„Legida“-Versteher, die man sich merken muss

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Die rassistische „Legida“-Demonstration vom Montag, die sich nächsten Mittwoch wiederholen soll, gibt viel Anlass für Kritik. Mitunter aber auch Anlass, genau diese Kritik wegzudrücken. Beispiele gefällig?

 

Der wenig überzeugende Ansatz lässt sich dieser Tage am besten in der Leipziger Volkszeitung beobachten. In der heutigen Druckausgabe heißt es, die Initiative wolle sich „künftig stärker gegen rechtsextremistische Tendenzen abgrenzen“. Unter Berufung auf „Legida“-Sprecher Jörg Hoyer wird weiter berichtet, derzeit werde das „Positionspapier“ überarbeitet: „Zum Beispiel die Formulierung zum Kriegsschuldkult war missverständlich und wird nun geändert.“ Das wird geschrieben, als sei es eine Tatsache. Man nennt das Verlautbarungsjournalismus.

 

Den logischen Defekt, gleich im ersten Absatz, hätten LokalredakteurInnen bemerken müssen: „Stärker“ abgrenzen – das setzt voraus, es hätte bereits eine Abgrenzung gegeben. Nach dem ersten Aufmarsch am vergangenen Montag und den dezidiert neonazistischen Truppenteilen ist die Annahme absurd. Ebenso auszuschließen ist, dass der Begriff „Kriegsschuldkult“ auf einem „Missverständnis“ beruhen könnte. Vielmehr ist das ganz unmissverständlich ein Begriff der extremen Rechten, dessen Verwendung über die, denen er einfällt, etwas verrät. Der LVZ hätte das und schließlich auch auffallen müssen, dass es bereits mehrere stillschweigende Überarbeitungen des Positionspapiers gegeben hat. Nur wurde es dadurch nicht weniger übel.

 

„Rotlackierte Faschisten“


Eine Presse, die das nicht sieht, lügt nicht. Sie ist nur faul und in ihrer sorgfältigen Unterlassung vielleicht in dem aufrichtigen Glauben, zu viel an berechtigter Kritik – und der inhaltlichen Einordnung, die Journalismus ausmacht – würde „Legida“ am Ende beflügeln. Das kann sein, andererseits: Dass erst gestern eine „Lesermeinung“ unkommentiert abgedruckt wurde, die in der Schmähung „rotlackierte Faschisten“ gipfelt, stärkt trotz Weimarer Bürgerkriegsrhetorik auch nicht das Lager derer, die gemeint sind.

 

Eher dürften sich durch kuschende RedakteurInnen nun jene bestätigt sehen, deren Anhang auch in Leipzig die Presse aufs Übelste schmäht und ReporterInnen tätlich angreift. Noch am Mittwoch berichtete die LVZ, dass es „Judenpresse“-Sprechchöre gegeben habe. Mit Verlaub: Das gleich wieder zu vergessen, wie es die LVZ tut, anstatt die Verantwortlichen zu konfrontieren, würde in anderen Zünften das Wort Kollegenschwein provozieren. Vielleicht ist aber auch die Erwartung überzogen, „Legida“ könnte in einem Lokalteil anders behandelt werden als der sprichwörtliche und weltanschaulich unverdächtige Kaninchenzüchterverein.

 

Beruhigende Türsteher im Diskokriegsgebiet?


Demnach war es nur folgerichtig, nicht nachzuprüfen, ob es denn stimmt, dass der ursprüngliche „Legida“-Anmelder Marco Prager sich vom Vorbereitungskreis verabschiedet habe. Das hatte die LVZ am 7. Januar behauptet und sich auf Hoyer berufen. Aber der schmückt sich mit einer zum Teil erfundenen Biografie und scheint auch sonst wenig nachrichtenehrlich zu sein: Prager ist am Montag mitmarschiert – als Ordner.

 

Am 12. Januar hieß es im Blatt, ein gewisser Oliver Riedel wolle mit befreundeten „Türstehern“ den Aufmarsch „beruhigend begleiten“. Die LVZ hätte skeptisch bleiben und in der Stadt des „Diskokriegs“ durchaus darauf stoßen können, dass Riedels „Sicherheits“-Firma bis vor kurzem genau dort saß, wo sich unmittelbar vor „Legida“ ein brauner Hooligan-Haufen zusammenrottete, der vor den Zeiten von HoGeSa und Pegida undenkbar gewesen wäre. Und sollte es nicht der Rede wert sein, dass die, die das Wort „Lügenpresse“ im Mund führen, ein tief gestörtes Verhältnis zu den Tatsachen haben?

 

Es gibt andere und nicht weniger bürgerliche Medien, die eine substantielle Berichterstattung leisten, sich die Recherche nicht sparen und sie nicht durch Propaganda von Rassisten und Kolportagen der Polizei ersetzen. Im Vorfeld von „Legida“ galt das beispielsweise für die Mitteldeutsche Zeitung, die nicht hier, sondern im sachsen-anhaltischen Halle erscheint.

 

Patzelt: „ganz normale Bürger“


Wer die LVZ aufschlägt, stößt im selben Zusammenhang immer wieder auf einen Experten: Professor Werner Patzelt, Politikwissenschaftler an der TU Dresden. Den konsultierte das Blatt zuletzt gestern und ließ sich von ihm nicht zum ersten Mal erklären, es handle sich in Dresden um „ganz normale Bürger“ und bei denen, die ihre christliche „Abendlandkultur“ in Leipzig verteidigen wollen, um eine „anti-religiöse Bewegung“. Patzelt bezeichnet sie als „kapitalismuskritisch“.

 

Die Annahme ist sehr gewagt angesichts des Kosten-Nutzen-Kalküls, mit dem Pegida und Co. gegen MigrantInnen insgesamt und Muslime insbesondere agitieren. Was die ProtagonistInnen umtreibt, ist nicht weniger als das Fortkommen ihrer Nation unter kapitalistischen Bedingungen – ein Zusammenhang, den als „kapitalismuskritisch“ zu bezeichnen die unsinnigste denkbare Auslegung ist. Dahinter steht eine simple Vertauschung: Patzelt, der dafür wirbt, „Sorgen“ und „Ängste“ von Rassisten und Nationalisten „ernstzunehmen“, kann das nur vertreten unter der Voraussetzung, ihnen ganz andere Motive unterzuschieben und ihre Aggressivität vehement zu verniedlichen. Das ist auch eine Leistung. Jedoch eine hochideologische.

 

„Ungeregelte Zuwanderung“?


Es ist klar, wem das nützt. Und es ist beachtlich, dass Patzelt in Interviews selbst die Kampfbegriffe der Bewegung übernimmt, wenn er KritikerInnen als „Gutmenschen“ bezeichnet. In seinem gestrigen LVZ-Interview behauptet er gegen alle Tatsachen, es finde eine „ungeregelte Zuwanderung“ statt. Daher solle ein „Zuwanderungsgesetz“ geschaffen werden. Also das, was die Pegidisten ausdrücklich fordern und womit sie eine noch striktere Regulation auf Kosten der Restbestände des Grundrechts auf Asyl meinen. Da gibt es kein Vertun: Im Vergleich mit Leuten wie Jörg Hoyer ist Patzelt eindeutig der bessere Pressesprecher. Damit es die Klientel auch hört, äußert sich Patzelt nicht nur in der LVZ, sondern beispielsweise auch in der rechten Jungen Freiheit. Vor kurzem passierte das an ein und demselben Tag.

 

Der Professor, das erfahren LVZ-LeserInnen nicht, steht treu zur CDU, die in Sachsen seit Wochen und unter tätiger Mithilfe des Innenministers versucht, die Demonstrierenden zu umgarnen. Daher ist Patzelts Kernbotschaft von Anbeginn die, „das Gespräch“ zu suchen. Grund: Eine entschiedene Kritik oder gar eine öffentliche Abgrenzung gegen Pegida würde den Demonstrationen noch mehr Leute zutreiben. Auf dieser Linie bewegt sich derzeit die Berichterstattung der LVZ.

 


„Wer die Ausbreitung des Islam beklagt, sollte sich zur CDU hinwenden“


 

Jedoch: Dass die Pegida- und Legida-Leute durch besondere Widerstände angestachelt werden und sich dadurch zur Bewegung formieren können, ist nur eine mögliche Deutung. Könnte nicht mit gleicher Berechtigung behauptet werden, dass gerade die herzliche Umarmung durch Patzelt und die Seinen eine wesentliche Triebkraft geworden ist, die die sächsische CDU teilweise und die AfD vollständig den rassistischen Demonstrationen spendet? Gute Frage. Die LVZ wird sie Herrn Patzelt aber nicht stellen.

 

Kudla: Hauptsache NATO


Man wird sie auch seinen ParteigängerInnen nicht stellen müssen. Da wäre die Leipziger Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla. Vor gut einer Woche veröffentlichte sie auf ihrer Website ein Statement mit dem programmatischen Titel „Nur die CDU hat Antworten auf PEGIDA“, der allerdings auch anders hätte lauten können. Kudla teilt nämlich die Antworten, die Pegida gibt. Ihre Partei, sagt sie, habe „seit langem auch die von PEGIDA angesprochenen Themen auf ihrer Agenda“, was nicht zu bestreiten ist.

 

Weiter heißt es: „Wer die Ausbreitung des Islam in Deutschland und die Abkehr vieler Menschen von unserer christlich geprägten europäischen Kultur beklagt, sollte sich demnach zur CDU hinwenden.“ Zwar bemerkt sie, dass „Legida“ auch „sehr radikale Positionen“ bezieht. Aber damit meint sie offenbar nicht die rassistische Programmatik, sondern die vergleichsweise randständige Forderung nach einem NATO-Austritt.

 

Ihre ausdrückliche Kritik wendet sie vielmehr gegen „Forderungen einiger Gegenbewegungen, wie nach einem ‚bunten Deutschland’“. Dies lehne sie „ohne Definition und klare Positionierung, was dies eigentlich bedeuten soll und welche Konsequenzen dies für unsere Bürger hat“, in „gleicher Weise“ ab. Man muss das sacken lassen: Die Forderung nach einem NATO-Austritt ist ihr „in gleicher Weise“ unrecht wie die bürgerlichsten No-Legida-Initiativen. Für Kudla stellt sich das Luxusproblem aller NationalistInnen, sich zwischen unterschiedlich radikalen Nationalismen entscheiden zu können.

 

Breitenbuch: das mit den Frauenrechten sollte man auch nicht übertreiben


Eine Entscheidungshilfe gibt Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU-Landtagsmitglied aus Grimma und stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Im Namen seines Kreisverbandes hat er am Dienstag eine „Einladung“ an „Pegida/Legida-Demonstranten aus dem Landkreis Leipzig“ ausgesprochen, denn „nur so erreichen wir statt der Spaltung wieder ein Miteinander.“ Zugleich erschien auf der Website der Grimmaer CDU ein weiterer Beitrag, der Beweis darüber führen soll, wie viele Pegida-Forderungen längst auf Betreiben der CDU umgesetzt werden. Die Partei nennt das eine „vorausschauende zukunftsorientierte Asyl- und Integrationspolitik“, die Pegida und Konsorten überflüssig mache.

 

Den Befund weitet die Landkreis-CDU sogar aus auf den antifeministischen Furor gegen Frauenrechte und Gender Mainstreaming aus: „Vielleicht sollte man entgegenwirken“, heißt es dazu, dass „hier immer wieder neue verschärfte Forderungen aufgenommen werden (s. Frauenquoten), die selbst von Frauen in Führungspositionen abgelehnt werden.“ Was für ein überzeugendes Argument. Für die schlichtesten Gemüter genügt es.

 

Vorbild ’89?


Wer sich noch immer fragt, was das Neue an „Legida“ ist, muss den Resonanzraum beachten, den das Establishment aus Wissenschaft und Politik, teils auch aus den Medien freiwillig öffnet. Harmlos nimmt sich dagegen aus, was „Leipziger Bürgerrechtler“ gestern in der LVZ forderten. Genau: Diese Bürgerrechtler, die sich zugute halten, ’89 sehr und daraufhin ein Vierteljahrhundert lang nicht mehr so engagiert gewesen zu sein. Ihre neue Großtat soll sein, in einen „Dialog mit Legida“ zu treten. Passieren soll das am kommenden Dienstag, 19 Uhr, in den Räumen der Volkshochschule.

 

Jörg Hoyer hat schon abgewunken: Seine Leute haben keine Zeit, sie müssen ihren zweiten Aufmarsch vorbereiten. Der wurde nunmehr auf Mittwoch verlegt – damit er auf den Pfaden der „Leipziger Bürgerrechtler“ über den Innenstadtring ziehen kann.

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Selbsternannter Bürgerrechtler Schwabe hatte sich privat "WIR SIND DAS VOLK"  beim Patentamt schützen lassen.

Zum Glüch gab es Leute die das löschen liessen. Schon aus diesem Grund wir nicht mit solchen Leuten gesprochen.