Zwei Jahre einseitige baskische Friedensbemühungen

Solikundgebung am 12.10. in Berlin

Während die baskische Linke zwei Jahre nachdem die ETA die "endgültige Einstellung" ihres bewaffneten Kampfs verkündete, weiter einseitige Schritte im Friedensprozess geht, setzt Spanien weiter auf Repression. Vergangene Woche begannen zwei Massenprozesse gegen Jugendliche und gegen Führungspersönlichkeiten der baskischen Linken vor einem spanischen Sondergericht. Doch heute dürfte der Prozess aus Straßburg vorangetrieben werden. Der Menschenrechtsgerichtshofs entscheidet endgültig über die spanische Parot-Doktrin. Der Gerichtshof hatte schon einstimmig geurteilt, die Baskin Inés del Río "so schnell wie möglich" freizulassen. Spanien legte dagegen Widerspruch ein, dass rückwirkende Anwendung neuer Gesetze abgelehnt wurde, mit der die Strafen für zahlreiche Basken verlängert wurden. Del Río hätte den Knast 2008 verlassen müssen, wie sie dürften Dutzende Gefangene freikommen, wenn alles heute so läuft, wie es Spanien befürchtet.

 

Zwei Jahre ist es her, als im baskischen Seebad Donostia-San Sebastian eine internationale Friedenskonferenz stattfand, die das Ende des bewaffneten Kampfs der Untergrundorganisation ETA besiegelte. Der blieb kein anderer Weg und vor genau, da auch die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung von ihr öffentlich forderte, den Kampf nach 50 Jahren einseitig und ohne Bedingungen einzustellen. Sie erklärte vor genau zwei Jahren: "Die ETA hat die endgültige Einstellung der bewaffneten Aktivitäten beschlossen." Sie appelliert an die am Konflikt beteiligten Staaten Spanien und Frankreich, "einen direkten Verhandlungsprozess zu starten, der als Ziel eine Lösung für die Konsequenzen des Konflikts und damit ein Ende des bewaffneten Konflikts hat" (deutsche Übersetzung).

 

Unter Beteiligung des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan und Friedensnobelpreisträgern war eine Marschroute ausgearbeitet worden. Doch während die ETA die Forderungen erfüllte, weigern sich Spanien und Frankreich weiter, auch nur über die Abgabe der Waffen und die Konfliktfolgen mit ihr zu verhandeln, wie es die Roadmap vorsieht.

 

Viele im Baskenland glauben, Spanien setze auf Provokation, um die ETA oder eine Abspaltung dazu zu bringen, weiter mit Gewalt für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland einzutreten. Das ist eine zentrale Befürchtung von Arnaldo Otegi, wie er in seinem Buch "Lichtblicke im Baskenland" darlegt, das in Kürze auch in deutscher Übersetzung erscheinen wird und er den Schwenk und die Verhandlungsprozesse beschreibt.  In diesem Sinne wurden kürzlich die Büros der Gefangenenhilfsorganisation Herrira (Nach Hause) gestürmt, 18 Führungsmitglieder verhaftet und die Organisation faktisch verboten.  Dazu passt auch, dass vergangene Woche zwei neue Massenprozesse begonnen haben. In der spanischen Hauptstadt Madrid wird gegen 40 Jugendliche zu Gericht gesessen, die angeblich Führungsaufgaben in der Jugendorganisation Segi (Weitermachen) übernommen haben sollen. Die wurde in Spanien 2002 verboten, weil sie angeblich im Dienst der ETA stand.

 

Nach 11 Jahren hat vergangenen Donnerstag vor dem Nationalen Gerichtshof auch der Prozess gegen 36 ehemalige Führungsmitglieder der 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit) begonnen. Auch ihnen wirft das Sondergericht vor, Mitglieder oder Unterstützer der ETA zu sein, wofür Haftstrafen zwischen acht und zwölf Jahren drohen. Über die Sozialzentren der Partei – den "Herriko Tabernas" -, die es in jeder Stadt und vielen Dörfern gibt, soll angeblich die ETA finanziert worden sein, was die Beschuldigten weit von sich weisen. Dass sie nach einer kurzen Schließung und Buchprüfung wieder geöffnet wurden , sprach schon damals nicht für die Anschuldigungen.

 

Dass die ETA der Partei die Linie vorgab, wies Rufi Etxeberria am Freitag zurück. "Wir haben stets eigenständig gearbeitet", sagte er.  Das hat auch die Geschichte bestätigt, denn es waren Leute wie der Batasuna-Chef Arnaldo Otegi, Etxeberria und andere, die die ETA vom Gewaltkurs abgedrängt haben. Das bestätigen auch internationale Vermittler, denen sich in den Friedensverhandlungen 2006/2007 klar unterschiedliche Positionen deutlich gezeigt wurden.

 

Letztlich hat sogar das spanische Verfassungsgericht eine Kehrtwende anerkannt und hob das Verbot der neuen Partei Sortu (Aufbauen) im Frühjahr auf.  Die Partei, in der ehemalige Batasuna-Führungsmitglieder erneut in der Leitung sind, lehnt Gewalt klar ab. Der ehemalige Batasuna-Parteisprecher und neuer Sortu-Sprecher Joseba Permach, der auch angeklagt ist, geht davon aus, dass mit dem Prozess die politische Arbeit von Sortu und der linken Unabhängigkeitsbewegung behindert werden soll. "Nichts wird den Friedensprozess ins Wanken bringen", erklärte er aber.  Sortu die federführend in der Linkskoalition Bildu (Sammeln) ist, wurde auf dem Weg bei den Wahlen zweitstärkste Kraft und regiert mit Donostia-San Sebastian die erste Großstadt und die Provinz Gipuzkoa, in der sie liegt.  


Hier fand kürzlich die zweite Friedenskonferenz statt, zu der der Bildu-Bürgermeister Juan Karlos Izagirre Kollegen aus aller Welt einlud, um sich über Erfahrungen in Friedensprozessen zu sprechen. Zwar nahmen die spanischen Sozialisten erneut nicht offiziell teil, doch ihr Bürgermeister der baskischen Stadt Irun lobte ausdrücklich die Initiative von Izagirre. “ Ich würde mich freuen, wenn dieser Vorgang nicht mit der Konferenz endet”, hofft er auf weitere Annäherung.

 

© Ralf Streck, den 21.10.2013

 

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