MA 26.09.: 'Unsere Wahl: Soziale Revolution' – ein Überblick

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Am Vortag der Bundestagswahl demonstrierten in Mannheim bis zu 350 Menschen unangemeldet gegen die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Wirtschaftsordnung und das damit verbundene Elend, gegen die täglichen Einschränkungen unserer Lebensbedingungen und die Beschränkung unserer Freiheiten. Unter dem Motto „Unsere Wahl: Soziale Revolution“ sprachen sie sich lautstark dafür aus eine Gesellschaft jenseits von Staat und Kapital endlich praktisch in Angriff zu nehmen.


Trotz eines gigantischen Polizeiaufgebots konnte eine Demonstrationsroute durch die Mannheimer Innenstadt durchgesetzt werden. Dies ist dem entschlossenen Auftreten der DemonstrantInnen und nicht zuletzt den Spontandemonstrationen außerhalb des Polizeikessels zu verdanken.

Hier ein zusammenfassender Fotobericht.
 

Der 26.09. in Mannheim – oder von der Schwierigkeit in Deutschland eine antikapitalistische Demonstration abzuhalten

Der Auftakt der Demonstration am 26.09. war für 14.00 Uhr am Paradeplatz, im Zentrum der Mannheimer Innenstadt angekündigt. Doch selbst kurz vor 14.00 Uhr war kaum zu bemerken, dass hier wenige Minuten später eine unangemeldete Demonstration stattfinden sollte. Die Innenstadt war überfüllt von EinkäuferInnen und Vertreter verschiedener Parteien warben um die letzten Stimmen für die Bundestagswahl. Lediglich die Polizeihundertschaften am Rande des Platzes, die kurz zuvor in Stellung gegangen waren deuteten darauf hin, dass hier etwas in der Luft lag.

Pünktlich gegen 14.00 Uhr waren plötzlich Parolen aus einer Seitenstraße des Paradeplatzes zu hören. Diese stammten von einer Gruppe von ca. 50 DemonstrantInnen, die mit einem Transparent mit der Aufschrift „Unsere Wahl: Soziale Revolution!“ auf den Platz liefen. Von einer Sekunde auf die andere erhoben sich unzählige Leute, die zuvor verstreut auf dem Paradeplatz gesessen hatten und schlossen sich der Demonstration an. Diese wiederum blieb auf den Straßenbahngleisen der Mannheimer Fußgängerzone stehen, um den Neuankömmlingen zu ermöglichen sich in die Demonstration einzureihen. Daraufhin zog die Polizei eine Kette vor die Demonstration und begann wenig später damit diese komplett einzukesseln. Da es Manchen nicht rechtzeitig gelang sich der Demonstration anzuschließen und Andere es vorzogen nicht von der Polizei eingekesselt zu werden , bildete sich um die Demonstration eine Menschentraube, zu der sich auch PassantInnen hinzugesellten.

Die Polizei, die sofort damit begonnen hatte die DemonstrantInnen abzufilmen, verkündete nun, dass sie keine Demonstration auf der zuvor angekündigten Route erlauben werde und schon garnicht ohne dass sich jemand als Leiter der Demonstration verantwortlich erkläre. Die gekesselten TeilnehmerInnen antworteten auf das „Angebot“ der Polizei mit Parolen wie „Wir demonstrieren wie wir wollen – gegen Repressionen und Kontrollen!“. Kurze Zeit später formierte sich außerhalb des Polizeikessels der erste Versuch einer Spontandemonstration, der bei der Polizei große Hektik aufkommen ließ, sich aber wieder zerstreute, bevor es der Polizei gelang dagegen vorzugehen.

Trotz der bedrohlich wirkenden Einkesselung durch die Polizei war die Stimmung in der Demonstration auch nach einiger Zeit des Wartens noch gut. Hierzu trug sicherlich auch bei, dass die Polizei mit ihrer Einkesselung öffentlichkeitswirksam den zentralen Verkehrsknotenpunkt des Mannheimer Straßenbahnnetzes lahmlegte und dass sich immer wieder PassantInnen über das Verhalten der Polizei empörten.

Den Eingekesselten gelang es schließlich nach einstündigen Verhandlungen mit der Polizei – die über außenstehende Dritte geführt wurden – eine Demonstration durch die Einkaufsstraße „Kapuzinerplanken“ und über den „Ring“ bis zum Hauptbahnhof durchzusetzen.

Kurz nach 15.00 Uhr konnte die Demonstration beginnen – allerdings eingekesselt von mehreren Reihen behelmter und teilweise vermummter PolizistInnen, die die DemonstrantInnen permanent mit bis zu sechs Kameras abfilmten. Optisch war die Demonstration dank des doppelten Polizeispaliers fast nicht wahrzunehmen. Die Eingekesselten sorgten jedoch mit lautstarken Parolen, die aus allen Teilen der Demonstration kamen, dafür, dass ihr Anliegen gut hörbar war. Gelegentlich gab es – leider nicht immer gut hörbare – Megafon-Durchsagen aus der Demonstration, die die Polizei dazu aufforderten sich zurückzuziehen oder über das Anliegen der DemonstrantInnen aufklärten. Wesentlich zur Außenwirkung trugen die immer wieder stattfindenden Spontandemonstrationen der gut Einhundert DemonstrantInnen außerhalb des Polizeikessels bei. Diese liefen immer wieder laut Parolen rufend parallel zur Demonstration und durch die Straßen um die Mannheimer Fußgängerzone und verteilten dabei hunderte von Flugblättern. Damit trugen sie nicht nur maßgeblich zur guten Stimmung in der Demonstration bei, sie sorgten besonders dafür, dass die Polizei die Situation nicht die völlige kontrollierte und es ihr nicht gelang antikapitalistische Positionen in der Mannheimer Innenstadt so zu isolieren, wie sie das offensichtlich beabsichtigt hatte.

Die Demonstration löste sich gegen 16.00 Uhr vor dem Mannheimer Hauptbahnhof auf. Im Anschluss führte die Polizei noch vereinzelt Personalienkontrollen bei TeilnehmerInnen der Demonstration statt. Teilweise versuchte die Polizei sogar „Innenstadtverbote“ zu verhängen, die von den meisten Betroffenen aber einfach ignoriert wurden. Nach Angaben des EA-Mannheim gab es keine Festnahmen.

 
Hintergründe der Demonstration

Wieso fand die antikapitalistische Demonstration „Unsere Wahl: Soziale Revolution!“ bereits am Vortag der Bundestagswahl statt und nicht erst jetzt, wo das Wahlergebnis feststeht? Grund dafür ist die Feststellung des organisierenden Bündnisses, dass es zwar durchaus einen Unterschied machen kann wer regiert, dass die notwendigen grundsätzlichen Veränderungen aber nur gegen den Staat zu verwirklichen sind. Staatliche Institutionen sind eben keine neutralen Werkzeuge zur Gestaltung von Gesellschaft, sondern strukturell auf die Aufrechterhaltung des Kapitalismus angewiesen. Die Funktion von Wahlen ist dabei das Einholen von Legitimität für die staatliche Durchsetzung kapitalistischer Verhältnisse.

In einer Presseerklärung des 'Bündnis Soziale Revolution' vom 23.09.09 heißt es zu den Hintergründen der Demonstration:
„Mit der antikapitalistischen Demonstration am Vortag der Wahl wollen wir den anhaltenden Angriffen auf unsere Lebensbedingungen Widerstand entgegen setzen und der Forderung nach einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft auf die Straße tragen. Bereits jetzt ist abzusehen, dass nach der Wahl versucht werden wird den Lohnabhängigen weitere Belastungen aufzubürden. Eine Alternative zum kapitalistischen Elend steht am 27.09. nicht zur Wahl, da das Ziel der Bundestagswahl letztlich das Einholen von Legitimität für die kapitalistische Herrschaft ist. Statt uns auf das parlamentarische Spektakel einzulassen wollen wir eine Alternative jenseits von Staat und Kapital erkämpfen und verwirklichen. Dieser Kampf muss notwendigerweise eine antikapitalistische Perspektive beinhalten, denn nur in der Verbindung von Kämpfen für konkrete Verbesserungen und einer revolutionären Perspektive kann ein gutes Leben für alle erkämpft werden.“

Mehr zu den Hintergründen der Demonstration ist in einem Interview zweier AktivistInnen des Bündnisses mit Delta Press und auf der Bündnis-Homepage nachzulesen:

http://de.indymedia.org/2009/09/261098.shtml

http://sozialerevolution.blogsport.de


Fazit

Trotz eines unglaublichen Polizeiaufgebots und des Versuchs Seitens der Polizei die Demonstration zunächst zu verhindern und ihr dann die Außenwirkung zu nehmen ist es 350 Menschen – davon knapp 250 in der Demonstration und gut 100 um diese herum – gelungen ihren Unmut über die bestehenden kapitalistischen Verhältnisse und die staatliche Herrschaft, die diese durchsetzt öffentlichkeitswirksam auf die Straße zu tragen. Diese wurde in den Zusammenhang mit konkreten Kämpfen gegen die bestehenden Zumutungen und die nach der Wahl auf uns zukommenden Einschnitte verbunden. Sicher wäre an einigen Punkten noch mehr drin gewesen. Daran, dass am 26.09. in Mannheim zum ersten mal eine offen beworbene Demonstration unangemeldet durchgeführt und durchgesetzt worden sollte angeknüpft werden.

Für mehr unkontrollierte Versammlungen – in Freiburg, Mannheim und anderswo!

 
„Politischer Erfolg trotz massiver Polizeirepression“

(Pressemitteileilung des 'Bündnis Soziale Revolution' vom 26.09.09)
 

Politischer Erfolg trotz massiver Polizeirepression – Bündnis Soziale Revolution setzt unangemeldete Demonstration durch die Mannheimer Innenstadt durch

Am 26.9., einen Tag vor den Bundestagswahlen, fand heute eine unangemeldete, antikapitalistische Demonstration in der Mannheimer Innenstadt statt. Aufgerufen hatte das Bündnis Soziale Revolution, ein Zusammenschluss antikapitalistischer Gruppen und Einzelpersonen aus der Rhein-Neckar Region.

Um 14.00Uhr versammelten sich ca. 300 TeilnehmerInnen am Paradeplatz. Die bereits im Vorfeld massiv präsente Polizei, kesselte die DemonstrationsteilnehmerInnen von Beginn an mit mehreren Hundertschaften Bereitschaftspolizei, Spezialeinheiten und berittenen Beamten ein, was anwesende BürgerInnen dazu veranlasste, sich spontan mit der Demonstration zu solidarisieren. Viele der Anwesenden wurden gar nicht erst in den Demonstrationszug gelassen oder durch das massive Polizeiaufgebot abgeschreckt.

Das Bündnis hatte im Vorfeld beim Ordnungsamt eine Route sowie eine Kontakttelefonnummer bekannt gegeben und seine Bereitschaft zur Kooperation kund getan. Auf beides ging die Behörden nicht ein; vielmehr wurde die angegebene Route verboten und den TeilnehmerInnen ein Ultimatum gesetzt, um sich auf eine von der Polizei festgelegte, weniger öffentlichkeitswirksame, Alternativroute einzulassen.

In Verhandlungen mit der Polizei konnte schließlich, nicht zuletzt aufgrund des großen Drucks der entschlossenen DemonstrationsteilnehmerInnen, eine Route durch die Kapuzinerplanken zum Hauptbahnhof durchgesetzt werden.

Dennoch machte die Polizei – durch ein dreireihiges Spalier, massives Abfilmen der TeilnehmerInnen und ihr provozierendes Auftreten – eine Außenwirkung durch Transparente oder Flugblätter so gut wie unmöglich. Immer wieder wurden TeilnehmerInnen von den Einsatzkräften bedrängt und schikaniert. Lediglich dem entschlossenen und kraftvollen Auftreten der TeilnehmerInnen ist es zu verdanken, dass der Inhalt der Demonstration für Außenstehende wahrnehmbar war. Am Rande versuchten kleinere Gruppen von DemonstrantInnen auch immer wieder Spontandemonstrationen durchzuführen.

Am Bahnhof wurde die Demonstration von Seiten der VeranstalterInnen aufgelöst. In der Folge kam es zu absurden Versuchen der Polizei, vermeintlichen DemonstrationsteilnehmerInnen ein „Innenstadtverbot“ aufzuerlegen.

Das Bündnis wertet die heutige Demonstration trotz aller Repressionsversuche als Erfolg. Zum ersten Mal wurde eine offen beworbene Demonstration in Mannheim unangemeldet durchgesetzt. Eine große Rolle dafür spielte die Präsenz zivilgesellschaftlicher Kräfte und der VertreterInnen verschiedener Parteien. Das Bündnis hatte diese im Vorfeld aufgefordert, die Demonstration zu begleiten und das Verhalten der Polizei zu dokumentieren.

Christine Heinrich, Sprecherin des Bündnisses kommentiert:

„Heute hat sich die Unzufriedenheit vieler Menschen mit der herrschenden Politik deutlich gezeigt. Wir sind nicht bereit, uns nur passiv am Wahlspektakel zu beteiligen und unseren Protest auf die Abgabe unseres Stimmzettels zu beschränken.

Wahlen haben in der kapitalistisch verfassten Gesellschaft die Funktion, soziale Konflikte, wie sie im Zuge der aktuellen Krise des Kapitalismus immer offener und massiver zu Tage treten, wieder auf den Staat zu beziehen und in institutionalisierte Bahnen zu lenken. Protest und Widerstand sollen nicht auf der Strasse oder im Betrieb artikuliert werden. Diesem Spektakel setzen wir die Idee einer revolutionären Transformation der Gesellschaft und einer Vergesellschaftung der Produktionsmittel entgegen. Wir werden auch weiterhin selbstbestimmte Widerstandsformen erproben und weiterentwickeln. Unsere Wahl heißt Soziale Revolution.“


Berichte Anderer
http://de.indymedia.org/2009/09/262040.shtml
http://de.indymedia.org/2009/09/261958.shtml
http://de.indymedia.org/2009/09/261975.shtml
http://de.indymedia.org/2009/09/262053.shtml


Weitere Informationen

http://sozialerevolution.blogsport.de

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Wie sieht´s eigentlich mit presseecho aus, gabs in den mannheimer medien irgendwas zur demo?

polizeibericht?

ich konnte bisher überhaupt nichts finden..

Es gab einen Artikel in der Sonntagsausgabe des Mannheimer Morgen und einen identischen in der kostenlosen Mannheimer Sonntagszeitung. Der basierte auf einer Bullenmeldung.

Es gab keinerlei Ausschreitungen oder Festnahmen und war somit für die Presse, insbesondere direkt nach der Bundestagswahl, vollkommen "ohne Nutzen".

Schade eigentlich.

Wenn man gegenüber dem Ordnungsamt das Stattfinden seiner Demonstration anzeigt, dann handelt es sich damit um eine angemeldete Demonstration. Darüber hinausgehend wurde ja sogar die vorgesehene Route und eine Kontaktnummer angegeben. Dass diese dann verboten, nach Verhandlungen mit der Polizei aber doch durchgesetzt wurde, ist ein zweites Paar Schuhe. Letzteres verdient Anerkennung, wurde so doch dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit (bzw. dem Menschenrecht, sofern man sich nicht auf den Staat als Garant stützen möchte) Geltung verschaffen. Dies ist bei radikalen Demonstrationen jedoch regelmäßig erforderlich. Die Behauptung, zum ersten Mal wäre eine offen beworbene Demonstration in Mannheim unangemeldet durchgesetzt worden, trifft jedoch aufgrund des Gesagten schlicht nicht zu. 

Wenn du es unter jedem Artikel wiederholst, wird es dadurch nicht richtiger. Eine Demonstration gilt als angemeldet, wenn einE AnmelderIn unter Angabe seiner/ihrer Personalien die Demonstration schriftlich anmeldet und die folgenden Auflagen akzeptiert. Die war in Mannheim nicht der Fall, sondern dem Ordnungsamt wurde, laut Artikel, lediglich "Bescheid gegeben" über eine Demonatrstion, die schon seit Wochen beworben war und deren Route im Internet veröffentlicht wurde.