Gericht: Josef S. ist schuldig

Erstveröffentlicht: 
22.07.2014

Urteil am dritten Prozesstag: 12 Monate - acht davon bedingt, Urteil nicht rechtskräftig.

 

Der dritte Prozesstag war der letzte im Fall Josef S. Der 23-jährige Deutsche wurde zu einer Haftstrafe von zwölf Monaten verurteilt, acht davon sind bedingt. Er wurde wegen Landfriedensbruch in Rädelsführerschaft, versuchter schwerer Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung schuldig gesprochen.

Die Verteidiger forderten in ihren Schlussplädoyers einen Freispruch ihres Mandanten, der Staatsanwalt "mindestens" eine teilbedingte Haftstrafe.

 

Der Staatsanwalt, Leopold Bien, hatte in seinem Schlussplädoyer die Modifikation der Anklage zurückgenommen. Josef S. wurde nun nicht absichtliche schwere Körperverletzung, sondern nur versuchte schwere Körperverletzung vorgeworfen. Dass zuvor Polizeibeamte, die zum Demo-Abend aussagten, Josef S. nicht identifizieren könnten, tue nichts zur Sache, so der Staatsanwalt.

 

In seiner Urteilsbegründung folgt Richter Thomas Spreitzer den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, die sich auf die Aussage eines Belastungszeugen stützt.

 

"Beamter hat Taten minutiös beschrieben"

 

Es bleibe die Aussage des Hauptbelastungszeugen: "Die Anklage gründet sich auf die Wahrnehmung eines Beamten, dessen Aufgabe die Aufklärung von Straftaten war. Der Beamte hat detailliert, minutiös beschrieben, warum er den Angeklagten noch vor Beginn der Demo erstmals wahrgenommen hat und anhand welcher Merkmale - nicht nur Kleidung, auch Statur. Er hat Handlungen wahrgenommen, die strafrechtswidrig sind." Die Wahrnehmungen des Beamten würden zudem im Einklang mit Beweisergebnissen stehen: Eine Sachverständige habe Schmauchspuren auf den Handschuhen von Josef S. gefunden.

 

Außerdem habe die Aufzeichnung eines ORF-Kameramannes gezeigt, wie der Angeklagte einen Mülltonne aufstelle. "Nach nur wenigen Sekunden ist die Tonne nicht mehr da, es muss also zwingend etwas mit ihr passiert sein." Dass Josef S. im Prozess die Vorwürfe zwar leugnet, aber nichts weiter dazu sage, kritisierte der Staatsanwalt. "Ich persönlich halte es für feige, zu schweigen." Und weiter: Niemand habe das Recht, politische Forderungen mit Gewalt durchzusetzen - denn so etwas nenne sich Terrorismus. "Der Rechtsstaat muss sich vor derartigen Auswüchsen schützen."

 

Verteidiger kritisiert Hauptbelastungszeugen

 

Die Verteidiger von Josef S. forderten einen Freispruch für ihren Mandanten. Sie kritisierten in ihren Schlussplädoyers vor allem die Rolle des Hauptbelastungzeugen, eines Polizisten, der am Demo-Abend in Zivil im Einsatz war. Anwalt Clemens Lahner: "Die Anklage stützt sich nur auf einen Zeugen - alle anderen Beamten stützen das nicht. Auch die beiden anderen Zivilpolizisten haben nichts gesehen, was unseren Mandanten belastet." Zudem habe der Zeuge widersprüchliche Angaben gemacht. Der Beamte habe erst den Angeklagten während der Demo laufend beobachtet und beim Erteilen von Kommandos ("Weiter, weiter, Tempo, Tempo, weiter!") gehört haben will. Letzteres sei mittlerweile von einem Gutachten widerlegt, betonte Lahner. Auch für die ihm unterstellte Verwüstung der Polizeiinspektion Am Hof sowie das Zerstören eines Polizeieinsatzfahrzeugs mittels einer Rauchbombe komme der 23-Jährige nicht infrage. Er habe sich nachweislich zu den fraglichen Zeitpunkten noch gar nicht am Ort des Geschehens befunden.

Anwältin Kristin Pietrczyk kritisierte, dass der Staatsanwalt ihrem Mandanten und den Demonstranten Terrorismus vorgeworfen hat. "Terrorismus ist das In-Angst-und-Schrecken-Versetzen von erheblichen Bevölkerungsgruppen. In Deutschland gibt es eine terroristische Vereinigung, die heißt Nationalsozialistischer Untergrund. Hier von Terrorismus zu sprechen ist unfair gegenüber den Opfern solcher Vereinigungen", so die Verteidigerin. "Und unserem Mandanten vorzuwerfen, er sei feige, weil er hier nichts sagt, ist ebenfalls unfair." Wenn das Gericht S. verurteile, dann sei das ein "In-Angst-und-Schrecken-Versetzen von jedem, der auf so eine Demonstration gehen will, und nicht sicher ist, was 100 oder 2.000 Menschen tun, die ebenfalls auf dieser Demonstration sind".

 

Angeklagter: "Habe Mülleimer aufgestellt"

 

Der Angeklagte gab nach Ende des Beweisverfahrens ein kurzes Statement ab. Er räumte ein, an der Demonstration teilgenommen zu haben: "Ich habe einen Mülleimer angefasst und aufgestellt." Danach sei er den anderen Demonstranten gefolgt und weggegangen. "Zum Schluss möchte ich noch anfügen, dass ich Linkshänder bin." Auf Befragen des Richters erklärte er, zu keinen weiteren Angaben bereit zu sein.

 

60 Zeugen geladen

 

Am Dienstag wurden rund 30 Zeugen der Polizei darüber befragt, was sie am Demo-Abend auf dem Stephansplatz erlebt haben. Sehr viele der Zeugen ließen sich - unter anderem aus Urlaubsgründen - entschuldigen, der Richter hatte ursprünglich 60 Zeugen geladen. Einige der Polizisten berichteten bisher von fliegenden Flaschen, Mülleimern und Feuerwerkskörpern am Abend der Demonstration. Den Angeklagten Josef S. konnten die Zeugen nicht identifizieren, auch sein Pullover mit der weißen Aufschrift "Boykott" ist niemandem aufgefallen.