[Thiazi-Prozess] 11. Verhandlungstag

Thiazi-Pressegruppe

Gegenstand des 11. Verhandlungstages im «Thiazi-Verfahren» war neben der Befragung eines ehemaligen Mitarbeiters von «jugendschutz.net», die u.a. auf Anfrage des BKA ein Dokument anfertigten, das den Inhalt des «Thiazi-Forum» bewertete, auch die Vernehmung zweier weiterer ehemaliger Betreuer des Forums: Marian Rohde (alias «Krafft») und Phillip Kurstak (alias «GKT» und «Grom»).

 

 «jugendschutz.net»: „Im «Skadi-» sowie «Thiazi-Forum» ging es schwerpunktmäßig um Hass“


Der 11. Verhandlungstag beginnt mit der Vernehmung eines ehemaligen Mitarbeiters von «jugendschutz.net». Der Zeuge schildert kurz den Zweck und den Aufgabenbereich der gemeinnützigen GmbH: «jugendschutz.net» wurde 1997 von den Jugendminister_innen aller Bundesländer gegründet, um jugendschutzrelevante Angebote im Internet zu überprüfen und auf die Einhaltung von Jugendschutzbestimmungen zu drängen. Im Jahr 2000 wurde das Aufgabenfeld thematisch um das Themenfeld „Rechtsextremismus“ erweitert. Seit 2001 verfolgten Mitarbeiter_innen von jugendschutz.net die Entwicklung des «Skadi-Forums», bei dem sich zu jener Zeit eine rasant große Community herausbildete. Ziel der Recherchen u.a. zu «Skadi.net» war es, vorzugsweise Propagandaschriften zu finden, aber auch andere volksverhetzende und strafrechtlich relevante Inhalte wurden untersucht.

Nach Ablösung des deutschen Forumsbereichs von «Skadi.net» zu «Thiazi» gelang es den Mitarbeiter_innen von «jugendschutz.net» im Jahr 2004 durch Anschreiben des damaligen Providers «aplus.net», das «Thiazi-Forum» für kurze Zeit aus dem Netz zu nehmen. Wagner und Ruthenberg beginnen bei diesen Ausführungen zu grinsen.

Im weiteren Verlauf erläutert der Zeuge die Vorgehensweise von «jugendschutz.net» im Umgang mit Inhalten, wie sie im «Thiazi-Forum» zu finden waren. Im Allgemeinen sei es schwer, Provider, die sich im Ausland befinden, von einer Sperrung der Inhalte zu überzeugen, auch wenn diese beispielsweise gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen. 2007 erarbeitete «jugendschutz.net» einen Indizierungsantrag, der als Schwerpunkt u.a. die im Forum hinterlegte Musik sowie die in den Avataren benutzten Hakenkreuze und Siegrunen beinhaltete. Ihm folgten noch weitere Anträge auf Sperrung verschiedener Inhalte von «Thiazi»; diese hatten oftmals jedoch keinen Erfolg. So habe beispielsweise der Provider «the planet» 2010 einen entsprechenden Antrag ignoriert, die Firma «softlayer.com» hat den Antrag abgelehnt. Ziel sei darüber hinaus gewesen, das Angebot von «Thiazi» aus der google-Suche zu entfernen.

Nach vierstündiger Unterbrechung der Hauptverhandlung, die u.a. der langen Anfahrtszeit der nachfolgenden Zeugen geschuldet war, beginnt die Vernehmung des Zeugen Marian Rohde.

 Marian Rohde: „Suchbegriffe wie Ausländerkriminalität und multiethnische Banden führten mich zu «Thiazi»“

 

Der 37-jährige Krankenpfleger Marian Rohde alias «Krafft» betritt selbstbewusst den Gerichtssaal. Ein zuvor gegen ihn geführtes Verfahren im Zusammenhang mit «Thiazi» wurde gegen eine Geldauflage von 20.000 Euro eingestellt. Auf Nachfrage des Richters gibt er an, die Strafe bereits durch die Leihgabe eines Freundes beglichen zu haben. Ähnlich, wie es bereits andere Beschuldigte im Prozess angegeben haben, sei auch Rohde durch eine google-Suchanfrage im Jahr 2006 auf «Thiazi» gestoßen. Die Suchbegriffe „Ausländerkriminalität“ und „multiethnische Banden“ brachten die entsprechenden Treffer zum Forum.

Die folgende Vernehmung des Zeugen Rohde gestaltet sich zäh, gewieft umschifft er Fragen des Richters bezüglich der Inhalte von «Thiazi» und welchen Sinn und Zweck das Forum verfolgte. Das Forum hätte inhaltlich alle Themen „von Kochrezepten bis alle anderen Bereiche des Lebens abgedeckt“. Es seien fernab von „political correctness“ auch extreme Meinungen diskutiert worden und natürlich durfte auch „geschimpft“ werden. Rohde führt aus, dass er sich an das «Thiazi-Forum» „gekrallt“ habe. Er sei lange Zeit von Familie und Freunden isoliert gewesen, weil er im Forum mehr Zeit verbrachte als im Leben außerhalb des Netzes. Er habe durch seine Aktivitäten im Forum Anerkennung bekommen, es sei wie eine Sucht gewesen, umso mehr Befürwortung er erfuhr, umso mehr kniete er sich in die Forumsarbeit rein. Die Anerkennung, die er durch andere User im Form von Danksagungen und Renommeepunkte erhielt, sei auch ein Grund dafür gewesen, dass er von Ruthenberg angesprochen wurde, ob er als Betreuer tätig sein möchte. Seine Arbeit umfasste das Verwalten der Inhalte, die im Unterforum „Stammtisch“ publiziert wurden. Der „Stammtisch“ war ein Bereich, in dem all die Themen Platz fanden, die nicht in bereits angelegte Bereiche passten, so beispielsweise „ein Bericht über das heutige Verfahren“. Ganz so unbedeutend, wie er versucht, es darzustellen, kann seine Rolle indes nicht gewesen sein: Nach früheren beiläufigen Äußerungen Wagners verfügte Rohde ebenfalls über Administratorenrechte.

Überraschend sind Relativierungen dieser und ähnlicher Art jedoch nicht. Nach dem nunmehr 11. Verhandlungstag im «Thiazi»-Prozess lassen sich bestimmte Muster in den Aussagen der Beschuldigten und Beteiligten erkennen, die am besten mit „von nichts gewusst“ und „nicht über die Bedeutung nachgedacht“ beschrieben werden können. So führten beispielsweise Wagner, Eberhardt und Rohde aus, dass sie vom Forum „nicht haben loslassen“ können, die Tragweite ihres Tuns hätten sie zudem nicht erkannt, heute würden sie ganz anders handeln, hätten sie noch einmal die Wahl. Einhellig sagten sie aber auch aus, dass sie sich kaum an rassistische, volksverhetzende oder ähnliche Inhalte erinnern könnten, vielmehr sei das Forum einfach ein „Ort des freien Meinungsaustausches“ gewesen, ganz unverfänglich, ganz harmlos. Kritische Bereiche hätten sie wohl einfach „ausgeblendet“. Diese angebliche Ahnungslosigkeit und Erinnerungsschwäche wirkt auch ohne weitere Ausführungen wenig überzeugend. Vollkommen unglaubwürdig werden sie durch die wortgleichen Antworten Eberhardts und Rohdes auf die Frage des Richters, welche Regeln im Forum [1] gegolten hätten: „Idiotie“ sei beispielsweise verboten gewesen, ein Begriff, der in Forenkontexten nicht alltäglich ist. Tatsächlich gab es in den offiziellen «Thiazi»-Regeln einen entsprechenden Eintrag, allerdings nicht an „prominenter“ Stelle. An Details können sich beide offenbar gut erinnern, das große ganze jedoch scheint ihnen abhanden gekommen zu sein.

Nach einem Wohnungsbrand im Jahr 2007/08 unterstützte die «Thiazi»-Gemeinschaft den Geschädigten Rohde durch einen Spendenaufruf, etwa 2.500 Euro wurden dabei eingenommen. Rohde schildert in diesem Zusammenhang, dass ihn die „nationale Solidarität“ überwältigte und dass dies ein weiterer Grund gewesen sei, seine Aktivitäten im Forum zu intensivieren. Zwei Jahre später, im Jahr 2010, stellte er nach eigenen Angaben seine Tätigkeit im «Thiazi»-Forum jedoch ein, als Gründe dafür nannte er einen Umzug und persönliche Veränderungen in seinem Privatleben. Auf Nachfrage des Richters erklärt er, dass er seine damalige Lebenspartnerin kennengelernt habe, die einen Migrationshintergrund gehabt hätte. Rohde gibt in seinen Ausführungen mehrmals an, sein Handeln im Forum für sich persönlich reflektiert zu haben, diese Äußerungen beißen sich jedoch mit seinen äußerst schwammigen Aussagen im Prozess. Er windet sich heraus, sucht Ausreden und umschreibt gezielt Dinge, die er bereits umfangreich beim BKA zu Protokoll gegeben hatte. Auf Nachfrage des Richters gibt Rohde nur äußerst zögerlich zu, auch selbst rassistische Inhalte im Forum publiziert zu haben. Das Forum sei ein Ort gewesen, in dem man „zusammen hassen konnte“. Ein reflektierte Loslösung aus der Naziszene wirkt nach diesen Ausführungen zumindest fragwürdig.

 Philipp Kurstak: „Erst als sich mir der Inhalt von «Thiazi» erschlossen hat, verstand ich das ich einen Irrweg verfolgte.“

 

Der Zeuge Philipp Kurstak wird als nächstes in den Zeugenstand gebeten. Der ersten Aufforderung kommt er jedoch nicht nach. Der Angeklagte Schuster ergreift die Initiative und bittet Kurstak in den Gerichtssaal. Die beiden Karlsruher kennen sich, sie leben nicht weit voneinander entfernt und haben u.a. durch ihre Aktivität bei «Thiazi» auch persönlichen Kontakt zueinander. Verunsichert nimmt Kurstak auf der Zeugenbank Platz. Seine Jacke möchte er anbehalten, er fühle sich so wohler.

Gegen Kurstak wurde bereits ein Verfahren im Zusammenhang gegen «Thiazi» geführt, das jedoch aufgrund von Verfahrensunfähigkeit nach §170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt worden ist. Aufgrund mehrerer psychischer Erkrankungen, an denen er bereits seit seiner Jugendzeit leidet, war er damals nicht in der Lage, als Zeuge zu fungieren. Die Staatsanwaltschaft gibt bekannt, dass seine heutige Vernehmung als Zeuge u.a. bedeuten könnte, dass das bereits eingestellte Verfahren gegen ihn wieder aufgenommen werden könne. Trotz dieser Androhung der Staatsanwaltschaft stimmt Kurstak einer Vernehmung als Zeuge zu.

Der 27-jährige Bürokaufmann ist in seiner Schulzeit durch eine Recherche für eine Schularbeit zum Thema „Drittes Reich“ auf das «Thiazi»-Forum aufmerksam geworden. Dort sei er auf den Musikbereich gestoßen und seither im Forum „hängen geblieben“. Seine Tätigkeit im Forum umfasste ähnlich wie die von Stetefeld, allerdings nicht so umfangreich, das Verwalten des Musikbereiches. Er erstellte für die im Forum hinterlegte Musik Musiktexte, die er beim Anhören der Musik mitschrieb.

Kurstaks weitere Vernehmung als Zeuge gestaltet sich schwierig. Es hat den Anschein, das er unter Einwirkung beruhigender Medikamente steht, auf Nachfragen des Richters reagiert er nur langsam und sporadisch oder antwortet mit einem einfachen „Ja“ oder „Jo“. Auf die Frage des Richters, warum er sich im «Thiazi»-Forum engagierte und später auf Einladung Ruthenbergs die Aufgabe als Betreuer übernahm, antwort er, dass sich ihm der Inhalt des «Thiazi»-Forums lange nicht erschlossen hätte, erst später sei ihm bewusst geworden, dass das er einen Irrweg verfolgte. Dies sei auch eine der Gründe gewesen das «Thiazi»-Forum zu verlassen.

Nach Beendigung der Vernehmung Kurstaks ergreift Wagners Rechtsanwalt Junge das Wort und gibt bekannt, das sein Mandant die außergerichtlichen Einziehung von acht Asservaten zustimme. Zum nächsten Verhandlungstermin am 31. März 2015 sind vier BKA-Beamte geladen, die sich u.a. zu den hinterlegten Musiktexte im Musikbereich äußern sollen.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

01. Verhandlungstag, 28. November 2014

02. Verhandlungstag, 18. Dezember 2014

03. Verhandlungstag, 07. Januar 2015

04. Verhandlungstag, 08. Januar 2015

05. Verhandlungstag, 27. Januar 2015

06. Verhandlungstag, 28. Januar 2015

07. Verhandlungstag, 17. Februar 2015

08. Verhandlungstag, 24. Februar 2015

09. Verhandlungstag, 25. Februar 2015

10. Verhandlungstag, 10. März 2015

Vielen dank für die gute und wertvolle Berichterstattung! Sehr gute Aufklärungsarbeit die hier geleistet wird! Weiter so!

Würde mich über einen Bericht über den 12. Verhandlungstag freuen, falls ihr anwesend ward

Dem schließe ich mich an. Übrigens: Superberichte. 

Dieser Prozess zeigt mal wieder, was das für toughe Vorzeigenazis im Real life sind. Sich im Internert für Deutschland aufzuopfern und die sofortige Bereitschaft zu bekunden, sich sogar eine Kugel als Märyrer für Deutschland einzufangem wenn es darauf ankäme... und wegen drei Likes anfangen vor Geilheit zu onanieren. Aber dann zusammenzucken und von nichts zu wissen,  wenn der Staatsanwalt nur gehustet hat.

hahaha, sehr gut zusammengefasst...Stimme Ich Dir zu :-)

erstmal: Klasse Arbeit!

 

Aber seit fast 2 Monaten gibt es nichts Neues zu lesen.

Eine kurze Rückmeldung wäre nett, bzw. wieder mal was Aktuelles zum Fall.

 

Merci schon mal

Würde mich auch über weitere Berichte freuen. Sind eigentlich die Aussagen noch irgendwo zum runterladen verfügbar (die bei der Polizei gemacht wurden)? Würden mich auch mal interessieren.....

generell wäre es mal interessant zu wissen, wie es weiter ging in dem Prozess.