Protest gegen Diskriminierung: Schüler im Rock verstören Frankreichs Konservative

Erstveröffentlicht: 
16.05.2014

Sexuelle Diskriminierung? Nicht mit uns! Männliche Schüler im französischen Nantes erschienen zu einer Protestaktion in knappen Röcken zum Unterricht. Wertkonservative sehen deswegen die Grundlagen der Republik in Gefahr.

 

Jungen in Minis, haarige Beine, kaum verhüllt von kurzen Röckchen: Vor dem Lycée Clemenceau, im Zentrum von Nantes, zeigen die Gymnasiasten Bein und beweisen mit ihrer textilen Aktion Mut wie Selbstbewusstsein.

 

Einen Tag zuvor, am Donnerstag, hatte die Aktion unter dem Motto "Was verbirgt der Rock" fast 200 konservative Ultras mobilisiert: Auf Transparenten, rosa Fähnchen und Plakaten verurteilten sie den Aktionstag der Schüler gegen Sexismus und Diskriminierung. "Gender ist nicht mein Ding" oder "Jungen und Mädchen - gleich, aber nicht identisch", riefen die aufgebrachten Bürger.

Auf dem Bürgersteig gegenüber skandierten Schülerinnen und Schüler lautstark "Gleichheit, Gleichheit", riefen "Faschos raus aus unseren Schulen", derweil ein Junge auf eine Mauer stieg und unter dem Beifall seiner Mitschüler ein schwarzes Ballettröckchen überzog. Es folgten Eierwürfe, unweit der Demonstranten wurden die bewaffneten Bereitschaftspolizisten unruhig, doch es blieb weitgehend friedlich.

 

"Ich kämpfe gegen Sexismus. Und du?"


Hintergrund der Konfrontation in der Großstadt am Atlantik ist eine Kampagne der örtlichen Schülerverbände. Ihre Idee: Um auf die Diskriminierung von Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen, könnten Gymnasiasten am Freitag in weiblicher Kleidung oder Strumpfhose zum Unterricht erscheinen.

Die Initiative "Was verbirgt der Rock" orientiert sich am gleichnamigen Titel der französischen Soziologin Christine Brard. "Mit dem Rollenwechsel wollen wir unsere Mitschüler sensibilisieren", sagt Gymnasiast Loukain Jacquet, einer der Organisatoren der Aufklärungskampagne. Es gehe ihnen um die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern, sagt der Schülervertreter, denn: "Schließlich gibt es auch an den Schulen Macho-Reflexe." Daher die Idee mit den Röcken, so Jacquet. Für Mitschüler, die ihre Waden am Aktionstag nicht vorzeigen wollen, haben Jacquet und seine Mitstreiter Aufkleber drucken lassen: "Ich kämpfe gegen Sexismus. Und du?"

Begleitet wird die Initiative, geplant an 27 von 220 Schulen des Bezirks, von theoretischer Vorarbeit und Diskussionen. Die Direktoren hatten das Konzept abgesegnet, die Behörden ihr Plazet gegeben. Immerhin war das Projekt im vergangenen Jahr ohne Aufsehen über die Bühne gegangen und hatte auch an Schulen in den USA Nachahmer gefunden.

In diesem Jahr jedoch haben wertkonservative Ultras und religiöse Dogmatiker erbitterten Widerstand organisiert. Dahinter steht der Dachverband der "Kundgebung für alle", die im vergangenen Jahr in Frankreich machtvoll, aber erfolglos gegen die Legalisierung der Homo-Ehe demonstriert hatte. Ihre lokalen Basisgruppen sahen in der Schüleraktion eine Chance zu medialer Empörung.

Denn die "Bürger von Nantes für die Familie" oder die "Organisation der Wächter" wittern hinter der pädagogischen Aktion nicht weniger als den schleichenden Vormarsch eines sogenannten Genderismus: der Gleichmacherei von tradierten Rollenvorstellungen. Sie befürchten, mit Aktionen wie der in Nantes würden die Grundwerte der Republik unterwandert.

 

Auch die hohe Politik mischt sich in den Rockstreit ein


"Die Jungen im Rock - sollen die Mädchen mit Bart erscheinen?", höhnte Frigide Barjot, Gallionsfigur der Kampagne gegen die Homo-Ehe. "Schüler aufzufordern, einen Rock zu tragen, ist keineswegs harmlos", wetterte auch Ludovine de La Rochère. Das sei vielmehr "Travestie und eine Negation ihrer sexuellen Identität". Die Aktion der Schüler, so die Präsidentin des Dachverbands, sei "eine Provokation zu viel".

Die Aufregung, welche die Moralapostel im Netz schürten, griff sogar kurz auf das Parlament in Paris über. "Das ist eine ideologische Verirrung", schimpft die Oppositionspolitikerin Véronique Louwagie. "Unsere Jugend braucht Orientierung", so die Abgeordnete der konservativen UMP. Hier handele es sich um "eine systematische Vernichtung von Vorgaben, die unsere Kinder formen". Alles falsch, entgegnete der sozialistische Erziehungsminister Benoît Hamon. Die Opposition verbreite Lügen, diese seien vorformuliert von "radikalen Organisationen".

 

Vor Ort sah sich auch die Schulbehörde zu einer Erklärung veranlasst. Es handele sich um einen "Austausch zu Diskriminierung und Sexismus und darum, wie man eventuell innerhalb der Schulen dagegen vorgeht", beteuerte ihr Sprecher. Und überhaupt: "Niemand wird gezwungen, im Rock anzutreten."

Dennoch freut sich Schülervertreter Loukian Jacquet über die Dutzenden Mitschüler in schickem weiblichem Outfit. Zugleich betont er die Seriosität der Initiative. "Es geht ja nicht nur um den Rock, dahinter steht ein pädagogisches Konzept. Wir haben uns ja bloß überlegt, wie wir das Nachdenken fördern. Mit einer Idee, die für Aufmerksamkeit sorgt."

Das Ziel jedenfalls haben Jacquet und seine Mitstreiter erreicht.