Ilmenau: Besetzung beendet

Ilmenau: Besetzung beendet 1

Mehr als acht Stunden war die Langewiesener Straße 17 in Ilmenau am vergangenen Samstag besetzt. Die Besetzer_innen kämpfen für sozialen Wohnraum und alternative Projekte. Nachdem die Polizei sich Stunden nur sporadisch blicken ließ, brachte sie gegen Abend ihre Schlägereinheiten in Anschlag und erzwang so die Räumung des Gebäudes. Später demonstrierten ca. 40 Besetzer_innen und Unterstützer_innen spontan durch die Innenstadt.

Als am Morgen des 19. Oktober in Ilmenau das Geschäftsleben erwachte und die ersten Leute mit ausdruckslosen Gesichtern die Langewiesener Straße Richtung Kaufland entlang trotteten, schien der Kleinstadt ein gewöhnlicher Samstag in der Südthüringer Ödnis bevorzustehen. Dass dieser Samstag allerdings für einige Aufregung sorgte, ist das Verdienst einer Gruppe von Hausbesetzer_innen, die ein leerstehendes Gebäude öffneten, begehbar machten und dort mit den Planungen und Arbeiten für sozialen Wohnraum und kulturelle Projekte begannen. Aus den Fenstern der Langewiesener Straße 17 hingen ab 9 Uhr zahlreiche Transparente, die klar machten, was sich hier abspielte. Die Tür war einladend weit geöffnet. Vor dem Gebäude sammelte sich eine Gruppe von mehr und mehr Unterstützer_innen. Es gab Kaffee, Kuchen, warmes Essen und allerlei Infomaterial, das auch an Passant_innen und Anwohner_innen verteilt oder vom Wind durch die halbe Stadt getragen wurde. Bei Sonnenschein und milden Temperaturen machte es sich eine schwarz-bunte Menge auf Teppichen und Bordsteinkanten gemütlich.

Die Polizei ließ sich das erste Mal nach mehr als einer Stunde blicken, erkundigte sich nach dem Sachstand und fuhr dann wieder weg, den Besetzer_innen viel Erfolg bei ihrem Projekt wünschend. Die Situation war kurz gesagt entspannt und unwirklich zugleich. Anstatt, wie etwa in Erfurt, sofort einen Kessel ums Gebäude zu ziehen und die Menschen vor dem und im Haus zu drangsalieren, schien die Staatsmacht gänzlich uninteressiert am Treiben der Besetzer_innen. Es entstand der Eindruck, als könnte das Gebäude zumindest über das Wochenende hinweg gehalten werden. Warum die Polizei gegen Abend umschwenkte und sich doch entschloss die heilige kapitalistische Eigentumsordnung durchzusetzen, die besagt, dass Leerstand lieber vergammeln soll als für soziale und kulturelle Projekte genutzt zu werden, wissen wir nicht. Fakt ist, dass spätestens ab 16.30 Uhr im Bereich der Polizeiinspektion etwa ein dutzend mit verbeamteten Schlägern voll beladene Wannen zusammengezogen wurden. Die Polizei baute sukzessive ein Bedrohungsszenario gegen die Besetzer_innen auf. Ab etwa 17 Uhr kam eine Delegation aus Polizeichef, Vertretern von Stadt, Ordnungsamt und Immobilienverwaltung zum Haus, um vor Ort die gesetzliche Lage zu erläutern und die Räumung anzukündigen, sollte nicht innerhalb kurzer Frist das Gebäude „freiwillig“ verlassen werden. Als Grund wurde die Sicherheit der Leute im und vorm Haus angeführt, wegen der angeblichen Baufälligkeit des Hauses und einem Schwamm im Gebälk. Dass die vermeintliche Sicherheit der Menschen dann in Konsequenz mit physischer Gewalt und ohne Rücksicht auf die körperliche Unversehrtheit der Besetzer_innen durchgesetzt werden sollte, ist nur die logische Folge der Lüge von der Baufälligkeit als Räumungsgrund. Nach kurzer Beratung entschlossen sich die Besetzer_innen dem Druck nachzugeben und den Kompromiss (ein Verhandlungsangebot seitens der Stadt) anzunehmen. Gegen 18 Uhr war das Haus geräumt und wurde von Angestellten der Stadt wieder verschlossen. Nach Auskunft der Behörden soll das Gebäude demnächst abgerissen werden. Die meisten Besetzer_innen und Unterstützer_innen kamen davon, ohne ihre Personalien abzugeben. Wer im Anschluss an die Aktion Vorladungen, Strafbefehle oder derlei erhält, den bitten wir mit der Roten Hilfe Südthüringen Kontakt aufzunehmen. Niemand soll auf den Kosten allein sitzen bleiben.

Gegen 19 Uhr versammelten sich noch einmal ca. 40 Besetzer_innen und Unterstützer_innen am Wetzlarer Platz, um gegen die Räumung und für das Anliegen, sozialen Wohnraum und Platz für kulturelle Projekte zu schaffen, spontan zu demonstrieren. Lautstark zog die Demonstration durch die Innenstadt, die in Ilmenau um diese Zeit leider so tot war, wie das alternative Kulturleben der Stadt.

Im Zuge der Besetzung solidarisierten sich nicht nur zahlreiche Anwohner_innen, sondern auch viele linke Gruppen und Projekte aus Thüringen, wie etwa die Genoss_innen vom JU.W.E.L. in Gotha oder die FAU Thüringen. Die erfahrene Solidarität, das brachte ein Vertreter der Initiative zur Abschlusskundgebung zum Ausdruck, macht Mut, weiter zu kämpfen. Besetzen fetzt!

Homepage des (geräumten) Projekts: http://long17.blogsport.eu/

Homepage des Antifa Infoportals Südthüringen: www.agst.afaction.info