400 demonstrieren in Memmingen: Laut gegen Nazis und still für deren Opfer

Remebering means fighting

An Peter Sieberts sechstem Todestag zogen rund 400 Menschen durch die Memminger Innenstadt, um ihm und allen weiteren Opfern rechter Gewalt zu gedenken und der Allgäuer Neonaziszene zu zeigen, dass sie und ihre Ideologie unerwünscht sind. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Demonstration hielten am Marktplatz für eine Gedenkminute inne und platzierten eine Gedenktafel für Peter Siebert und all die anderen Todesopfer rechter Gewalt.

 

Vor der Tafel wurde eine große Zahl Blumen niedergelegt und Kerzen entzündet. Das »Antirassistische Jugendaktionsbüro« aus Kempten organisierte die Veranstaltung mit Unterstützung verschiedener Teile des Bündnisses »Memmingen gemeinsam gegen Rechts« und informierte während der Abschlusskundgebung am Bahnhof über die Strukturen der örtlichen Rechten.


Nach unterschiedlichen Redebeiträgen setzte sich der Demonstrationszug gegen 15:15 Uhr unter dem Motto »Remembering means fighting! Gegen Nazis und ihre Umtriebe« vom Bahnhof in Bewegung, um gegenüber der Linde nbadstraße 8 die erste Zwischenkundgebung abzuhalten. Hier befand sich nämlich - so die Veranstalter - bis vor kurzem der »EPS Druckshop«, der vom Neonazi Benjamin Einsiedler betrieben würde. Dieser sei ebenso verantwortlich für den neonazistischen Versandhandel mit Musiklabel »Oldschool Records«. Vor kurzem ist der Betrieb laut einem »Antifaschistischen Rechercheteam Hinterland« nach Bad Grönenbach umgezogen, was in Zusammenhang mit der Demo und der im Vorfeld geleisteten Mobilisierung und Öffentlichkeitsarbeit gesehen wird.

 

Auch die örtlichen Neonazis mussten von der breit beworbenen Demonstration gegen sie erfahren. So ließen es sich die Rechten teils einzeln und teils in kleineren Gruppen nicht nehmen, mehrmals am Rande des Zuges zu erscheinen. Eine der Gruppen zog sich - offenbar erstaunt über die große Zahl der Nazigegner_innen - in eine nahegelegene großmütterliche Wohnung zurück, wie eine Aktivistin berichtete.

 

Die nächste Station war der Marktplatz. Hier wurde unter Applaus vieler Passant_innen eine Tafel »in Gedenken an Peter Siebert und alle Opfer Rechter Gewalt« aufgestellt. Die Tafel erklärt, dass der 40-jährige Siebert am 26. April 2008 in Memmingen vom Neonazi Alexander B. mit einem Bajonett erstochen wurde. Auslöser war ein Streit »weil ich rechts bin«, wie der Täter später erklärt. Verurteilt wurde der Täter lediglich wegen Totschlags, die Polizei spricht von einer »Beziehungstat«. Später räumte allerdings Manfred Mürbe, Vizepräsident des Landgericht Memmingen, ein, dass ein rechtsextremer Hintergrund »wahrscheinlich« sei. Außerdem soll der Fall nun erneut auf seine Hintergründe untersucht werden. Daneben listet die Gedenktafel die Namen der 183 weiteren bekannten Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 in Deutschland. Eine Rede nahm Bezug auf den rechten Terror des NSU und dessen Aufarbeitung durch Justiz und Öffentlichkeit. Viele der Nazigegner_innen und einige Umstehende legten während einer Gedenkminute Blumen nieder und entzünden Kerzen.

 

Auf dem Weg über den Weinmarkt zurück zum Bahnhof kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Demonstrant_innen und der Polizei. Nachdem die Polizei einem Teilnehmer der Demonstration seine Kamera entriss, reagierte diese sofort und forderte das Gerät zurück. Nach Rückgabe der Kamera zeigten einige Demonstrationsteilnehmer_innen einer zwischenzeitlich entdeckten Gruppe Neonazis, was sie von ihnen halten. Die ohnehin schon martialisch auftretende Polizei beantwortete dies mit dem Aufsetzen ihrer Helme und der Drohung mit Reizgas. Nach Verschwinden der Rechten zog die Versammlung ohne weitere Zwischenfälle zurück zum Bahnhof.

 

Am Bahnhof wurden weitere Beiträge verlesen. Einer behandelte das Erstarken rechter Bewegungen in ganz Europa. Zum Abschluss referierte das »Antirassistische Jugendaktionsbüro« über die lokalen Strukturen der Rechten. Herausgestellt wurden nicht nur Unternehmen wie »EPS«/»Oldschool Records«, deren neonazistische Musik oder die Kameradschaft »Voice of Anger« und deren gewalttätiges Auftreten, sondern ebenso eine Verbindung des NSU in die Region: Sylvia Endres aus Kirchdorf.

 

Am Ende betonten die Veranstalter, es sei »von großer Bedeutung«, den am kommenden Mittwoch, den 30. April vor dem Kemptener Landgericht beginnenden Prozess gegen Falk Hildebrand zu begleiten. Nachdem Hildebrand durch rassistische Pöbeleien auffiel, erschlug er am 17. Juli 2013 während des Tänzelfest in Kaufbeuren einen aus Kasachstan stammenden Mann. Trotzdem der Täter als Neonazi bekannt ist, erklärt die Staatsanwaltschaft es hätte »ein rassistisches Motiv [...] nicht beweiskräftig festgestellt werden« können. Die Aktivist_innen sagen, sie möchten »verhindern, dass auch dieser Fall entpolitisiert und abgehakt wird.«

 

Mehr Photos: http://500px.com/provinzphotographie/sets/in_gedenken_an_peter_siebert

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Nazis während der Demonstration

 

Nazis während der Demonstration

Falls jemand ein Foto von der dicken Frau mit langen lila Haaren gemacht hat, die während der Abschlusskundgebung am Bahnhof von der gegenüberliegenden Straßenseite ständig fotografiert und Mitteilungen verschickt hat, bis sie sich auf Ansprache entfernt hat, könnte mensch das hier auch noch reinstellen. Sie war Profi genug, sich nicht mehr umzudrehen.

Solidarische Grüße aus Ulm! SSV Ulm & Memmingen gegen Rechts :-) :-)