasants for a cool planet

 

Wir sind entschlossen es anders zu machen und dem herrschenden Modell die Energie und Motivation junger und jung gebliebener idealistischer Bauern und Bäuerinnen entgegenzusetzen. Wir wollen Teil einer Bewegung für eine klimagerechte und solidarische Zukunft werden.

 

Die globale Erderwärmung ist ein Fakt. Ebenso ihre Bedrohlichkeit für die Zukunft der Ökosysteme und die ausschlaggebende Rolle, die die Landwirtschaft dabei spielt. Ganzheitlich betrachtet, also wenn eine Klimabilanz sämtliche Schritte wie Rodung, Produktion, Transport, Verpackung, Kühlketten und Müll mit einbezieht, verursacht die Lebensmittelindustrie rund 50 % der anthropogenen Treibhausgase. Die Landwirtschaftliche Produktion selber verantwortet in etwa 15%. Eine Relokalisierung der Lebensmittelproduktion könnte den Impakt des Sektors kurzfristig um über die Hälfte senken. Ohne gezielte Anpassungen, so schätzt die Wissenschaft, dürften die Emissionen der Lebensmittelproduktion bis 2050 um mindestens 30% steigen. 

 

Nicht nur ist die Landwirtschaft in ihrer aktuellen Form ein Klimakiller. Der Klimawandel trägt auch zur Verschlechterung der Lebensbedingungen der ruralen Bevölkerung bei und verursacht Erosion, Landflucht, entsprechende Verstädterung und die schwer zu bewältigende Aufgabe für die BäuerInnen sich auch Anbautechnisch an den Wandel anzupassen. Die sich seit den 1950er Jahren entwickelnde Form der Industrialisierung der Landwirtschaft ist neben den (ebenfals teils landwirtschaftlichen) Resourcen-Kriegen als eine der größten Fluchtursachen weltweit zu begreifen. Eine relokalisierte und ökologisch nachhaltigere Landwirtschaft ist auch ein Beitrag zum Weltfrieden.

 

Die Globalisierung der Lebensmitteproduktion in einem Modell in dem beispielsweise süddeutsches Saatgut auf Flächen angebaut wird, von denen südamerikanische KleinbäuerInnen vertrieben wurden, um Stärke zu produzieren, die in Niedersachsen in niederländische Kücken gestopft wird, die zur je einem Drittel in Europa, Afrika und Asien aufgegessen und zur Hälfte weggeworfen werden, muss enden. Die ökologische und soziale Arroganz der übermächtigen Bauernverbände und ihrer industriellen PartnerInnen, deren Geschäft neben der Klimakatastrophe aus Vertreibung, Patentrechten, Chemieskandalen und der Förderung genetischer Erosion im Ökosystem besteht, hat nicht nur keine Zukunft. Es verbaut die Zukunft all derer, die eine andere Welt möglich machen wollen.  

 

Doch der Zugang zu Land für eine neue Agrarökologie ist schwierig, gefördert wird halbherzig. Die Hürden zum Aufbau neuer Strukturen und für den Wandel des Bestehenden sind groß. An vielen Orten werden Widerstände gegen die Entwicklung des Agroindustriellen Modells mit Gewalt zerschlagen. In Indien und in Kolumbien, aber auch in Europa, wo die französischen Polizeieinsätze im vergangenen Jahr dem Umweltstudenten Rémi Fraisse im Widerstand gegen die Maisindustrie ermordeten. Statt wegweisenden Protest wie den von Sivens zu begreifen und ein Bewusstsein gegenüber den umweltpolitischen Konsequenzen der unnützen Großprojekte zu stärken, stellt sich der Staat anseite der reaktionären Bauernschaft und den Interessen profitablem Wachstums. Zu den Medien im Extremismus-Taumel: kein weiteres Wort. 

 

Eine andere Landwirtschaft möglich zu machen setzt die Förderung neuer Initiativen voraus, die sich vom gelebten und etablierten Modell abheben. Und es setzt voraus, dass denjenigen KleinbäuerInnen die global schon jetzt die Hauptlast der Ernährungssouveränität tragen Unterstützung erfahren und nicht Opfer von Korruption, Umweltkatastrophen und Gewalt von Staaten und Konzernen werden. 

Für eine Weg hin zur solidarischen Landwirtschaft!

 

Sie sagten Kleinbäuerlich?

 

Weltweit kommt immer wieder die Forderung zu Tage: „wir brauchen eine „kleinbäuerliche Landwirtschaft"“. Angesichts dessen, dass LandwirtInnen die unter 2 Hektar Boden bewirtschaften im Gegensatz zu ihren industrielle Pendants global den größten Beitrag zu Ernährungssouveränität, Stärkung ruraler Sozialstrukturen und vielerorts primär von Frauen getragener Emanzipation leisten, ist eine „kleinbäuerliche Landwirtschaft" erstmal positiv zu deuten.

 

Kleinbäuerliche Strukturen jedoch sind nicht per se emanzipatorisch. Zwar entstehen, inspiriert von den großen sozialen Bewegungen der Landlosen und KleinbäuerInnen in Südamerika (Via Campesina, Movimento sim Terra) zunehmend auch in Europa Strukturen, die sich einer solidarischen und kleinbäuerlichen Landwirtschaft verschreiben. Viele der Ansätze von sozialer Zugänglichkeit, Kollektiveigentum und „klimabewusstem“, konsequentem Anbau sind jedoch auch Reproduzentinnen von marktförmigen Kompromissen, altbackener, wenig emanzipatorischer Strukturen und oftmals kleinfamiliärer, patriarchaler Muster. 

 

Zwar ist die solidarische, (re-)lokalisierte und kämpferische Haltung, der „kleinbäuerliche Weg“ ein attraktiver für viele neue politisch motivierte Bauern und Bäuerinnen. Dennoch sollten wir uns die Welt der Landwirtschaft, auch die der kleinteiligen, weder schön reden, noch ihr reaktionäres Potential unterschätzen. Das Ziel muss es sein die solidarische und kleinteilige Landwirtschaft zu forcieren und weiterhin Strukturen aufzubauen die dem agroindustriellen Mainstream trotzen, nicht nur in der Produktion, auch in den sozialen Fragen. Wir sehr sollten darauf achten, dass hier ein ökologisch und sozial nachhaltiger und emanzipatorischer Weg beschritten wird, nicht einer der Rückkehr in eine wenig gleichberechtigungswillige, ewig gestrige, autoritäre, privateigentumsfixierte und Männer-dominierte Bäuerlichkeit. 

 

Das Problem ist die kapitalistische Globalisierung

 

Wir leben in einer Wegwerf- und Verschwendungsgesellschaft. Es geht um Produktivität, Effizienz, Gewinnmaximierung und die Eroberung der Chancen des globalen Marktes. Das betrifft nicht nur aber im Besonderen die agrarische Produktion und die Lebensmittelwirtschaft. 

Doch in der Landwirtschaft entwickelt sich trotz Welthunger in einer ewig energiebedürftigen Globalisierung ein Trend zur Abkehr von der Lebensmittelwirtschaft. Dies veranschaulicht auch die Perversität des ökonomistischen Wandels, dass die Bedürfnisse der Menschen und der Umwelt hinten anstellt. Die so genannte („Bio-“) Energie tritt als Konkurrentin zur Nahrungsmittelproduktion auf. Subventionen kurzsichtiger Regierungen und anderer politischer Institutionen ermöglichen erst die Wüste, in der wenige große Betriebe profitable Monokulturen statt Ökosysteme entwickeln. Die „Biosprit"-Pflanzen benötigen gigantische Mengen an (fossilem) Dünger – ihre Ökobilanz ist in der Regel katastrophal, von den sozialen Konsequenzen der Mais- und Palmölwüsten dieser Welt ganz zu schweigen. Besonders hier werden große Mengen Lachgase freigesetzt, die klimapolitisch betrachtet bis zu 300mal schädlicher sind wie Kohlendioxid.

 

Der Trend der Machtkonzentration zugunsten der Agrar- und Chemiekonzerne fördert zugleich die Großteiligkeit ihrer Zulieferer: Wenige riesige spekulationswillige (börsendorierte) Unternehmen, statt zahlreiche solidarische, bedienen den "freien Markt", fördern den Rückgang der kleinteiligen Landwirtschaft und enden in lebensfeindlichen Agrarwüsten und der üblichen kapitalistischen Ausbeutung von Billiglohnarbeit und Sklaverei. 

 

Monopolstellungen unter anderem in Fragen des Saatgutes und mit Mitteln der Patentierung drängen, natürlich aus Gründen des Profits, die Vielfalt zurück. Der nicht-Respekt jahrhundertealter Kulturarbeit führt zum Rückgang der Diversität – zugunsten von Uniformität, Marktkompatibilität und der Idee geistigem Eigentums. 

 

In Freiburg ist ein angenehmer und gefühlt ökorevolutionärer Lebensstil möglich. Doch es ist eine Gesellschaft des spektakulären und illusionistischen Gefühls, mit Passivhausstandards und AlNatura, dass sich als erfolgreiches Greenwashing zusammenfassen lässt. Während die soziale Verdrängung aufgrund von profitgeilem Urbanismus und Zerstörung von Agrarflächen zunimmt, ermöglicht das Wohlfühlleben in einer „grünen Stadt", eine Verschleierung des (ehemals?) scharfen Blicks hinter die Kulissen dieser Illusion. 

 

Die Städte müssen wachsen, doch statt sinnvoller Nutzung bestehender Bausubstanz und durchdachter und sozialer Neubauquartiers wird abgerissen und versiegelt, zugunsten eines bestimmten Images und zugunsten der Betuchten. Das stetige Wachstum zeigt nicht in die Richtung eines ökologischen und sozialen Umbruchs, höchstens in die der Förderung einer neuen Marktbranche, der neoliberalen Green-Economy.

 

Das Marketing dieser „green City“ ist ein zunehmend anerkanntes Modell, dass zeigt inwieweit ein vermeintlicher ökologischer Lebensstil mit ökonomischer Ausgrenzung und nachhaltig umweltschädlichen Kompromissen einhergehen kann. Und inwieweit geschickte Bio-Siegel und Jute-Verpackung die geneigten GrünbürgerInnen zur Abkehr von (umweltpolitischer) Gesellschaftskritik zugunsten eines grellgrünen Ablasshandels bekehrt. Wirkliche Umweltzerstörungskritik bräuchte auch einen konsequenten Umgang mit den ökonomischen Konsequenzen einer kapitalistischen Ökoillusion. 

Grüner Kapitalismus bleibt eine Lüge!   

 

Auf den Trümmern: Das Paradies

 

„Zerstören um zu Verjüngen“ war ein Motto der 68er, als sie den alten Filz und die Emergenz autoritärer Strukturen in der Nachkriegsgeneration des zweiten Weltkrieges zurückdrängen wollten. Das ist nicht geglückt, autoritäre Strukturen bestimmen nach wie vor, vielleicht mehr denn je, das globale Geschehen, vielleicht mit Konsequenzen, die damals nur als Albtraum greifbar waren. Wenn wir hier und heute sagen: Wir wollen den Klimawandel stoppen und trotz der repressiven Rückschläge gegen die sozialen Bewegungen der letzten Jahrzehnte für einen solidarischen, dezentralen, ökologischen und emanzipatorischen Wandel unserer Wirtschaftsweise einstehen, dann klingt das wie eine unstemmbare Utopie der viel im Wege steht. Doch bei allen Katastrophen: Unsere Probleme haben Ursachen, vor denen wir nicht reaktionslos zurückschrecken sollten, sondern denen wir auf den Grund gehen müssen.

 

Wir stehen bei aller nachvollziehbarer Zerstörungswut angesichts der Verantwortungslosigkeit der Klimakiller, des Landraubs und der Profiteure der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen trotz allem dafür ein, unsere Zukunft und die künftiger Generationen ernst zu nehmen und aktiv zu verändern. Hier und jetzt!

 

Wir treten ein für ein Ende der Vertreibung, für die einen gerechten Zugang zu Land und für ein verantwortliches, nachhaltiges Teilen von Resourcen.

Die Umverteilung muss beginnen!

 

Unser konstruktiver Beitrag gegen die Gesamtscheiße ist der Aufbau von Kooperativen und weiteren solidarischen Strukturen. Im Netzwerk mit Millionen von KleinbäuerInnen weltweit wollen wir eine zukunftsträchtige Landwirtschaft erbauen, die in der Lage ist, die Umwelt zu schützen, die Menschheit zu ernähren und einen anderen Weg greifbar zu machen. Auch wenn der Widerstand gegen die kapitalistische Zerstörung nicht immer und überall konstruktive Formen annehmen kann, glauben wir an die Verwirklichung unserer Ziele, in einer Balance von konstruktiven Initiativen und einem Aufstand gegen die ausbeuterischen Verhältnisse auf allen Ebenen. Die Zukunft der Menschheit wird eine wachstumskritische und solidarische sein – oder sie wird nicht sein. Wir glauben an die Werte von Dezentralität, Autonomie und Nachhaltigkeit und werden uns nicht von der Agrarindustrie und anderen Klimakillern die Zukunft diktieren lassen.

 

Für eine Solidarische und dezentrale Energiewende!

 

Beteiligt euch an den COP21-Protesten in Freiburg und am Via-Campesina-Aktionstag, am 9. Dezember in Paris!

 

Für eine emanzipatorische, kleinteilige und nachhaltige Lebensmittelproduktion und einen kleinbäuerlichen Aufstand gegen die Arroganz der mafiösen Agrarindustriewelt des ewigen Wachstums! 

 

 

Treffpunkt: 11:00 Uhr, Johanneskirche

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

strohut-bloeckchenvia campesina