Pressemitteilung: Offener Brief fordert Absage des G7-Gipfels in Lübeck

Protest vor der Bürgerschaftssitzung

Anwohner-Protest bei der heutigen Bürgerschaftssitzung - Bei der Sitzung der Lübecker Bürgerschaft, die wegen der Renovierungsarbeiten im Rathaus in den Mediadocks stattfindet, verteilen Anwohnerinnen und Anwohner einen Offenen Brief. Er richtet sich an die Mitglieder der Bürgerschaft. In ihm kritisieren die Anwohner_innen die Informationspolitik der Stadt und der Polizei. Bürgermeister Saxe und Polizeipräsident Hüttmann seien zu einer Diksussions- und Informationsveranstaltung eingeladen, die Anwohner_innen gemeinsam mit dem "Bündnis stop//G7 Lübeck" am 25.03.2015 organisieren.

 

In dem Offenen Brief wird die Argumentation zurück gewiesen, dass der G7-Gipfel nur minimale Einschränken mit sich bringe und im Übrigen dem Tourismus nütze. Stattdessen wird eine kritische Auseinandersetzung mit der Institution der G7 gefordert. Abschließend wird in dem Brief die Absage des Gipfels in Lübeck verlangt.

 


 

Offener Brief an die Mitglieder der Lübecker Bürgerschaft

 

Sehr geehrte Mitglieder der Lübecker Bürgerschaft,

 
wir sind als Anwohnerinnen und Anwohner der Straßen rund um das Hansemuseum und den Marktplatz sowie der möglichen Zufahrtswege, sowohl besorgt als auch empört über den geplanten G7-Außenministergipfel in Lübeck. Es beginnt mit der fehlenden Kommunikation und Transparenz. Von dem geplanten Gipfel haben wir – wie Sie wahrscheinlich auch – aus der Presse erfahren. Bis heute gibt es keine direkte Kommunikation der Stadt oder der Polizei mit den Bürger_innen, sondern nur beschwichtigende Statements über die Medien.


Die erste Erwähnung des Gipfels in der Januar-Sitzung der Lübecker Bürgerschaft ging nicht auf Initiative der Parteien oder des Bürgermeisters zurück, sondern auf Einwohnerfragen von Anwohnerinnen. Relativ lapidar wurde dabei festgestellt, dass Bürgermeister Saxe die Einladung an die G7 quasi im Alleingang vorgenommen hat und eine vorherige öffentliche Diskussion, ob dieses Treffen in unserer Stadt überhaupt sinnvoll und erwünscht ist, offenbar für überflüssig erachtet. Von diesem Vorgehen – das bis heute andauert – fühlen wir uns missachtet. Den Beteuerungen der Polizei, dass es nur zu minimalen Einschränkungen für die Bewohner_innen und Besucher_ innen der Innenstadt kommen werde, glauben wir nicht. Die genaue Größe der „Sicherheitsbereiche“ rund um das Hansemuseum und den Marktplatz kennen wir bis heute nicht und die Polizei verbreitet darüber widersprüchliche Informationen. Darüber hinaus heißt es nebulös, dass zeitweise Sperrungen möglich seien.


Wir verweisen auf die Erfahrungen, die die Anwohner_innen in dem Viertel hinter dem Bahnhof anlässlich der Naziaufmärsche vor einigen Jahren machen mussten. Dabei waren deutlich weniger Polizist_innen eingesetzt und es ging nur um einen Tag. Dennoch waren die Einschränkungen für die Menschen beträchtlich: Sie mussten ständig ihren Ausweis vorzeigen, ihre Autos umparken, konnten ihre Einkäufe nur schwer erledigen und keinen Besuch empfangen. Eine transparente Information dazu ist überfällig.


Da uns von Initiativen der Stadt oder der Polizei in diese Richtung nichts bekannt ist, organisieren wir nun selbst eine Informationsveranstaltung für die Anwohner_innen. Diese wird am 25. März in der Aula der Ernestinenschule stattfinden. Bürgermeister Bernd Saxe und Polizeipräsident Heiko Hüttmann haben wir hierzu eingeladen. Wir hoffen und erwarten, dass sie sich der öffentlichen Diskussion stellen.


Mit Unverständnis nehmen wir die Behauptung auf, der G7-Gipfel sei gut für das Image der Stadt und eine Art Tourismusförderung. Diese Erwartung ist schon für das Hotel in Heiligendamm, in dem der G8-Gipfel 2007 stattfand, nicht aufgegangen. Es ging kurz darauf Konkurs. Mehrere tausend Polizist_innen mit entsprechender Ausrüstung und Gerät werden – selbst wenn sie in Schichten und nicht gleichzeitig im Einsatz sind – die Lübecker Innenstadt in einen Belagerungszustand versetzen. Dass dies ein positives Bild sein soll, das Besucher_innen nach Lübeck lockt, erschließt sich uns nicht. Hinter dieser Diskussion über Image und Tourismusförderung verschwindet vollständig, dass die G7 eine höchst umstrittene und fragwürdige Institution sind. Sie vertreten die Interessen der reichsten und mächtigsten Staaten dieser Erde – obwohl doch gerade diese Dominanz ein Problem ist angesichts weltweiter Konflikte, andauernden Hungers in der Welt, globaler Ausbeutungsverhältnisse, der Abschottung gegenüber Flüchtenden, der Klimagefährdung usw.


Im Rahmen der G7 werden sowohl die Konfrontationspolitik gegenüber Russland im Ukrainekonflikt, über die sich viele Menschen Sorgen machen, als auch Projekte wie das TTIP-Abkommen, das von einer Mehrheit der Menschen in diesem Land abgelehnt wird, besprochen und vorangetrieben. Wir vermissen eine kritische Auseinandersetzung aus der Bürgerschaft und der Stadtspitze mit dieser politischen Dimension des G7-Gipfels. Schlussendlich verweisen wir auf den absurden Umstand, dass ein Treffen von sieben Ministern allein für den Polizeieinsatz Kosten in Höhe von ca. 10 Millionen Euro verursachen wird. Sieben Menschen hätten um einen Küchentisch Platz. Die immensen Kosten, die überwiegend von den Steuerzahler_innen in Schleswig-Holstein aufgebracht werden müssen, entstehen nur deswegen, weil dieses Treffen als Medieninszenierung mit Rathaus-Empfang mitten in einer belebten Innenstadt veranstaltet werden soll.

 

Alle diese Überlegungen führen uns dazu, dass wir eine Absage des G7-Treffens durch die Hansestadt Lübeck fordern.


 


 

Pressemitteilung vom 26.02.2015, Quelle: stop//G7 Lübeck