"Jos" von der Wehrsportgruppe G.I.R.L.

Erstveröffentlicht: 
26.01.2014

Im Luxemburger Bombenlegerprozess bröckelt der Korpsgeist. Von Markus Kompa.

 

Ein Jahr nach Beginn der spektakulären Strafverhandlung in Luxemburg gegen zwei angeklagte Elitepolizisten verdichten sich nun die Verdachtsmomente gegen deren inzwischen verstorbenen Kollegen Jos Steil. Nachdem letzte Woche bei einigen Zeugen die Erinnerung einsetzte, dass beim eher symbolischen Attentätchen auf den EU-Gipfel 1985 der Sprengsatz angeblich aus einem Auto der Spezialeinheit geworfen wurde, sagten nun Zeugen zur Identität des Insassen aus. Während etliche der Polizisten über zwei Jahrzehnte hinweg an „Gedächtnisschwächen“ litten, vor Gericht logen oder lieber ihren Hut nahmen, als zur Aufklärung beizutragen, zeichnet sich nun ab, wer wohl im weißen Wagen saß, aus dem das Bömbchen geworfen worden sein soll: der verstorbene Elitepolizist Jos Steil.

 

Jos Steil war die rechte Hand Ben Geibens gewesen, dem Gründer der Eliteeinheit Brigade Mobile de Gendarmerie (BMG), die auch für den Luxemburger Geheimdienst SREL Aufträge erledigte. Nach Geibens unverhofftem Abgang wurde Steil als Kandidat für die Nachfolge übergangen. Bei seinen Leuten galt Steil als zwielichtig, er pflegte offenbar Kontakte ins Luxemburger Unterwelt-Milieu. Einem offensichtlich bestehenden Korpsgeist huldigend mochte keiner der Polizisten genauer werden. Allerdings soll Steil im Suff sogar behauptet haben, die Bombenleger zu kennen. Da beim Kasematten-Attentat mindestens drei Täter beobachtet wurden, müssen es mehrere gewesen sein. Auch Geiben soll sich einmal (scherzhaft?) gebrüstet haben, „der Bombenleger“ zu sein.

 

Im Dezember berichtete ein TV-Team, ein Zeuge habe sogar behauptet, Jos Steil als seinen Ausbilder „Jos“ in einer Wehrsportgruppe wiedererkannt zu haben. So hätten Steil und andere Polizisten Anfang der 1980er Jahre Jungs in der „Groupe d'intervention et de recherche Luxembourg“ (G.I.R.L.) paramilitärisch ausgebildet, etwa im Bombenbau aus Taschenlampen – wie geschehen beim Anschlag auf den Flughafen. In der Gruppe habe es geheißen, dass man „linkes Pack“ am besten in die Luft sprenge. Derartige „Terror-Scouts“ würden perfekt zu einer Verwicklung des ultrageheimen Stay-Behind-Programms der NATO passen, dessen Luxemburger Ableger „Plan“ national gesinnten Nachwuchs rekrutieren musste. Bei Stay Behind waren insbesondere Attentate auf Versorgungseinrichtungen geübt worden, etwa auf Strommasten – was in Luxemburg geschah. Vor Gericht jedoch bestritt der Zeuge seine Aussage über Steil. Es müsse sich um einen anderen „Jos“ gehandelt haben, mit Sprengstoff habe man gar nicht hantiert. Die TV-Journalisten bleiben bei ihrer Darstellung. An unzuverlässigen Zeugen gibt es in diesem Prozess keinen Mangel.

 

Inzwischen hat der Luxemburger Verfassungshof entschieden, dass die Prinzen als Zeugen aussagen müssen. Zwar hatten diese ohnehin darauf verzichtet, sich auf ihre hoheitlichen Privilegien zu berufen, dennoch ist die Entscheidung wegen des im katholischen Luxemburg bedeutsamen Adels nicht uninteressant. Die Prinzen hatten mit der BMG schon wegen des Personenschutzes zu tun. Prinz Jean war damals beim britischen Militär ausgebildet worden und wäre etwa für die NATO wohl der perfekte Ansprechpartner für Geheimnisvolles gewesen. Bei einem der Attentate will ein inzwischen verstorbener Zeuge den Prinz sogar erkannt haben. Dass höchste Kreise verstrickt sein dürften, ist angesichts des Aussageverhaltens der eingeschüchterten Polizisten bis rauf zum zurückgetretenen Polizeichef naheliegend.