Von Ferguson lernen... - Die Polizei und die Rolle der Linken

Riots in Ferguson

Ein junger Schwarzer wurde getötet; viele Menschen, die danach mutig genug waren, auf die Straße zu gehen, wurden verletzt und festgenommen; und die einzigen wirklichen Konsequenzen für die Polizei werden aus Veränderungen bestehen, die ihre Effektivität bei der Kontrolle von Nachrichten und Menschenmengen steigern sollen, wenn sie das nächste mal jemanden umbringt. Denn das ist, inmitten der ganzen albernen Kontroversen, eine Tatsache: Die Polizei wird töten, immer und immer wieder. Unverhältnismäßig viele ihrer Ziele werden junge Farbige sein und Transsexuelle, aber sie haben auch schon Ältere umgebracht, wie etwa John T. Williams, Bernard Monroe und John Adams, und auch Weiße. Die Rechte hat sich auf einige Fälle von weißen Jugendlichen gestürzt, die von Bullen getötet wurden, wie Dillon Taylor oder Joseph Jennings, um damit zu belegen, die Polizei sei nicht rassistisch, und die Frage auszublenden, wen es normalerweise trifft.

 

Im Wesentlichen wollen die rechten »Experten« damit sagen, dass die Bullen alle Arten von Leuten umlegen, also gibt es kein Problem. Die Tatsache, dass sie so ein Argument bringen können und einem großen Teil der Bevölkerung immer noch glaubwürdig erscheinen, zeigt, wie normal die Rolle der Polizei in unserer Gesellschaft ist. Dieses von der Rechten manipulativ vorgebrachte Argument bedeutet in Wirklichkeit, dass die Polizei für jeden eine Gefahr bedeutet, der keinen Anzug trägt.

 

In einer ernsthaften Debatte wäre es allerdings schwierig zu leugnen, dass die Polizei eine rassistische Institution schlechthin ist. Sie bringt junge Schwarze, Latinos und »Indianer« weit öfter um als weiße Jugendliche, und die Einrichtung selbst entstammt den Patrouillen zur Ergreifung flüchtiger Sklaven im Süden bzw. zur Kontrolle von Einwanderern in die Städte des Nordens, wie dies in Kristian Williams' bahnbrechendem Buch Our Enemies in Blue meisterhaft dokumentiert ist. Darüber hinaus entstand das System der Strafjustiz, zu dem die Polizei gehört, indem sie den Gefängnisindustriekomplex sowohl beliefert als auch verteidigt, direkt dem 13. Verfassungszusatz, in welchem die Sklaverei im Falle der Verurteilung zu einer Gefängnisstrafen bestätigt wird. Was beleuchtet, wie die sich entwickelnde Ökonomie der USA die Sklavenwirtschaft auf den Plantagen hinter sich lassen konnte, zuerst durch die Kombination von Halbpächtertum und chain gangs [Sträflingskolonnen in Ketten beim Außeneinsatz], und neuerdings eines prekären Arbeitsmarktes außen mit boomenden Gefängnisindustrien drinnen.

 

Die Polizei geht uns also alle an, wenn auch nicht alle gleich. Wer nicht reich ist, kann Opfer der Polizeigewalt werden, und wer für eine freiere, gerechtere Welt kämpft, tritt direkt ins Fadenkreuz der Bullen. Während der Oscar Grand-Riots in Oakland und der John T. Williams-Proteste in Seattle denunzierten viele Journalisten, und in deren Folge Sprecher der Liberalen [progressive], die Weißen, die aus Wut über die Polizeimorde auf die Straßen gingen. Mit heimlichem Rassismus schrieben sie »weißen Anarchisten« die Rolle der Rädelsführer des Chaos zu, wodurch sie die farbigen Anarchisten gleichermaßen ohne Stimme ließen wie die vielen jungen Farbigen ohne sichtbare Ideologie, die beim Erobern der Straßen sowie beim Kampf gegen die Polizei oft die Vorreiter waren. Wenn Rassismus und Polizeigewalt wirklich ein Problem für sie war, hätten sie dann nicht die jungen Farbigen als die Vorkämpfer dargestellt – jedenfalls eher als diese geistlosen Prügelknaben von »weißen Anarchisten« – statt ihre Teilnahme komplett auszublenden? Und statt die vergleichsweise wenigen Weißen zu diskreditieren, die auf die Straße gingen, hätten sie ihre Kritik nicht an all die Weißen richten müssen, die zuhause geblieben waren?

 

Mit den Protesten nach der Nichtzulassung eines Verfahrens gegen Darren Wilson haben sich jedoch einige Dynamiken zu verändern begonnen. Zwar hatten sich die Reaktionen auf die Tötung von Oscar Grant tatsächlich auf andere Teile der Westküste ausgeweitet, und es war nicht gelungen, sie als ein Thema darzustellen, das lediglich Schwarze betraf. Doch die Antwort auf die offizielle Verkündung, dass die Regierung den Mord an Michael Brown guthieß, verbreitete sich viel weiter über das Land und umfasste Menschen aller Rassen.

 

Und das ist gut so: Mehr Menschen nehmen das Problem Polizei ernst; sie erkennen, dass sie etwas tun müssen; und sie versuchen herauszufinden, mit welchen machbaren Aktionen sie etwas verändern können. Die Umstände, die diesen notwendigen Schritt nach vorn herbeiführten, sind tragisch; aber sie kommen für alle, die auch nur das geringste Geschichtsbewusstsein haben, keineswegs überraschend. Morde durch die Polizei und die bedingungslose Unterstützung für die Bullen seitens der Regierung sind ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaft. Und das wird noch eine Weile so bleiben.

 

Logischerweise wollen die Leute diskutieren: Was tun? Das ist jedoch eine Debatte, die Mainstream- und progressive Journalisten, Protestorganisationen und linke Repräsentanten geflissentlich vermieden haben. Was weniger eine Verschwörung des Mundtotmachens war als eine der Bosheiten und Marginalisierung gegen alle, die ihre unausgesprochenen Grundsätze infrage stellen.

Diese Grundsätze sind ganz einfach: jegliche Reaktion muss friedlich sein, und das einzige vorstellbare Ziel ist eine schrittweise Reform. In dieser willkürlich definierten Arena dürfen wir dann zanken, welche Details wir wollen, von Bullenkameras [gemeint sind Kameras, die die Bullen bei ihren Einsätzen tragen müssen, damit ihr Verhalten dokumentiert wird] bis hin zu Bürgerausschüssen zur Kontrolle der Polizei, aber wir dürfen nie Ansichten hegen, die diese Grenzen überschreiten. Wer einen weiteren Blickwinkel wählt, um zu verstehen, woher Polizeigewalt kommt und welche Rolle diese in unserer Gesellschaft spielt, wird ignoriert. Als Journalist oder Akademiker setzt man so seine Karriere aufs Spiel und wird schnell von den zynischen Ellbogentypen abgehängt, die diese andauernde Tragödie mit ihren banalen und kurzsichtigen Bemerkungen decken. Wer tatsächlich andere Arten von Aktionen und Veränderungen zu erkunden versucht, wird als »Schläger«, »kriminell« und »Agitator« denunziert. FOX [wichtigster rechter Fernsehsender] wie NPR [National Public Radio; eine Vereinigung Freier Radios, eher liberal] werden für sie dieselben Begriffe benutzen, Polizei und Protestführer werden sich vereinen, um sie zu unterdrücken.

 

So funktioniert in der Demokratie die freie Meinungsäußerung. Leg die Begriffe der Debatte fest, lenk die Massen ab durch heiße Polemiken zwischen zwei akzeptablen »Gegensätzen«, die sich so nahe sind, dass sie sich beinahe berühren, ermutige sie zur Teilnahme und ignoriere oder kriminalisiere alle, die eine unabhängige Position wagen. Besonders bei einer, die die fundamentalen Grundsätze infrage stellt, die beide Seiten der offiziellen Debatte als natürlich hinstellen und immer wieder bekräftigen. Noam Chomsky war einer der nicht wenigen Dissidenten, die diese Dynamik während des Vietnamkriegs enthüllten und zeigten, dass die Positionen von Falken und Tauben in den Mediendebatten übereinstimmten. Heute folgen die Medien denselben Regeln. In jener früheren Krise lautete der fundamentale Grundsatz, dass die USA das Recht haben, ihre Macht aufrechtzuerhalten, auf militärische Weise oder anders, und zwar auf dem gesamten Planeten. In der gegenwärtigen Krise ist das Dogma, das nicht hinterfragt werden darf, dass die Polizei eine Daseinsberechtigung habe, dass die Polizei als Institution ein geeignetes Instrument sei, um uns zu schützen und uns zu dienen, und deswegen seien sie eine legitime Erscheinung auf unseren Straßen und in unseren Stadtteilen.

 

In dieser Debatte behaupten die Rechten, die Polizei arbeite doch gut, während die Linke behauptet, es bräuchte Veränderungen, damit man sie dazu bringe, besser zu arbeiten. Beide sind sich einig, die Rolle der Polizei aufrechtzuerhalten und reale Menschen – Kieze, Gemeinschaften und all die Einzelnen, die die Polizei beeinträchtigt – davon abzuhalten, in den Konflikten, die uns angehen, zu Akteuren zu werden. Ähnlich hören wir oft Linke behaupten, »die Gefängnisse funktionieren nicht«, womit sie zeigen, dass sie gar nicht wissen wollen, wozu Gefängnisse überhaupt da sind.

Leider ist die Rechte, bei all ihren Verdrehungen und Manipulationen, da ehrlicher. Polizei und Gefängnisse funktionieren prima. Wie es beabsichtigt ist, arbeiten sie gegen uns.

 

Auf der Linken finden wir eine tragische Mischung aus unbewusstem Zynismus und hoffnungsloser Naivität. Kein Mensch kann ernsthaft behaupten, dass auch nur eine der von ihnen vorgeschlagenen Reformen irgendetwas wirklich verbessern wird. Und tatsächlich sind die meisten bereits ausprobiert worden. Rassenbezogenes Sensibilitätstraining hilft den Bullen nur dabei, ihren Rassismus besser zu verbergen. Und ganz sicher kratzt es nicht an den Hierarchien, die dahinter stecken und die die Arbeit der Polizei schützen soll. Zivile Aufsicht kann allerhöchstens dazu führen, dass ein paar »faule Äpfel« zum Rücktritt gezwungen werden, und selbst dieses Maß an Einfluss wurde nur selten erreicht. Wie auch immer: Bürokratien haben schon immer gewusst, wie man einzelne Angehörige austauschbar macht, um die übergeordnete Machtstruktur zu schützen, und keine Regierung der Welt hat je Kontrollausschüssen mehr Macht gegeben als den Institutionen, die sie beaufsichtigen sollen. Zumindest nicht, wenn diese Institutionen für das geschmeidige Funktionieren der Herrschaft lebenswichtig sind.

 

Was Kameras angeht, würden diese nur die Macht der Polizei vergrößern, indem sie das Eindringen staatlicher Überwachung in unsere Lebens noch verstärken. Die Morde an Eric Garner und Oscar Grant waren auf Band, und nichts hat sich geändert. Fakt ist, dass die meisten von Bullen ausgeübten Morde völlig legal sind. Ist das eine Überraschung? Die, die von der Gewalt der Polizei profitieren, sind diejenigen, die die Gesetze schreiben oder die Wahl der Gesetzgeber organisieren. Die einzigen wirklichen Opfer von Bullenkameras wären Leute, die sich dafür entscheiden, sich gegen die Bullen zu wehren, eine Handlung, die, und sei sie auch noch so gerechtfertigt, niemals legal ist. Trügen die Bullen Kameras, würden alle, die die Hand gegen sie erheben, aufgenommen. Aber die Reformer denken nicht an Selbstverteidigung, oder?

 

Und das ist genau der Knackpunkt. Die Frage der Selbstverteidigung gegen die Polizei ist eine, die wir nicht erwägen sollen, nur ist sie die einzige, die Sinn ergibt. Die Polizei ist nicht dazu da, die Gesellschaft vor allgemeinem Kannibalismus und Chaos zu schützen wie in einer paranoiden Batman-Phantasie. Sie existiert, um die Habenden vor den Habenichtsen zu schützen, um das staatliche Gewaltmonopol aufrechtzuerhalten und um unsere verkümmerte Fähigkeit zur Konfliktlösung auszugleichen, ein weiteres der vielen Hoheitsrechte, die der Staat von uns gestohlen hat (ob wir nicht dazu in der Lage sind, bei unseren Nachbarn an die Tür zu klopfen, wenn sie ihre Musik zu laut spielen, oder uns auf ein breiteres Netzwerk an Familien- und Gemeinschaftsbindungen zu stützen, um mit Missbrauch in einer Beziehung einen Umgang zu finden).

 

Die Polizei hat zu allen, die nicht versuchen oder nicht dazu in der Lage sind, es bis in die höchsten Schichten der Gesellschaft zu schaffen, ein antagonistische Verhältnis. Wir können dieses Verhältnis ignorieren. Was wir aber nicht können, ist, dieses Verhältnis wegzureformieren. Und deshalb ist es notwendig, über Selbstverteidigung gegen die Polizei zu reden.

 

Wir haben es hier jedoch nicht mit einer offenen Debatte zu tun zwischen zwei gleichwertigen Positionen, Reformieren oder Zurückschlagen. Zu allererst, weil sich die Reformer durchweg an all den herrschenden Institutionen beteiligen – einschließlich der blutigen Hände der Polizei, gegen die sie sich angeblich stellen – um alle, die sich dafür entscheiden, gegen die Polizei zurückzuschlagen, zum Schweigen zu bringen, an den Rand zu drängen, zu kriminalisieren und zu verteufeln. An dieser Debatte beteiligen sie sich nicht, denn sie nur verlieren könnten. Stattdessen benutzen sie die ganzen Lügen und Verdrehungen und die allgemeine Gedächtnislosigkeit, die von den Medien genau zu dem Zweck aufrechterhalten werden, diese Debatte zu vermeiden.

Zweitens sind die Reformer Parasiten. Ohne die, die zurückschlagen, würden sie nicht existieren. Ohne die Straßenkämpfer hätte niemand außerhalb der jeweiligen Communities je von Oscar Grant oder Michael Brown gehört. Die jüngsten landesweiten Proteste waren nur möglich, weil die Leute im August in Ferguson zehn Tage lang Feuer legten, plünderten, Steine und Mollies warfen und auf die Bullen schossen.

 

Würden die Reformer es ernst meinen, würden sie denen danken, die auf die Straßen gingen, weil sie dem Land das Problem bewusst gemacht haben. Dann würden sie mit Respekt die gewählten Taktiken und Ziele diskutieren und mit Blick auf die Geschichte darlegen, warum friedliche Mittel und reformistische Ziele besser geeignet seien, eine tatsächliche Veränderung zu bewirken. Aber nichts könnte weiter entfernt sein von ihrer aktuellen Vorgehensweise. Von parasitären Berühmtheiten wie Jesse Jackson bis zu einer Buchstabensuppe von NGOs, die Linken fliegen ein, setzen sich an die Spitze von etwas, was sie nicht begonnen haben, und arbeiten Hand in Hand mit der Polizei, um die Lage zu beruhigen. Diese professionellen Aktivisten haben kein eigenes Programm, sie sind lediglich professionelle Brandbekämpfer. Und im Fall von Ferguson sind sie das wertvollste Werkzeug der Regierung. Denn es waren nicht die Polizei oder gar die Nationalgarde, die es schafften, die Riots zu beenden, sondern diese professionellen Aktivisten.

 

Ihr Zynismus geht über das parasitäre, verräterische Verhältnis hinaus, das sie zu denen haben, die wirklich etwas riskieren im Kampf darum, die Polizei aus ihren Vierteln zu vertreiben, und über ihre rassistische Darstellung der farbigen A nwohner an der Frontlinie des Kampfs entweder als »Schläger« oder als ahnungslose Schachfiguren von außen stammender Agitatoren. Sie gehen sogar so weit, die Familien der von der Polizei Ermordeten zu benutzen. Tatsächlich scheint das an dieser Stelle Teil ihres Drehbuchs zu sein.

 

Wenn die Familie zu einem friedlichen Protest aufruft, wie die Familien von John T. Williams und Michael Brown, dann machen sie daraus ein Gesetz und marginalisieren alle, die kämpferischer reagieren wollen, und stellen sie dar als böswillige, herzlose Agitatoren ohne Respekt vor den Opfern, die die Tragödie ausnützen, um Chaos zu stiften. Doch die Familien sind nicht die einzigen, die ein Recht haben, auf Polizeimorde zu antworten. Wie viele von uns hätten gerne, dass ihre Eltern ihre Grabinschrift verfassen? Wie viele von uns vertrauen darauf, dass unsere Freunde eher als unsere Familie wissen, was wir wollen würden, wenn uns jemand umgebracht hat? Auch wenn Freundschaft keine gesetzlich anerkannte Beziehung ist, so sind doch die Freunde eines Opfers auch direkt betroffen, und sie sollten dabei mitreden dürfen, was die angemessene Antwort sein könnte. Und tatsächlich haben Freunde und Gleichaltrige in vielen der Anti-Polizei-Riots der letzten Jahre eine wichtige Rolle gespielt, auch wenn ihre Beteiligung seitens der Medien und Pazifisten gleichermaßen großteils ausgeblendet wurde.

 

Und da hört es noch nicht auf. Nachbarn und Zeugen werden bei einem Polizeimord ebenfalls traumatisiert. Auch sie haben ein unleugbares Bedürfnis, zu antworten, die Wut rauszulassen und die Kontrolle über ihre Umgebung wiederzuerlangen, eine Kontrolle, die das Latschen in einem friedlichen Protestzug, flankiert von Bullen, nicht geben kann. Und wenn wir es nicht mit einem isolierten Mord zu tun haben, sondern mit einem systemischen Problem, wie es bei Tötungen durch die Polizei der Fall ist, dann sind alle betroffen, und alle haben ein Bedürfnis zu antworten.

 

Es sollte nicht nötig sein darzulegen, dass das uns alle angeht. Doch der befriedende, lähmende Diskurs der Reformer zerstört besonders die Solidarität. Statt uns alle zu ermutigen, einen Angriff auf jemand anderen als Angriff auf uns selbst anzusehen, sollen wir uns alle im Hintergrund dessen halten, »was die Familie wünscht«. Das Maß an Heuchelei macht wütend, wenn man sich klar macht, dass sich die Frieden predigenden professionellen Aktivisten einen Scheiß um die Familie von Michael Brown oder den anderen kümmern, die von den Bullen ermordet wurden. Familienmitglieder sind nur Schachfiguren in ihrer Agenda.

 

Als der Teenager Jesus »Chuy« Huerta aus Durham vor einem Jahr auf dem Rücksitz eines Streifenwagens erschossen wurde, wies seine Familie die hohlen Versöhnungsgesten des Police Departments zurück, und sie denunzierten die Leute nicht, die aus Wut über den Mord mit den Bullen kämpften. Es ist kein Zufall, dass die örtlichen Linken plötzlich darüber schwiegen, was die Familie wollte. Und als nach der Nichtzulassung der Klage Michael Browns Stiefvater Louis Head eine Menschenmenge aufforderte: »Fackelt diese Scheiße ab!«, wieviele Reformer beschlossen denn da, ihm zu folgen? Stattdessen überboten sie sich dabei zu beweisen, er hätte es nicht so gemeint, und verbreiteten eine Entschuldigung, die er etwa eine Woche darauf äußerte. Seine Versöhnlichkeit wurde womöglich durch die Tatsache gefördert, dass Head ein Strafverfahren drohte und er bereits in den Medien für eine Reaktion verteufelt worden war, die zumindest in Ferguson für Tausende von Menschen gesunden Menschenverstand darstellte.

 

Das ist ein gutes Beispiel für Ansichten, die wir nicht haben dürfen, und wie Rechtssystem, Medien und Linke zusammenarbeiten, um solche Ansichten zu bestrafen und auszuradieren. Es war ein Triumph für dieses Triumvirat der gesellschaftlichen Kontrolle, dass die meisten der landesweiten Proteste zahme, legale Aktionen waren, die den Zorn der Leute erfolgreich abflauen ließen. Doch die Feuer, Riots und Autobahnblockaden von Oakland bis Boston deuten darauf hin, dass diese Kontrolle endlich nicht mehr so recht greift. Damit sie gänzlich entfällt, müssen wir die wahre Rolle von Rechtssystem und Medien verstehen und die Heuchelei der Linken umfassend begreifen.

 

Es ist ein alarmierender, doch historischer Moment, wenn die Rechte wahrhaftiger spricht als die Linke. Während die Reformer über faule Äpfel und Sensibilitätstraining redeten, trafen Bullen in Missouri den Nagel auf den Kopf, als sie damit begannen, Armbänder zu verteilen, auf denen stand: »Wir sind alle Darren Wilson.«

Selbst Linke, die die Riots nicht offen verurteilten, verfielen in ein erprobtes und bewährtes Muster. Die einzige Möglichkeit, wie sie die Riots mundgerecht machen konnten, bestand darin, von Brutalität der Polizei gegenüber den Protestierenden zu reden. In Wirklichkeit war die Polizei bei den meisten Riots in Ferguson bemerkenswert zurückhaltend. Es wurde normal für Protestierende, mit Handfeuerwaffen auf Polizei zu schießen, und im November erschienen sogar Sturmgewehre auf der Bildfläche, doch die Bullen schossen nicht zurück.

 

Das ist ein wichtiger Schritt vorwärts. Angesichts einer Polizei mit Lizenz zum Töten beginnen die Leute, ihre Leben über die Gesetze der Elite zu stellen. Doch für die Reformer, die sich nicht vorstellen können, gegen irgendeine der bestehenden Institutionen Front zu machen, ergibt das keinen Sinn. Normale Leute können für sie nur Opfer sein, aber niemals Handelnde. Und Kritik an der Polizei heißt für sie , nicht über die Momente zu reden, in denen die Bullen tatsächlich Angst um ihr Leben haben und nicht aufgrund der völlige n Straflosigkeit handeln. Der Mangel an strategischem Denken ist alarmierend.

 

US-Regierungen sind dafür berüchtigt, Widerstand besonders hart und hemmungslos auszumerzen. Sie militarisieren ihre Bullen, sie verhängen Haftstrafen, die wesentlich länger ausfallen als in anderen Ländern für angemessen gehalten würde, und sie geruhen nicht, sich für den Ausgleich durch Kompromisse und sozialen Frieden einzusetzen, wie es die Sozialdemokratien tun. Um ein Beispiel zu finden, das die Brutalität übertrifft, mit der die US-Regierung in den 1960ern und 1970ern die Befreiungsbewegungen der Schwarzen und der Ureinwohner liquidierte, müsste man schon im Iran suchen oder in China. Doch jetzt, in Ferguson und in vielen anderen Städten in diesem November 2014, waren die Bullen und ihre Herren so verängstigt, dass die Behörden, als die Leute mit den Riots und Plünderungen begannen, als sie Waffen zu den Protesten mitnahmen und Autobahnen stilllegten, nicht mit einem Polizei-Riot reagierten oder mittels hartem militärischen Durchgreifen. Ihre Hände waren weitgehend gebunden.

 

Warum? Wovor fürchteten sie sich?

Sicher nicht vor friedlichen Protesten oder etwas schlechter Presse.

 

Eine vollständigere Beantwortung dieser Frage und die Umsetzung dieser Antworten in die Praxis, das ist der zweite Schritt auf dem Weg, die Polizeigewalt ein für alle mal zu beenden.

 

Fußnoten:

[*] Kommentare in [...] sind Anmerkungen des Übersetzers. 

 

Von Peter Gelderloos, veröffentlicht auf Counterpunch am 9.12.2014, deutsche Übersetzung auf wildcat:

http://www.wildcat-www.de/aktuell/a099_von_ferguson_lernen.html

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kleine i-tüpfelchen reiterei:

 

persönlich fände ich es gut wenn das letzte wort im fünften absatz geändert wird, weil 'race' und "rasse" unterschiedlich behaftet sind - hat mich kurz beim lesen stocken lassen, deshalb die anmerkung. (zum Beispiel in: 'ethnischen Zugehörigkeiten' oder 'Hautfarben' oder 'jeglicher Herkunft')