Jugendgericht verurteilt Rechtsradikalen für Moschee-Anschlag

Erstveröffentlicht: 
20.01.2015

Im Jahr 2010 gab es drei Anschläge auf die Rheinfelder Moschee, bei denen jeweils Fensterscheiben eingeworfen wurden. Nun wurde ein 23 Jahre alter Einzelhandelkaufmann für einen der Anschläge verurteilt.

 

Der Einzelhandelkaufmann wurde für einen der Anschläge wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung zu 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit und der Zahlung von 1000 Euro verurteilt. Der Angeklagte ist in der rechtsradikalen Szene aktiv.

Der junge Mann stand bereits vor einem Jahr vor dem Jugendschöffengericht in Lörrach, zusammen mit einigen anderen aus der Neonazi-Szene, weil sie sich mit Nazigegnern in Herten eine größere Schlägerei geliefert hatten. Der 23-Jährige war damals wegen einer Reihe weiterer Straftaten angeklagt, unter anderem wegen zwei der drei Anschläge auf die Alperenler-Moschee.

Wegen des dritten Anschlags, der am 4. November 2010 stattfand, war er damals freigesprochen worden. Das Verfahren wegen des zweiten Anschlags, der sich am 22. Mai 2010 ereignet hatte, war damals auf Antrag der Verteidigerin des 23-Jährigen abgetrennt worden und wurde nun ein Jahr später verhandelt.

Auch der neue Prozess begann mit zwei Anträgen von Verteidigerin Nicole Schneiders. Sie hielt das Lörracher Gericht für nicht zuständig, außerdem rügte sie seine Besetzung, da inzwischen statt Richter Axel Frick der stellvertretende Amtsgerichtsdirektor Martin Graf Vorsitzender des Jugendschöffengerichts ist. Das Gericht lehnte die beiden Anträge ab.

Winzigste DNA-Spuren


In der Nacht zum 22. Mai 2010 waren vier Scheiben an der Moschee eingeworfen worden, und das mit solcher Wucht, dass nicht nur die Scheiben zu Bruch gingen, sondern die Steine auch Schäden an den gegenüberliegenden Wänden verursachten. Die Polizei fand im Innern sechs Steine, die gesichert und kriminaltechnisch untersucht wurden.

An einem der Steine fanden sich winzigste DNA-Spuren, die sich zweieinhalb Jahre später, als man eine Vergleichsprobe des Angeklagten nehmen konnte, diesem zuordnen ließen, und zwar mit einer Sicherheit von 39 Millionen zu eins. Verteidigerin Schneiders zweifelte das Ergebnis dennoch an. Der betreffende Stein, der dunkler war als die anderen, sei auf den Fotos nicht zu sehen, die Polizei fand die Steine aktuell auch nicht wieder. Zudem sei nicht geklärt, ob die Vergleichsprobe tatsächlich vom Angeklagten stamme.

In der rechten Szene


Derlei Zweifel ließ das Gericht jedoch nicht gelten. Die Verteidigerin, die beantragte, den 23-Jährigen freizusprechen, zitierte auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach ein DNA-Treffer lediglich ein Indiz für die Schuld sei. Das Gericht hielt entgegen, es gebe noch weitere: Der Angeklagte habe sich in der Gegend aufgehalten, er habe der rechten Szene angehört und die Tat sei fremdenfeindlich. Zudem habe es einen vertraulichen Hinweis auf den 23-Jährigen gegeben. "Da schließt sich ein Kreis", sagte Richter Martin Graf, der auch eine andere BGH-Entscheidung zitierte, wonach ein DNA-Treffer mit einer Wahrscheinlichkeit im Millionenbereich ausreichend sei, die Schuld festzustellen.

Schwierige Jugend


Der Angeklagte, der von seinem Vater nie offiziell anerkannt wurde, wuchs bei seiner Mutter auf, die starb als er zehn Jahre alt war. Die schwierigen Zeiten danach verbrachte er teils beim Vater, teils im Internat. Mit 13 oder 14 Jahren wurde er Mitglied der Jungen Nationaldemokraten. Irgendwann ist er ausgerissen und kam über Bekannte in den Raum Lörrach, wo er eine Lehre als Verkäufer als Einzelhandelskaufmann abschloss. Hier gründete er auch die rechtsradikalen "Freien Kräfte Lörrach". "Ich rede nicht gerne über die damalige Zeit . Heute habe ich mit der NPD nichts mehr zu tun", sagte er vor Gericht. Auf die Frage, wie er jetzt zur rechten Szene stehe, antwortete er: "In Zeiten von Pegida möchte ich mich dazu nicht äußern."

2011 ging er nach Norddeutschland, wo er herkommt, und zog kurze Zeit später für die NDP in den Stadtrat und den Kreistag seines neuen Wohnorts ein. Nach Recherchen der Badischen Zeitung ist er tatsächlich aus der NPD ausgetreten, aber nun aktives Mitglied der neonazistischen Kleinpartei "Die Rechte", die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In Stadt- und Kreisrat wird er nun als "parteilos" geführt, auf seiner Homepage stellt er sich aber als Mitglied der "Rechten" dar, verbreitet entsprechendes Gedankengut und zeichnet mit "volks- und heimattreuem Gruß".

Gravierende Straftat


Mit seinem Urteil blieb das Jugendschöffengericht unter der Forderung von Staatsanwalt Carsten-Nils Schwarz, der 200 Arbeitsstunden und eine Geldauflage von 2400 Euro zur kompletten Schadenswiedergutmachung gefordert hatte. Staatsanwalt und Gericht hielten den Anschlag für eine "gravierende Straftat, die aufs Schärfste zu missbilligen ist".

 


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Stand: 20.01.2015, 11.30 Uhr

http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/suedbaden/gericht-verurteilt-st...