Die Junge Alternative will ihre Mutterpartei rechts überholen

Erstveröffentlicht: 
28.03.2014

AfD-Nachwuchs Die Junge Alternative will ihre Mutterpartei rechts überholen

Wie man sich größtmögliche Aufmerksamkeit verschafft und sogar AfD-Chef Bernd Lucke die Schau stiehlt, wissen die „Jungen Alternativen“, die Jugendorganisation der AfD. Jetzt hatten sie Besuch von einem rechtspopulistischen Polterer aus Großbritannien.

 

Von Livia Gerster

 

Erst bringen sie sich mit anachronistischen Rollenbildern in die Schlagzeilen, dann fällt ihr stellvertretender Vorsitzender als Burschenschafter mit rassistischer Neigung auf, und nun laden sie den britischen Rechtspopulisten Nigel Farage zu einer Wahlkampfveranstaltung nach Köln ein. AfD-Chef Lucke geht dieser Alleingang zu weit: Er ist sauer.

Am Donnerstagabend hat die Junge Alternative ins Kölner Maritim-Hotel eingeladen. Der Saal war brechend voll, 350 Leute sind gekommen um ihn zu sehen: Nigel Farage, Großbritanniens berüchtigtsten Anti-Europäer. Er führt die rechtspopulistische United Kingdom Independent Party (UKIP) an, die zu einer ernsthaften Bedrohung für die großen Parteien geworden ist.

Sein Hauptziel: Raus aus der EU. Vermischt mit Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Verschwörungstheorien zum Klimawandel geht dieses Konzept auf. Laut jüngsten Umfragen liegt die Partei bei 25% - und damit vor Tories und Labour Party.

Trotz Parallelen will die AfD mit der UKIP im Europaparlament aber nichts zu tun haben: Farage ist Lucke dann doch ein bisschen zu rechts, ein bisschen zu anti. Die AfD ist zwar gegen den Euro, aber nicht gegen die EU. Besser passen die britischen Konservativen zu Lucke, die wirken seriöser.

 

Affront gegen Lucke

Das scheint die junge Alternative anders zu sehen. Sie begrüßen Farage am Donnerstag als Star. Das ärgert Lucke, der sich etwas mehr Loyalität vom Nachwuchs wünsche würde. „Stinksauer“ sei er über die Einladung gewesen, hieß aus der Parteizentrale. "Nigel Farage einzuladen ist ein Zeichen von mangelndem politischen Fingerspitzengefühl", sagt Lucke. "Es gibt erhebliche Differenzen zwischen der AfD und UKIP."

Als noch größeren Affront wird Lucke die Teilnahme von Marcus Pretzell aus dem AfD-Bundesvorstand verstehen. Zusammen mit Martin Renner, Mitgründer der AfD, saß so die AfD-Prominenz mit auf dem Podium. Die Veranstaltung lässt sich also schlecht als jugendlich-tollkühne Aktion klein reden. Und auch wenn Pretzell gestern die AfD-Linie "Ein Austritt Deutschlands aus der EU wäre außenpolitischer Amoklauf" vertrat, schien er sich mit Farage gut zu amüsieren.

Vielleicht handelt es sich ja schlicht um eine Arbeitsteilung der nach allen Seiten schillernden AfD: Die Professoren der Partei geben sich seriös und liberal, um im eurokritischen Bürgertum zu punkten, die AfD-Europakandidatin Beatrix von Storch bedient den reaktionären Adel, und die Jungen Alternativen fischen Stimmen bei den ganz Rechten. So sahnt man die größtmögliche Zahl an Stimmen ab. Offiziell distanziert man sich dauernd voneinander, inoffiziell versteht man sich prächtig.

 

Lucke hat ein Autoritätsproblem

Bei Nigel Farage in Köln saßen jedenfalls nicht nur die jungen Nachwuchs-AfDler im Publikum, sondern auch viele ältere Basis-AfDler sind gekommen, die den Briten Farage verehren. Sie bringen damit auch ihre Kritik gegenüber Lucke zum Ausdruck, der spätestens seit dem Parteitag in Erfurt ein ernsthaftes Autoritätsproblem hat. Pretzell zeigte mit seinem Auftritt am Donnerstag einmal mehr, dass er dem AfD-Chef in Zukunft gefährlich werden könnte.

 

Der Vorsitzende der Jungen Alternative aus Nordrhein-Westfalen Sven Tritschler sagte, er könne schon verstehen, dass Lucke über die Einladung Farages sauer gewesen sei, aber: „Wir sind halt ein bisschen frech. Und ein bisschen konsequenter als die AfD, die ständig auf alle Rücksicht nehmen muss.“ Außerdem habe man ja keine Koalitionsgespräche mit Farage geführt. Ob er eine Fraktion mit der UKIP auf EU-Ebene gutheißen würde, sagt er zwar nicht, aber es war jedenfalls „keine gute Idee, die Zusammenarbeit gänzlich auszuschließen.“

 

Rassistischer Burschi ist stellvertretender Vorsitzender

In dieser Woche berichtete die „taz“, dass ihr stellvertretender Vorsitzender Benjamin Nolte Burschenschaftler in der Danubia war. Die wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch bezeichnet, bei den „alten Herren“ ist Nolte trotz neuem Amt weiterhin.

Und dann ist da vor allem die „Bananen-Geschichte“: Bei einem Burschenschaftsreffen in Eisenach hatten Alemannia-Mitglieder gewagt, einen Dunkelhäutigen in den Saal einziehen lassen zu wollen. Als die Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG) daraufhin streikte, zogen sie die Teilnahme zurück. Nolte hatten ihnen daraufhin triumphierend eine Banane hingehalten. NRW-Vositzender Tritschler sagte, das habe ihn zwar auch geschockt, aber Nolte habe sich ja dafür entschuldigt. Bevor sie ihn zum Vorstand wählten, hätten sie ihn aber „vielleicht erstmal googlen sollen“, gibt Tritschler zu.

 

Die Presse wurde streng kontrolliert

Aber solche Personalien gehören vielleicht zum Konzept der Jungen Alternative dazu, die „frecher“ (Tritschler) und „mutiger“ (Ritz), als die Mutterpartei sein will. Ein bisschen repressiver wohl auch: Während Lucke beim Parteitag in Erfurt lautstark die Medien und ihre ungerechte Berichterstattung über die AfD schalt, beschloss die JA, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Die Journalisten, die an der Veranstaltung gestern teilnehmen wollten, mussten sich vertraglich dazu verpflichten Namensschilder gut sichtbar zu tragen und nicht mehr als zehn Minuten Filmmaterial zu veröffentlichen. Wer sich nicht daran halte, müsse 10.000 Euro zahlen, stand im Vertrag.

 

Partei "in progress"

Mit der Kampagne „Ich bin keine Feministin“ hatte die Jung-Partei vor zwei Wochen zum ersten Mal bewiesen, dass sie noch rückwärtsgewandter als die AfD ist. Mit Noltes Bananeneklat und der Anti-Europa-Veranstaltung in Köln bastelt die Junge Alternative weiter an ihrem Ruf. Vielleicht besuchen als nächstes ja Marine Le Pen oder Geert Wilders die Jung-Partei. Mit denen können sie zwar nicht im europäischen Parlament koalieren, aber irgendwann lösen diese Leute ja den AfD-Vorstand ab. Da ist es doch gut, seine europäischen Freunde zu kennen. Denn die AfD ist ganz offensichtlich eine Partei „in progress“ – es ist völlig offen, wohin sie sich entwickeln wird. Ginge es nach dem Nachwuchs, jedenfalls weiter nach rechts.