Der rosarote Panther und die braune Szene in Thüringen

Ralf Wohlleben und Nicole Schneiders
Erstveröffentlicht: 
15.10.2014

Alle mutmaßlichen Unterstützer des NSU bestreiten bislang, von den Morden der Terrorzelle vor deren Auffliegen 2011 gewusst zu haben. Neue Dokumente lassen für zwei herausgehobene Rechtsextreme weitere Zweifel an dieser Darstellung aufkommen.


Von Sebastian Haak


Jena - War in der rechten Szene schon vor dem Auffliegen der Terrorzelle NSU am 4. November 2011 bekannt, dass die Gruppe durch Deutschland zog und Menschen erschoss? Diese Frage ist eine der zentralen, die es im Zuge des NSU-Prozesses vor dem Oberlandesgericht München zu klären gilt - weshalb das Gericht nicht nur über Schuld oder Unschuld der einzige Überlebenden des mutmaßlichen Terrortrios, Beate Zschäpe, entscheiden muss. Unweit von Zschäpe sitzt auch der führende Thüringer Neonazi Ralf Wohlleben mit auf der Anklagebank. Ihm wirft die Bundesanwaltschaft vor, als Unterstützer der Terrorzelle agiert zu haben; was meint: Er müsse von den Taten des NSU gewusst haben. Wohlleben bestreitet das.


Ein Dokument, das unserer Zeitung zugespielt wurde, weckt nun weitere Zweifel an Wohllebens Darstellung. Aus dem Papier geht hervor, dass schon im März 2008 in einem relativ kleinen Kreis von deutschen Rechtsextremen die E-Mail-Adresse derrosarotepanther@hotmail.de bekannt war, zur Kommunikation genutzt wurde - und mit dem Nutzernamen "Wolle" verbunden war. Das Brisante daran ist diese Verbindung zwischen der Mailadresse und dem Nutzernamen sowie der frühe Zeitpunkt, für den diese Verbindung belegbar ist. Das wird mit einem Blick auf drei Teilaspekte dieses Zusammenhangs deutlich.


Spitzname "Wolle"


Erstens: "Wolle" ist der Spitzname Wohllebens in der rechten Szene. Sympathisanten Wohllebens protestierten zum Beispiel nicht zufällig mit T-Shirts mit der Aufschrift "Freiheit für Wolle" gegen seine Inhaftierung. Zudem gibt es ein Neonazis-Lied mit dem Titel "Nationale Solidarität", in dem ebenfalls "Freiheit für Wolle" gefordert wird. Es wird inzwischen regelmäßig auf Rechts-Rock-Konzerten gespielt.


Zweitens: Der rosarote Panther ist das Maskottchen des NSU. Unter anderem in dem Videoclip, mit dem sich das Trios zu den Morden an insgesamt zehn Menschen bekennt, taucht diese Comicfigur auf. In der rechten Szene ist der Panther inzwischen zu einer Art Ikone geworden. Es existieren zahlreiche Darstellungen des Panthers mit Waffen und in anderen martialischen Posen.


Der Zeitfaktor


Drittens, und hier kommt der Zeitfaktor ins Spiel: Der rosarote Panther war als Symbol im größten Teil der rechten Szene vor der Enttarnung des NSU praktisch bedeutungslos. Er wurde für die Szene insgesamt erst nach 2011 zu einem sinnstiftenden Element. Die E-Mail-Adresse wurde aber eben schon 2008 benutzt.


Aus dem Zusammenspiel dieser drei Faktoren ergibt sich nun die Frage, ob der Nutzer dieser E-Mail-Adresse sie wählte, weil er damit seine Zustimmung zu den Taten des Terror-Trios deutlich machen wollte; was bedeuten würde, dass er davon schon 2008 gewusst haben muss. Und die Frage: Stand Wohlleben tatsächlich hinter dem Nutzernamen? Sollte beides zutreffen, wäre das möglicherweise ein entscheidender Hinweis darauf, dass Wohlleben tatsächlich schon vor der Enttarnung des NSU von der Existenz der Zelle und ihrer Taten wusste; er und auch andere Menschen, die diese Adresse kannten, um "Wolle" Nachrichten zukommen zu lassen.


Nicht angeklagt


Zu Letzteren könnte auch der ebenfalls einflussreiche Neonazis Thomas G. gehören, der am Donnerstag in München im NSU-Prozess als Zeuge aussagen muss. Der Mann aus Ostthüringen - der ebenfalls Mitglied des Thüringer Heimatschutzes war, aus dem schließlich der NSU hervorgegangen ist - leugnet bislang ebenfalls, von der Existenz der Zelle vor 2011 gewusst zu haben. Ein weiteres Dokument, das unserer Zeitung zugespielt wurde, legt allerdings den Verdacht nahe, dass auch G. die E-Mail-Adresse derrosarotepanther@hotmail.de kannte.


Anders als Wohlleben ist G. bislang nicht als Unterstützer des NSU angeklagt. Nicht nur das von der Amadeu-Antonio-Stiftung getragene "Netz gegen Nazis" rechnet aber auch ihn zum mutmaßlichen Unterstützerumfeld der Terroristen.