[B] Bericht zu '9. Mai - nazifrei!'

9. Mai 2015, Berlin

Am Nachmittag des 9. Mai folgten gut 600 Personen dem Aufruf des Bündnis 9. Mai, sich an vielfältigem und entschlossenem Protest gegen eine Nazi-Kundgebung vor dem Hauptbahnhof zu beteiligen. Dort hatten sich ab 15 Uhr etwa 300 Personen aus der extremen Rechten versammelt. Darunter der Landesvorsitzende der Berliner NPD, Protagonisten der Pegida-Ableger aus Leipzig und Berlin (Legida bzw. Bärgida), Mitglieder der islamfeindlichen "German Defence League" sowie rechte Verschwörungsanhänger. "Dank der zahlreichen und entschlossenen Menschen, die sich an unserem Gegenprotest beteiligt haben, konnten diese rassistischen, antisemitischen und menschenverachtenden Gruppen ihre Ansichten zum Glück nicht ungestört verbreiten", sagt Nina Baumgärtner, Sprecherin des Bündnis 9. Mai.

 

"Mit Transparenten, Sprechchören und Trillerpfeifen haben wir heute deutlich gemacht, dass wir für eine solidarische Gesellschaft eintreten, in der dieses rassistische Gedankengut keinen Platz hat." Als es einer Gruppe von Gegendemonstranten gelang, trotz der massiven Polizeiabsperrungen unmittelbar vor die Nazikundgebung zu gelangen und mit Sprechchören und Trillerpfeifen lautstark ihren Protest auszudrücken, offenbarte sich deutlich, welches Gewaltpotenzial in diesen Gruppierungen liegt: Unter "Sieg Heil"-Rufen versuchten Teilnehmer der Nazi-Kundgebung, die Gegendemonstranten anzugreifen; eine aus der Menge geworfene Flasche verfehlte eine Passantin nur knapp. Dazu Baumgärtner: "Hier zeigte sich wieder einmal: Nazi-Kundgebungen wie diese sind keine harmlosen Veranstaltungen, sondern eine Bedrohung für alle, die sich für eine solidarische Gesellschaft einsetzen."

 

Scharfe Kritik übt das Bündnis an dem verantwortungslosen Verhalten der Polizei, das eine Gefährdung für die Teilnehmer des Gegenprotests darstellte: Als sich mutige Gegendemonstranten einem Angehörigen der reaktionären Reichsbürger-Bewegung in den Weg stellten, der auf der Gegenkundgebung provozieren wollte, nahm die Polizei nicht den rechten Störer, sondern drei der Gegendemonstranten fest. Doch damit nicht genug: Anschließend fuhr ein Einsatzwagen der Polizei plötzlich und mit einer solchen Geschwindigkeit in die Menge der friedlich demonstrierenden Kundgebungsteilnehmer, dass eine Frau sich zur Seite werfen musste, um nicht umgefahren zu werden. Das Bündnis erwägt, Anzeige gegen den Fahrer des Polizeiwagens zu stellen. Insgesamt kam es durch unverhältnismäßig brutale Maßnahmen der Polizei zu mehreren verletzten Kundgebungsteilnehmern. Gerade zum 70. Jubiläum der Befreiung vom Nationalsozialismus ist es skandalös, dass die Berliner Polizei Menschen der antifaschistischen Kundgebung festnahm und verletzte, während Neonazis ihre Hetze verbreiten konnten.

 

"Wir wollen allen Menschen danken, die sich heute mit uns auf vielfältige Art und Weise der menschenverachtenden Ideologie der Nazis in den Weg gestellt haben", so Baumgärtner. "Statt, wie größenwahnsinnig angekündigt, den Reichstag zu stürmen, mussten die Rechten an diesem Tag abermals eine gewaltige Schlappe einstecken", so Baumgärtner.

 

(Pressemitteilung Rechter Reichtagssturm gescheitert - entschlossener und vielfältiger Gegenprotest des Bündnis 9. Mai)

 

Presse:

http://www.taz.de/!159662/

http://www.neues-deutschland.de/…/970638.proteste-gegen-rec…

 

Bilder:

https://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157652124274360

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Dieser Artikel ist sehr knapp und vergisst die offen zu Tage getretenen Spannungen zwischen einigen der Nazi Gruppierungen zu beschreiben. Von denen gab es gleich mehrere.

 

HoGeSa und auch der Schmitke hielten es z.B. ca. 3 Stunden ganz gut mit einer Israel Fahne auf der rechten Kundgebung aus. Zitat aus dem Artikel im Tagesspiegel: " Inzwischen halten viele Berliner Neonazis Pegida oder die sogenannten Montagsmahnwachen, zu denen Elsässer ebenfalls aufrief, „für konsensfähig“, wie einer sagt. Das erklärt, wieso die dicke Frau mit der Parole „Frei Sozial und National“ auf ihrem schwarzen Shirt offenbar kein Problem mit anderen Demonstranten hat. Ein paar Meter entfernt weht eine Israel-Fahne. Auf der Bühne spricht ein bekennender Jude über die Gefahr islamischer Einwanderung."
http://www.berliner-zeitung.de/berlin/demos-am-tag-der-befreiung-in-berl...

Die Israel Fahne auf der Nazi Demo ist hier auf der rechten Seite zu sehen
https://www.flickr.com/photos/pm_cheung/17275422098/in/album-72157652124...

und hier mitten in der Nazi Kundgebung https://www.flickr.com/photos/neukoellnbild/17461225145/in/album-7215765...

 

Als ein Redner auf der Kundgebung (nach ca. 4 Stunden) von der Bühne berichtet, er kenne keinen einzigen Muslim, der eine "Islamisierung des Abendlandes" anstrebe, können einige GIDAs und NPDler dann aber doch nicht mehr an sich halten und buhen den Redner von der Bühne. Später verlassen immer wieder Grüppchen  im Streit die rechte Kundgebung. Elsässer scheint also seine erfolgreiche Arbeit als interner Aufstachler nun auch in der Naziszene fortsetzen zu können.

 

Peinlich war übrigens auch die von ca. 30 Menschen besuchte Kundgebung der Montagsmahnwache in Sicht- und Hörweite der Nazis. Sie hatten eindeutig die lauteste Lautsprecheranlage in der Umgebung und beleidigten durchgehend Antifaschist*innen, während sie sich selbst als die "wahre Antifa" darstellten. Zu Elsässers Kundgebung fiel ihnen nur sehr wenig ein. Eine Rap Crew empfahl dem Publikum der Montagsmahnwache, den Tag zu nutzen und "viele Kinder zu machen". Zwar mag diese Empfehlung der geringen Teilnahme an ihrer Kundgebung geschuldet gewesen sein, blieb an Skurilität aber an diesem Tag ansonsten ungetopt.

 

Warum allerdings nur 600 Berliner*innen diesen Spuk durch Proteste stören wollten, ist schwer einzuschätzen.