Rückholung des Atommülls aus dem "Versuchs-Endlager" Asse II laut Bundesamt möglich

Erstveröffentlicht: 
02.10.2009

 


Hannover (LiZ). Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, stellte am heutigen Freitag in Hannover ein Gutachten mit drei Optionen vor, zu denen auch eine mögliche komplette Bergung des Atommülls aus dem "Versuchs-Endlager" Asse II bei Wolfenbüttel gehört. Seit Beginn dieses Jahres steht die in eine Serie von Skandalen verwickelte Anlage unter der Aufsicht des BfS, das dem Bundes-Atom/Umwelt-Ministerium unterstellt ist. Obwohl seit November 2007 offiziell anerkannt werden musste, dass die Zustände in dem für radioaktiven Müll völlig ungeeigneten ehemaligen Salzbergwerk unhaltbar sind, wird eine Bergung des Atommülls seither hinausgezögert.


Die drei untersuchten Optionen:
–  die Rückholung der atomaren Abfälle und die anschließende Einlagerung in einem anderen Lager
–  die Umlagerung innerhalb der Schachtanlage Asse II in tiefer gelegene Bereiche des Salzstocks
–  die Verfüllung der Einlagerungskammern durch Spezialbeton

Offensichtlich wurde die zuvor von dem bis Ende 2008 zuständigen Helmholtz-Zentrum, München, präferierte Option, nämlich die Verfüllung der Stollen samt radioaktivem Abfall mit Magnesiumchloridlauge, sang- und klanglos aus der Diskussion genommen. Doch weiterhin ist keine rasche Lösung in Sicht. Und dies, obwohl am 18. September bekannt wurde, daß der Wasser-Zustritt in die Stollen von Asse II sprunghaft und drastisch zugenommen hat. Erst zum Jahresende soll eine "Vorentscheidung" fallen, welche der Optionen weiter verfolgt wird.

Laut BfS-Präsident König stehe vor allem die Sicherheit der Mitarbeiter der Schachtanlage und der Anwohner im Vordergrund. Weitere Kriterien der Untersuchung seien die Auswirkungen auf die Umwelt, die Langzeitabschätzung, die technische Machbarkeit und der Zeitbedarf. Alle drei heute vorgestellten Optionen seien technisch und hinsichtlich des Strahlenschutzes machbar. König erklärte, über die Kosten und die Dauer der gesamten Maßnahmen bis zur Schließung lasse sich derzeit noch keine exakte Aussage treffen. Je nach Verfahren geht die Studie von acht Jahren bei Vollverfüllung und bis zu 18 Jahren bei Umlagerung aus.

In weiteren Schritten ist den Angaben zufolge in den kommenden drei Monaten eine breite Diskussion mit Strahlenexperten, Geologen, Ingenieuren sowie der Bevölkerung geplant, die am Freitagnachmittag mit der Vorstellung des Gutachtens in Schöppenstedt bereits begann. König sprach sich für ein transparentes Verfahren aus, um eine hohe Akzeptanz bei allen Beteiligten zu erzielen: "Es bleibt das A und O, neben den technischen Belangen einen Weg zu gehen, den die Bevölkerung mitgehen kann.“

Im Widerspruch zum hinhaltenden bisherigen Vorgehen und dem nun präsentierten Zeitplan sprach König heute selbst davon, dass eine rasche Entscheidung beim weiteren Vorgehen geboten sei, da der Zufluß von Wasser und Salzlauge den ExpertInnen als unberechenbar erscheint. So kam es in den vergangenen Tagen zweimal zu einem Anstieg der Mengen. Täglich laufen nach neuesten Angaben etwa 10.500 Liter Wasser aus anderen Ebenen in den Endlagerbereich in 700 Meter Tiefe. Am 18. September war noch offiziell von einem täglichen Zufluß von 11.370 Liter am Tag, was eine drastische Steigerung gegenüber dem jahrelang etwa konstanten Zufluß darstellen würde. Seltsamer Weise war jedoch in den Jahren zuvor von einem Zufluß von 12.500 Liter pro Tag die Rede.

Selbst ein unkontrolliertes "Absaufen“ der Grube schloß König heute nicht völlig aus. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu. Schon Anfang der 1980er Jahre war dem Betreiber und den zuständigen Behörden bekannt, dass die beiden benachbarten Schächte Asse I und Asse III bereits abgesoffen waren. Von dem weniger als zehn Kilometer entfernten Salzbergwerk Hedwigsburg war nach einem Wassereinbruch nur noch ein wassergefüllter Krater übrig geblieben.

Bei den Untersuchungen des ehemaligen Salzbergwerks Asse II sind neben dem Eintritt von Wasser und Salzlauge weitere schwere Mängel aus der Vergangenheit zutage getreten. Die Studie des BfS geht von deutlich mehr beschädigten Fässern aus als bisher angenommen und damit auch von mehr radioaktiv kontaminiertem Salzgestein. Sollte es zu einer kompletten Rückholung des Atommülls kommen, würde zusätzlich zu den rund 126.000 Fässern nochmals die gleiche Menge an belastetem Salzgestein anfallen. Möglicherweise ist in der lückenhaften Dokumentation des in Asse II abgelagerten radioaktiven Mülls auch der Grund für die auffällige Hinhaltetaktik zu suchen. So wurde bereits in den vergangenen Monaten bekannt, dass illegal die verschiedensten Giftstoffe eingelagert wurden und daß die Menge des eingelagerten hochgiftigen Plutonium weitaus höher ist als zuvor angegeben. Einflußreiche Kreise, die genaueres über illegal eingelagerten hochradioaktiven Müll wissen, dürften kein Interesse daran haben, dass dies bei einer Bergung zu Tage kommt.

Der Präsident des Strahlenschutzamts hofft beim weiteren Vorgehen auch auf Kontinuität der politischen Linie unter dem Nachfolger von Bundes-Atom-Minister Sigmar Gabriel in der neuen "schwarz-gelben" Bundesregierung. Nach Ansicht von König würden die Kosten die Entscheidung für eine sichere Schließung von Asse II nicht beeinflussen. Die Politik habe ihm bisher keine finanziellen Vorgaben gemacht, "das Geld spielt keine Rolle," sagte er. Zugleich erklärte er jedoch: "Die letztendliche Entscheidung muß dann die Politik treffen."

Der Naturschutzbund NABU forderte, die Energiekonzerne sollten an den Kosten für die Sanierung beteiligt werden. Schließlich stamme der Großteil des Atommülls unter Tage aus der Atomindustrie.