"Antifa auf Sorbisch"

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Wie ADDN berichtet, demonstrierten am Mittwoch Abend mal wieder die Nazis Bautzen/Budyšin, genauer im eingemeindeten Niederkaina/Delnja Kina. Spontan und mit SS-Kult und Fackeln und so, was sie in der Gegend besonders zu mögen scheinen. Es fällt fast schwer, sich darüber zu erschrecken – zu sehr hat man sich an Faschodemos in der Region gewöhnt. Um so wichtiger ist es, dagegen zu halten. Währenddessen bekommt die Region samt ihren Eigenheiten mal wieder etwas überregionale Aufmerksamkeit – wenn auch in kleinem Rahmen in der gedruckten Linken Presse. Ein Artikel aus der „Analyse & Kritik“,:

 

Antifa auf Sorbisch

 

In der Oberlausitz nehmen Naziübergriffe zu – Jugendliche organisieren sich

 

Von Christopher Fritzsche

 

Die zunehmenden Übergriffe auf Sorb_innen in der Oberlausitz wurden im letzten halben Jahr verstärkt öffentlich thematisiert. Das Unkenntlichmachen sorbischer Ortsschilder, die Beschädigung religiöser Symbole sowie gezielte Angriffe auf sorbisch sprechende Jugendliche durch Nazis verbreiteten eine Atmosphäre der Unsicherheit und Einschüchterung in dem größtenteils im südöstlichen Sachsen gelegenen Gebiet.
Insgesamt 15 Vorfälle wurden 2014 von der RAA Sachsen im Landkreis Bautzen registriert, wobei die Dunkelziffer insbesondere bei von tätlichen Angriffen Betroffenen weitaus höher liegen dürfte. Auch wenn Ende März die ersten Verdächtigen festgenommen wurden, ist dies noch kein Grund zur Beruhigung. Denn das zuständige Operative Abwehrzentrum des Freistaats Sachsens ordnet die jugendlichen Tatverdächtigen allesamt der organisierten Naziszene zu. Diese wird von regionalen Stellen als sehr aktiv beschrieben und fiel in den letzten Monaten beispielsweise durch Demonstrationen der NPD (August 2014) sowie der Partei Die Rechte (Januar und März 2015) in Bautzen auf.
Ein weiteres Betätigungsfeld ist die Organisation von Protesten gegen Unterkünfte für Geflüchtete. Das Thema ist auch in breiteren Teilen der Bevölkerung anschlussfähig. Dies zeigt sich unter anderem in der Debatte um das zur Flüchtlingsunterkunft umfunktionierte Spreehotel sowie die geplante Unterkunft im Gewerbepark Greenpark in Bautzen. Hier argumentieren und demonstrieren Neonazis an der Seite von »besorgten Bürger_innen mit Sicherheitsbedenken«, wie es auf der Homepage einer Bürgerinitiative gegen die Unterkunft heißt. Beispiele wie dieses verdeutlichen die Präsenz der Szene sowie ihre Akzeptanz in Teilen der Gesellschaft.
Trotz des polizeilichen Ermittlungserfolges und des in den letzten Wochen erfolgten Rückgangs der Übergriffe bleibt die Situation für Sorb_innen angesichts aktionsfreudiger Nazistrukturen sowie der Verbreitung deutschnationaler und autoritärer Einstellungen in der Region angespannt. Das in der Oberlausitz als Alltagssprache präsente Sorbisch macht sie zur möglichen Zielscheibe von Übergriffen. Den Versuch der Angreifenden, als sorbisch wahrgenommene Elemente wie die Sprache oder religiöse Symbole aus dem öffentlichen Raum zu verbannen oder zu stigmatisieren, nehmen viele Sorb_innen als Angriff auf ihre kulturelle Identität wahr. Gerade unter Jugendlichen wächst deshalb die Unsicherheit bezüglich ihres Auftretens in der Öffentlichkeit und der zu erwartenden Reaktionen.

 

Explizit antifaschistische Mobilisierung schwierig

 

Aktivist_innen vor Ort versuchen daher, Antworten auf die Entwicklungen der letzten Monate zu finden. Ihre Bemühungen bewegen sich dabei in einem anspruchsvollen Spannungsfeld: Auf der einen Seite ist es wichtig, sorbische Lebensräume und -weisen selbstbewusst zu repräsentieren und sichtbar zu machen. Gleichzeitig soll diese Dynamik nicht in eine identitär aufgeladene Abgrenzung umschlagen.
Eine besondere Eigenheit der Situation ist dabei auch, dass in der sorbischen Region zwischen Budyšin, Kamjenc und Wojerecy in der Oberlausitz (auch katholisches Dreieck genannt) ohnehin eine relativ homogene sorbische Identität existiert, die sich historisch bedingt stark über ein katholisches Selbstverständnis definiert. In diesem Kontext ist als politisch verstandenes Engagement nicht besonders stark ausgeprägt und grenzt sich von als »rechts« oder »links« zu bezeichnenden inhaltlichen Tendenzen gleichermaßen ab. Vor diesem Hintergrund ist eine explizit antifaschistische Mobilisierung schwierig. Sie muss sich umsichtig an den Gegebenheiten vor Ort orientieren.
Stellvertretend für diese Bemühungen steht die Planung eines antifaschistischen Festivals mit Bands aus der Region und dem Umland, welches am 16. Mai in Bautzen stattfinden wird. Die in der Region verankerten Organisator_innen verstehen die Veranstaltung als den Versuch, eine kulturelle Antwort auf die Übergriffe und das durch sie erzeugte Klima der Unsicherheit zu geben.
Angedacht ist das Ganze als ein offensiver Ausdruck sorbischer Selbstbehauptung, der gleichzeitig auch auf andere von Diskriminierung betroffene Menschen in der Oberlausitz aufmerksam machen will. Neben Gesprächsrunden, welche die Möglichkeiten sorbischer Selbstorganisation diskutieren, ist daher geplant, Geflüchtete aus den umliegenden Städten in das Programm des Festivals miteinzubeziehen. So soll die rassistische Stimmungsmache in Dresden, Zittau, Görlitz und an anderen Orten thematisiert werden.

 

Christopher Fritzsche schrieb zuletzt in ak 603 über den Arbeitskampf der FAU Berlin an der Mall of Berlin.

 

Infokasten:

 

Antifa-Festival Bautzen
Unter dem Motto »Wočiń woči – zhromadnje přećiwo rasizmej a fašizmej!« (Augen auf – gemeinsam gegen Rassismus und Faschismus!) findet das Festival am 16. Mai 2015 im Kulturzentrum Steinhaus in Bautzen statt. Nähere Infos gibt es unter www.facebook.com/events/752702248162280/.

 

Die AK gibts übrigens in den Bahnhofsbuchhandlungen. Gutes Mittel gegen Langeweile bei längeren Fahrten. Und eine Veranstaltungsankündigung auf Indymedia Linksunten gibts auch schon: https://linksunten.indymedia.org/de/node/140589

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Ich empfinde das als ziemlich anbiedernd und falsch was in diesem Artikel steht.

 

"Aktivist_innen vor Ort versuchen daher, Antworten auf die Entwicklungen der letzten Monate zu finden. Ihre Bemühungen bewegen sich dabei in einem anspruchsvollen Spannungsfeld: Auf der einen Seite ist es wichtig, sorbische Lebensräume und -weisen selbstbewusst zu repräsentieren und sichtbar zu machen. Gleichzeitig soll diese Dynamik nicht in eine identitär aufgeladene Abgrenzung umschlagen.
Eine besondere Eigenheit der Situation ist dabei auch, dass in der sorbischen Region zwischen Budyšin, Kamjenc und Wojerecy in der Oberlausitz (auch katholisches Dreieck genannt) ohnehin eine relativ homogene sorbische Identität existiert, die sich historisch bedingt stark über ein katholisches Selbstverständnis definiert. In diesem Kontext ist als politisch verstandenes Engagement nicht besonders stark ausgeprägt und grenzt sich von als »rechts« oder »links« zu bezeichnenden inhaltlichen Tendenzen gleichermaßen ab. Vor diesem Hintergrund ist eine explizit antifaschistische Mobilisierung schwierig. Sie muss sich umsichtig an den Gegebenheiten vor Ort orientieren."

 

Das relativiert meines Erachtens die dortigen Verhältnisse. Die Menschen, mit denen ich gesprochen habe und die sich als "Sorben" bezeichneten, waren reaktionäre, identitäre Idioten. Sie betonten alle, dass sie ein 'ganz anderes Volk' seien als 'die Deutschen'. Mit ihrem "Wir-Gefühl" waren diese Leute genau so ausgrenzend wie alle anderen völkisch-nationalistisch kategorisierende Menschen.

Wenn ich "Explizit antifaschistische Mobilisierung" will, dann will ich gerade keinen "Ausdruck sorbischer Selbstbehauptung", sondern Menschen die dafür Eintreten fei und selbstbestimmt zu leben. Das heißt dann natürlich auch eine selbstgewählte Sprache sprechen zu können und dergleichen, aber dieser ethnisch-kollektivierende Müll hat dabei gar nichts verloren.

"Das heißt dann natürlich auch eine selbstgewählte Sprache sprechen zu können und dergleichen, aber dieser ethnisch-kollektivierende Müll hat dabei gar nichts verloren."

 

Das mit der selbstgewählten Sprache wird von Nazis, die z.B. in der Disko lauschen, wer sorbisch redet und die Leute dann auf dem Parkplatz abfangen, sehr gewaltsam bestritten. Letztlich ist das nichts anderes als der Versuch eine Art Sprachverbot in der Öffentlichkeit durchzusetzen. Was ja auch Tradition hat - die Geschichte der Region ist auch eine Geschichte einer oft gewalttätigen Germanisierung. Wenn man das nicht wahrhaben will, ist es einfach, aus der Position der Mehrheitsgesellschaft heraus über den "ethnisch-kollektivierende Müll" einer Minderheit zu reden. Vielleicht auch deshalb, weil das der Mehrheitsgesellschaft innewohnende Ethnisch-Kollektivierende so selbstverständlich ist, dass es niemand wahrnimmt.

 

Der Artikel stilisiert "die" Sorben nicht zu den besseren Menschen oder gar zur Speerspitze der Weltrevolution. Das wäre auch schlicht Quatsch. Dann müsste man auch den sächsischen Ministerpräsidenten irgendwie sympathisch zu finden. Ein befremdlicher Gedanke. Wenn du aber mal die Gelegenheit hast, zu einer Party aufs Dorf im "katholischen Dreieck" zu fahren, wirst du sehr unterschiedliche Leute mit sehr unterschiedlichen Meinungen treffen. Womöglich hast du spannende Gespräche, vielleicht auch nicht. Begibst Du dich auf die Suche nach "reaktionären, identitären Idioten" - kann funktionieren. Das klappt allerdings auch im Oberland, wo aber die Wahrscheinlichkeit, daß die Idioten NPD wählen oder abends mit Fackeln und Masken durch die Gegend rennen deutlich höher sein dürfte. Was zum Glück nicht bedeutet, dass es im Oberland nur Idioten gibt. So what?

 

Schön wäre es, wenn Du dich darüber freuen könntest, daß es Leute gibt, die sich nicht von irgendwelchen Faschos die Muttersprache verbieten lassen wollen. Sie mögen nicht in jedem Detail deiner Meinung sein - was solls! Und daß sich darüber hinaus ein paar Leute gefunden haben, die in Bautzen/Budyšin ein explizit antifaschistisches Konzert organisieren, ist doch auch ein gute Sache - unabhängig davon ob da "Zhromadnje přećiwo rasizmej a fašizmej" oder "Gemeinsam gegen Rassissmus und Faschismus" auf dem Plakat steht. Du könntest sogar vorbeikommen, Deine Kritik in die Workshops einbringen und anschließend bis zum achten Bier kontrovers diskutieren. Oder einfach ein schönes Konzert ohne Nazis genießen.

Sicher wird das Recht eine beliebige Sprache zu sprechen von den Nazis bestritten und muß gegen diese verteidigt werden. Ich weiß nicht warum du dies als Argument aufführst, wo doch klar ist, dass wir da einer Meinung sind.... nur würde ich es nicht als "eigene Sprache" bezeichnen.

Das in der Mehrheitsgesellschaft massiv ethnisch-kollektivierend gedacht wird ist doch absolut klar. Dazu stehen wir als linke in ständiger Feindschaft. Das einigen (und ggf. auch mir) manches dabei noch gar nicht auffällt ändert nichts an der grundsätzlichen Kritikwürdigkeit sondern ist notwendige Kritik an uns und dabei ein Appell zur Schärfung unserer Analyse.

Niemand sagt auch, dass ich diese Leute, die das Konzert veranstalten kacke finde. Sie sind bestimmt progressiver als viele andere Menschen und ein Schritt in die richtige Richtung ist besser als keiner. Ich finde den Artikel kacke, der es in seiner seiner Solidaritätsbekundung nicht hin bekommt auch absolut notwenige Kritik an zu bringen.

 

Es ist auch ein bisschen lustig, dass du mir gleich unterstellst zu der "Mehrheitsgesellschaft" zu gehöhren... Was auch immer du darunter genau verstehst.

Von "eigener Sprache" hab ich gar nicht geschrieben. Ich hab Muttersprache gesagt und meinte die Sprache, in der jemand aufwächst. Ob Du zur "Mehrheitsgesellschaft" gehörst, musst du selbst entscheiden. 

Mit "Mehrheitsgesellschaft" meine ich im Kontext der Lausitz diejenigen, die mit deutscher Sprache und in deutschem Kontext aufgewachsen sind. Mit "Minderheit" die, die auf sorbisch oder im sorbischen Kontext aufgewachsen sind. Darüber hinaus ist es natürlich entscheident ob und wie sich der/die Einzelne zuordnet. Mir ist klar, dass es da viel dazwischen gibt. Wahrscheinlich hat jede_r zweite der die auf deutsch aufwächst irgendwo eine sorbisch Großmutter, im deutsch der Lausitz gibt es viele Sorabismen und grade im Alltagssorbisch auf dem Dorf sehr viele Germanismen. Es ist dementsprechend Unsinn wie im Vorgarten einer Reihenhaussiedlung einen Zaun anzulegen und festzulegen wer wohin gehört. Grade aus dem sorbischen Kontext gibt es da auch interessante Forschungen.

Festzustellen ist aber auch, dass das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit ein asymetrisches war und ist. Historisch ist das klar an der forcierten und häufig erzwungenen Germanisierung aber auch an der sozialen Stellung der Beteiligten und dem sozialen Status der Sprachen zu sehen.

Heute ist es symtomatisch, daß zweisprachige Straßenschilder für viele eine Zumutung zu sein scheinen, daß alle, die sorbisch als Muttersprache haben, perfektes Deutsch sprechen, umgekehrt aber die meisten, die auf deutsch aufgewachsen sind nicht einmal ein Bier auf sorbisch bestellen können. Julijan Nyca hat da einen ganz interessanten Text geschrieben, den man nicht in allen Einzelheiten unterschreiben muss, der aber eine andere mögliche Sichtweise auf die Lausitz eröffnet.

Bei all dem ist selbstverständlich auch ein sorbischer Nationalismus nicht wünschenswert, auch wenn er mangels Masse wohl weniger Schaden in der Welt anrichten könnte als der deutsche. Deshalb steht auf dem Plakat auch nicht sowas wie "Sorbische Jugend: Prügelt den deutschen Nazi aus eurem sorbischen Dorf" sondern "gemeinsam gegen Rassismus und Faschismus". Aber sorbischer Nationalismus ist nicht das, was uns grade Sorgen machen muss.

Das Problem in der Lausitz sind doch nicht diejenigen, die sich auf der Reichenstr. auf sorbisch über ihre Einkäufe unterhalten, sondern jene, die das mit einem drohenden "In Deutschland wird deutsch gesprochen" kommentieren. Und ich vermute, dass letztere dieselben sind, die auch mit der "Rechten" gegen Flüchtlingheime demonstrieren. Ich denke wir sind uns einig, dass wir diesen Leuten gemeinsam Einhalt gebieten müssen.

Minderheitensprachen sind ohne an diese gekoppelte identitäre Erzählung nicht zu bekommen, weil es hier immer um einen Erhaltungs-Diskurs geht. Da muss man sich dann schon die Mühe machen und genauer hinschauen, wem man mit einem zu starr und analytisch unterkomplex ausgelegten antiidentitären Reflex eigentlich im konkreten Fall in die Karten spielt. Nichts für ungut.