[HRO] Von Neonazis und anderen Rassist_innen - MVGIDA stoppen!

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Der PEGIDA-Ableger in Mecklenburg-Vorpommern „MVGIDA“ ist von Neonazis dominiert. Das macht eine Inhaltliche Auseinandersetzung mit den vermeintlich „bürgerlichen“ Inhalten eigentlich überflüssig. Klar ist leider jedoch auch, dass in dieser Gesellschaft Sympathien für Parolen der Bewegung nicht nur bei Neonazis weit verbreitet sind. Deshalb soll die folgende Argumentation erläutern, welche rassistischen und nationalistischen Ansichten der gesamten PEGIDA-Bewegung zugrunde liegen, und weshalb es grade in Rostock zwingend notwendig ist, diese zu stoppen!

 

Geh mal wieder auf die Straße, geh mal wieder demonstrieren…

 

PEGIDA vertrat lange keine konkreten Forderungen und Inhalte. Erst Anfang Dezember wurde via Facebook ein „Positionspapier“ vorgelegt. In diesem finden sich viele Positionen bzgl. der Asylpolitik. So wird dort beispielsweise sogar die „dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen“ gefordert. Scheinbar wahllos fügen sich 18 weitere Forderungen wie „Stopp von Waffenlieferungen“, nach „sexueller Selbtbestimmung“ und andererseits aber auch „gegen die nahezu schon zwanghafte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache“ ein. Zwischen den Forderungen, welche PEGIDA auf ihrer Facebookseite formuliert, und dem wöchentlichen Auftreten der sogenannten Montagsdemonstrant_innen gibt es jedoch erhebliche Unterschiede. Schnell wird deutlich: Das Positionspapier soll PEGIDA in verschiedene Richtungen unangreifbar und in viele Richtungen anschlussfähig machen. Doch was ist die tatsächliche Motivation für etliche tausend Menschen Woche für Woche auf die Straße zu gehen? Es handelt sich weniger um konkrete politische Forderungen. Vielmehr treibt die Masse der Demonstrierenden eine diffuse Angst um. Eine Angst, die, auf die konstruierte Bedrohung durch eine vermeintliche Islamisierung, projiziert wird.

 

Das alte Lied von Überfremdung – Naziparolen im neuen Gewand

 

Die Angst vor der „Islamisierung des Abendlandes“ ist, dem Namen der Bewegung zufolge, der gemeinsame Nenner aller Teilnehmenden. Der Begriff ist jedoch keine Neuheit. In der Rhetorik der rechtsradikalen Kräfte und Parteien, die ihn etablierten, wird jedoch etwas allgemeiner von Überfremdung gesprochen. Der Begriff bedient sich verschiedener Konstrukte. Zum einen ist da die eigene Gesellschaft oder Kultur, welche sich über bestimmte homogene Merkmale, wie z.B. Werte und Traditionen, definieren ließe. Zum anderen eine, als generell anders und daher als „fremd“ gewertete, Gesellschaft bzw. Kultur, welche sich ebenfalls zu einer homogenen Gruppe zusammenfassen ließe. Der Mythos der Überfremdung beschreibt nun den, als übermäßig wahrgenommen, Einfluss des „Fremden“ auf das „Eigene“. Ganz allgemein lässt sich dieser Mythos leicht widerlegen. Denn Menschen aufgrund ihrer Nationalität zu kulturell einheitlichen Gruppen zusammenzufassen, verklärt die erheblichen Unterschiede zwischen den Individuen einer Gesellschaft und reduziert diese auf die vermeintliche Gruppenzugehörigkeit. Es ist schlichtweg Rassismus unter dem Deckmantel kultureller Abgrenzung.

 

Auch mal die Kirche im Dorf lassen…

 

Am Fall der PEGIDA lässt sich dies jedoch auch konkretisieren. Denn die beiden vermeintlich gegensätzlichen Elemente werden hier klar benannt: das „christlich-jüdisch geprägte Abendland“ verteidigt sich vor dem Einfluss des Islams. Es ist eine Abgrenzung zwischen einem „Wir“ und den „Anderen“. Doch wer ist dieses „Wir“? Anders als der Name behauptet, geht es hier nicht um die Verteidigung christlicher Werte. Diese kommen nur deshalb ins Spiel, weil es hier gilt, sich gegenüber einer als Bedrohung wahrgenommen Religion abzugrenzen. Denn statt Kreuzen, wehen auf den Demonstrationen Schwarz-Rot-Goldene Fahnen. Es geht also um die Bildung eines Kollektivs aufgrund nationaler Identität. Dieses Kollektiv dient als Fluchtpunkt für alle Menschen, die um den Verlust ihrer Privilegien fürchten, und alle gesellschaftlich Marginalisierten, die fürchten, dass „Fremde“ besser behandelt würden. Unter dem Motto „Wir sind das Volk“ versucht die Gemeinschaft aus ihrer imaginierten Ohnmacht auszubrechen und sich gegen die Politik „der da oben“ zu ermächtigen.

 

„Ich hab ja nichts gegen Ausländer, aber…“

 

Wer dieser Volksgemeinschaft angehört, versuchen sowohl das wütende Kollektiv, als auch „die da oben“ zu definieren. Die weiße Mehrheitsgesellschaft findet problemlos ihren Platz darin. Alle anderen dürfen über den Weg der „Integration“ auf einen Platz hoffen. Doch genau wie diese, vermeintlich homogene, Volksgemeinschaft konstruiert ist, so ist es die Integration. Auf einer Ebene bedeutet Integration die Bereitschaft sich auf dem Arbeitsmarkt zu verwerten – integriert ist, wer der Volkswirtschaft nützt. Auf der anderen Ebene bedeutet Integration die Anpassung der „Fremden“ an die „deutsche Kultur“. Die Bewertung dieser Anpassung, und damit einhergehend die Definition der „deutschen Kultur“, erfolgt irrational und rein willkürlich. Deshalb haben die vermeintlich Fremden auch keinen Einfluss darauf, ob sie als integriert gelten. So können auch Freund_innen oder Geschäftspartner_innen von Stammtischrassist_innen „Ausländer“ sein, der liebste „Ausländer“ bleibt ihnen eben doch jener, der nicht in Deutschland lebt. Der Befund über ihre Integrationsleistung unterliegt schlussendlich immer der Deutungshoheit des Stammtisches.

 

Islamisierung? Das Problem heißt Rassismus!

 

Die Forderung nach Integration bedient also genau jenen Ausgrenzungsmechanismus von einem „Wir“ und den „Anderen“, welcher Menschen in kulturellen Schubladen ablegt. Diese Schublade benennt die Bewegung als „islamischen Kulturkreis“, von dem eine Islamisierung ausgehe. Da der geistige Horizont der Besorgten wohl nicht über Weihnachtsmärkte und Christstollen hinaus reicht, machen sie sich keine Vorstellung davon, wie gering die Anzahl der Menschen muslimischen Glaubens in ihrer Nachbarschaft ist. Außerdem scheinen sie nicht in der Lage oder willens zu sein, in ihrer Vorstellung vom Islam zu differenzieren. Denn der Islam weist, wie andere Religionen, von radikal orthodoxen bis liberalen Denkarten alles auf. Genauso werden die Verhältnisse der Menschen zu ihrer Religion oder die Frage, ob jemand überhaupt Teil einer religiösen Gemeinschaft ist, ignoriert. Wichtig ist allein die Reduzierung auf die vermeintliche Herkunft aus dem islamischen Kulturkreis. Dieser Kulturkreis wird dem eigenen, also dem des „christlich-jüdischen Abendlandes“ gegenüber als Bedrohung aufgefasst (Sorge um die Umbenennung von Weihnachtsmärkten, Angst vor dem Verlust von Schweinefleisch in den Kantinen etc.). Dieser Mangel an Differenzierung und als Angst getarnter Kulturchauvinismus drückt sich dann im Kampf gegen Islamisierung und der Sorge vor religiösen Stellvertreterkriegen in Deutschland aus. Dadurch werden tatsächliche Probleme verschleiert und die mordenden Islamist_innen, in beispielsweise Syrien und Nigeria, in ihrer Bedeutung verharmlost. Islamisierung ist also ein rassistischer Kampfbegriff. Genau wie die von Nazis konstruierte Überfremdung ist der Begriff „Islamisierung“ das Produkt einer nationalistischen Weltanschauung. Die besorgten Anwohner_innen, priviligierten Wutbürger_innen, marginalisierten Sozialneider_innen, Verteidiger_innen des „Abendlandes“, Stammtischrassist_innen, geistige Brandstifter_innen und Neonazis liegen deshalb vereint in den Schützengräben ihres kulturellen Ghettos, zur Verteidigung vor allem was ihnen fremd scheint.

 

Flucht als Suche nach dem schönen Leben

 

Dass die Bewegung Rassismus selten offen artikuliert, sondern hinter verschiedenen Begriffen verbirgt, macht sie nicht weniger gefährlich, dafür aber umso anschlussfähiger. Besonders viel Zustimmung dürften daher ihre Parolen zur Flüchtlingspolitik erfahren. Denn diese reihen sich in eine seit geraumer Zeit wieder verstärkt stattfindende Mobilmachung gegen Flüchtlinge ein. Von staatlicher Seite äußert sich diese in einer erneuten Verschärfung der Asylpolitik, durch beispielsweise die Ausweitung der Drittstaatenregelung oder den Ausbau des Todesstreifens an den europäischen Außengrenzen. Angesichts der Toten an diesen Grenzen zeigen sich die Verantwortlichen des Grenzregimes betroffen, beraten jedoch lieber weiter über effektivere Abschiebung und Maßnahmen gegen „Sozialtourismus“, als die tatsächlichen Fluchtursachen zu bekämpfen. Dieses Handeln ist nicht zuletzt eine Reaktion auf in der Bevölkerung aufkommende Forderungen. Politisch Verfolgten Asyl zu gewähren, sei zwar „Menschenpflicht“, jedoch müsse zwischen Politischen- und Wirtschaftsflüchtlingen unterschieden werden. Letztere, so fordert der Mob, gehören abgeschoben. Etablierte Politik, Medien und Bürgerbewegungen schaffen so eine Auslegung des Asylrechts, die eine universelle Willkommenskultur unmöglich macht. Denn die Unterscheidung verschleiert die Zusammenhänge hinter Armut und Flucht. Schließlich kann es im Kapitalismus, Gewinnende nicht ohne Verlierende geben. So resultiert der Wohlstand Einiger aus der Ausbeutung Vieler. Während den vor Ausbeutung Flüchtenden klar gemacht wird, dass Boote voll und ein Staat nicht das „Sozialamt der Welt“ sei, garantiert der Staat den Fortbestand der Ausbeutungsverhältnisse. So ist die staatliche Einwanderungsgenehmigung kein humanistisches Zugeständnis sondern Ausdruck kapitalistischer Verwertungslogik. Denn um weiterhin „Gewinner“ des Systems zu bleiben, müssen die bestehenden Verhältnisse gewahrt werden. Wer vor Armut flüchtet, tut dies nicht aus weniger politischen Gründen als vor Verfolgung Flüchtende. Im Kapitalismus ist jeder Fluchtgrund politisch!

 

Der Volksmob hat Bock…

 

Wo Bürger_innenbewegungen von folgenschwerer, fehlerhafter Theorie zur politischen Praxis übergehen, kann aus den besorgten Bürger_innen der Mob werden, dem, nach unten tretend, die selbstauferlegte Unterscheidung zwischen guten und schlechten Fremden nichts mehr zählt. Dort wird das Feindbild des Fremden, der dem Mob etwas wegnehmen könnte, herausgekramt und das eigene Volk zum Schutzgut erklärt. Diese Ausgangslage machte zuletzt Anfang der 90er Jahre pogromartige Zustände in Lichtenhagen und anderen deutschen Städten wieder möglich.

 

Ihr lauft hier nicht!

 

Wenn nun unter dem Label ROGIDA oder MVGIDA eine rassistische Raumgewinnung in Rostock stattfinden soll, dann muss darauf angemessen reagiert werden. Den abgehängten und besorgten Bürger_innen, die immer noch meinen ein Ventil für ihr Leiden an den kapitalistischen Zumutungen bei ROGIDA zu finden, muss eines deutlich gemacht werden: Es gibt viele Gründe, wütend zu sein und dem Gefühl der eigenen Ohnmacht begegnen zu wollen. Dabei dürfen aber weder vermeintlich „Fremde“, noch im Besonderen Flüchtlinge Leidtragende dieser Gefühlsregungen sein. Wer unzufrieden ist, der_die soll sich organisieren, gegen Verwertungslogik und gegen Ausbeutung, aber nicht gegen, sondern mit anderen Menschen. Der Raum zum Protest muss sowohl antikapitalistisch als auch antirassistisch besetzt werden und darf keinen Platz bieten für Alltagsrassismus. All jenen, die offen als Nazis und Rassist_innen erkennbar sind, muss verdeutlicht werden, dass sie hier nicht auf Zustimmung stoßen werden. Allen, die denken, man könne ungestört völkische Stimmung machen und einen Mob formieren, stellen wir uns entgegen. Wir geben keine Ruhe, solange Hetze gegen Flüchtlinge betrieben wird, und das Menschenrecht auf Asyl nur ein Lippenbekenntnis bleibt. Wir hören nicht auf, kapitalistische Zumutungen als solche zu benennen, und nationalistische Bürger_innenbewegungen als rassistisch zu enttarnen!

 

Rassist_innen demaskieren! Kapitalismus überwinden!

 

MVGIDA am 1.3. in Rostock ein Ende setzen!