Dessau: Blockaden behindern Neonaziaufmärsche

Impressionen aus Dessau

In der anhaltinischen Mittelstadt Dessau-Roßlau haben am Nachmittag und am frühen Abend mehrere hundert Menschen gegen Aufmärsche von Neonazis protestiert. Gegen 14.30 Uhr gelang  es den jährlich stattfindenden „Trauermarsch“ kurzzeitig durch Blockaden zu behindern bzw. umzuleiten. Am Abend gelang dies bei einem rassistisch motivierten Demonstrationszug ebenfalls. Verhindert wurden beide Märsche jedoch nicht. Ein großes Polizeiaufgebot konnte große Teile der angemeldeten Aufmarschrouten bzw. genügend Ersatzwege freihalten.

Neonaziaufmärsche mit Tradition

Bereits seit mehr als zehn Jahren führen Neonazis Anfang März einen so genannten „Trauermarsch“ durch das Dessauer Stadtgebiet, vom Hauptbahnhof bis zum Friedhof in der Heidestraße, durch. Vorgeblich soll dadurch an die Bombardierung der Stadt während des Zweiten Weltkrieges erinnert werden. Bei einem schweren Luftangriff am 7. März 1945 waren rund 700 Menschen ums Leben gekommen und ungefähr 80 Prozent des bebauten Stadtgebietes von Dessau zerstört worden. Allerdings wird das Gedenken im Rahmen des „Trauermarsches“ einseitig aufgeladen und in der Regel u.a. dafür genutzt, die damaligen Weltkriegsalliierten zu diskreditieren. Die Verantwortung Nazideutschlands für die Auslösung des Zweiten Weltkrieges sowie die millionenfache Auslöschung jüdischen Lebens werden jedoch bis heute nicht thematisiert. Stattdessen präsentiert sich der Aufzug als düsterer, weltabgewandter Schweigemarsch, mit immer nahezu gleicher Stilistik und  Regieabfolge. So auch in diesem Jahr.

„Trauermarsch“ und Proteste

Ab 11.00 Uhr sammelten sich die Teilnehmer_innen des Marsches, Neonazis aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Niedersachsen vor dem Hauptbahnhof. Allerdings waren sie dort nicht alleine. Ein größeres Polizeiaufgebot hatte bereits Stellung bezogen und trennte durch Absperrgitter den Startpunkt des Trauermarsches von einer in der Nähe stattfindenden Protestkundgebung des Netzwerkes „GELEBTE DEMOKRATIE“. An dieser nahm auch Peter Kuras (FDP), Oberbürgermeister der Stadt Dessau-Roßlau, teil. In seinem Redebeitrag betonte er, dass die Stadt ebenfalls um die vielen Kriegsopfer trauert und ihrer gedenkt. „Doch“, so Kuras in Richtung den Neonazis weiter, „im Unterschied zu den vielen ungebetenen Gästen in unserer Stadt, haben wir nicht ausgeblendet, wie es dazu kam“. Anschließend stellte er klar, dass die „Kriegsfackel“  auch von Dessau-Roßlau, als einer der größten Rüstungsschmieden im Reich, ausging und eben am 7. März 1945 an einem ihrer Ursprungsorte wieder zurückkehrte. „Dessau-Roßlau“, so der Oberbürgermeister weiter, „war keine unschuldige Stadt“. Denn die NSDAP regierte hier bereits seit 1932 und in der Pogromnacht von 1938 brannte die Dessauer Synagoge als eine der ersten in Deutschland. Zu dem, so Kuras, wurde mit dem Gift Zyklon B aus Dessau millionenfach in den Vernichtungslagern der Nazis gemordet.
„Wer diese Vorgeschichte ausblendet oder verfälscht, der vergeht sich gerade an den vielen Opfer, die mit ihrem Leben für diesen Größenwahn bezahlen mussten“, so der Oberbürgermeister mahnend weiter.
Als Konsequenz rief Kuras den Neonazis abschließend zu: „Ihr seid in Dessau nicht willkommen, wir dulden die Verfälschung der Geschichte nicht. Wir treten euch gemeinsam entgegen und zeigen, dass wir Demokraten in der Mehrheit sind.“
Weitere Reden folgten. U.a. wurden auch Spendengelder von Landtagsabgeordneten der Grünen und der Linken für das Netzwerk „Gelebte Demokratie“ überreicht.
An dieser ersten Kundgebung der Dessauer Zivilgesellschaft beteiligten sich bis zu 400 Personen.
Einige Menschen protestierten auch direkt mit Transparenten und Trillerpfeifen gegen die am Bahnhof eintreffenden Neonazis, wurden jedoch von der Polizei durch Gitterzäune auf Abstand gehalten.
Gegen 14.00 Uhr startete dann der „Trauermarsch“ zum nunmehr 70. Jahrestag der Bombardierung Dessaus und zog mit 150 Personen bis zur Willy Lohmann Straße  Ecke Akazienwäldchen. Dort wurde der Aufmarsch dann erstmals durch eine größere Blockade, an der sich auch Landtagsabgeordnete beteiligten, gestoppt. Allerdings wurden die Neonazis nicht zurück zum Bahnhof geschickt, sondern über einen Umweg großräumig an der blockierten Straße vorbei, auf ihre angemeldete Route gelotst.
Anschließend hielten die Veranstalter des „Trauermarsches“ in der Franzstraße eine erste Zwischenkundgebung ab. Im ersten Redebeitrag betonte zunächst der Dessauer Stadtrat Thomas Grey (NPD), dass die „wahren Patrioten“ heute in der Pflicht stehen „unsere Opfer und unsere Helden zu ehren und ihrer zu gedenken.“ Ferner meinte Grey, dass er und seine Sympathisanten „den Auftrag“ bekommen hätten „den Kampf gegen diejenige aufzunehmen“, die „unsere“ angeblich „uralten Werte“, „unsere Familien“ und damit „ unsere Zukunft“ bedrohen. Mut sei wieder gefragt und zwar nicht der, sich von einer „vorgegaukelten Mehrheitsmeinung einer zionistischen Propaganda“ treiben zu lassen, sondern sich für die „Interessen“ der „Landsleute“ einzusetzen, so Grey weiter.
Anschließend folgte ein Redebeitrag von Maik Müller aus Dresden, der zunächst einmal die Anwesenden im Namen von Dieter Riefling grüßte. Riefling nahm bis 2014 regelmäßig an den Neonaziaufmärschen in Dessau teil, sitzt aber nun wegen rassistischer Beleidigungen und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Symbole für ein Jahr im Gefängnis.
Anschließend begann Müller mit seinem eigentlichen Redebeitrag, in dem er insbesondere die Thematik der Bombenangriffe tangierte und vor allem die „stetige Herabsetzung der Opferzahlen“ beklagte. Dann fuhr er in seinen Ausführungen weiter fort, um schließlich theatralisch festzustellen: „Das war kein Krieg, das war Mord“. Es folgt verhaltender Beifall seiner Sympathisanten.
Müller faste sich heute auch eher kurz, verknüpft aktuelle Konflikte mit dem Krieg von damals, hetzte gegen den Oberbürgermeister, beschimpfte „Dessau Nazifrei“ und kündigt die Wiederkehr des „Trauermarsches“ im nächsten Jahr an.
Danach ging der inzwischen auf 170 Personen gewachsene Aufzug bis zum Friedhof in die Heidestraße weiter. Dort kam es zu einem Übergriff eines Neonazis aus Magdeburg auf einen Fotografen bzw. dessen Videotechnik. Der Angreifer wurde dann kurzzeitig, zur Personalienfeststellung, in Polizeigewahrsam genommen, konnte aber anschließend wieder am „Trauermarsch“ teilnehmen
Anschließend begann vor dem Friedhof die Abschlusskundgebung der Neonazis, mit Fackelparade und symbolischer Kranzniederlegung. Dazu wurde, ähnlich wie in den Vorjahren auch, das Lied „Ich hatte einen Kameraden“ auf der Mundharmonika gespielt.
Danach wurde die Veranstaltung noch bis zum Bahnhof „Dessau-Süd“ geführt und dort schließlich beendet.

Rassistischer Aufmarsch am Abend

Doch mit dem Ende des „Trauermarsches“ war für die meisten Neonazis heute noch lang nicht Schluss. Relativ neu, also erstmals 2014 durchgeführt, ist nämlich die Eigenart, dass nach dem bisherigen Hauptmarsch am frühen Nachmittag noch ein weiterer Aufzug am Abend folgt. So auch in diesem Jahr, als sich ungefähr 120 Neonazis gegen 18.00 Uhr am Wörlitzer Bahnhof sammelten und dann unter dem Motto: „Härtere Strafen für kriminelle Ausländer“ durch die Dessauer Nordstadt zogen.
Auch dieser Marsch wurde von Protesten begleitet. Durch eine Blockade in der Richard Wagner Straße, musste der Aufmarsch sogar umgeleitet werden. Ansonsten nutzten die Gegendemonstranten nur die Möglichkeit vom Straßenrand aus ihren Unwillen über die Veranstaltung zu bekunden.
Seitens der Neonazis folgten schließlich noch zwei Zwischenkundgebungen, bei denen abermals Stadtrat Thomas Grey  sowie zusätzlich Peter Walde, Vorsitzender der NPD Sachsen-Anhalt, sprachen.
Anschließend marschierte der Aufzug Richtung Hauptbahnhof ab und wurde dort durch den Veranstalter aufgelöst.

 

Fotos:

https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157648903965...

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Und direkt im Anhang an den Artikel ein flickr Fotoalbum mit massig unverpixelten Fotos der Gegendemonstranten. Top, die Dessauer Nazi-Luschen werden sich darüber freuen. 

Da mach ich mir eher sorgen vor Staatsschutz und Polizei als vor den Vollpfosten von FN Dessau.Die bekommen sowieso nichts gebacken,wenn versuchen sie nur mit Gewalt einzuschüchtern aber selbst davon lässt sich in Dessau-Rosslau niemand mehr beeindrucken.Die Zeit von denen ist halt abgelaufen.