Rechtsextremistische Überfälle: Griechische Neonazis verklagen Journalisten

Erstveröffentlicht: 
22.09.2013

Die rechtsextreme "Goldene Morgenröte" wird für brutale Übergriffe in Griechenland zur Rechenschaft gezogen. Doch die Neonazis schlagen zurück: Die Partei verklagt Journalisten wegen Verleumdung, diese werden jetzt sogar polizeilich gesucht.

 

Seit Wochen bemühen sich griechische Journalisten, die brutalen Anschläge auf Einwanderer, Politiker und linksgerichtete Aktivisten in Griechenland aufzuklären. Die Übergriffe werden der rechtsextremen Partei Chrysi Avgi ("Goldene Morgenröte") zugeschrieben, deren Anhänger auch im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Tod eines griechischen Musikers festgenommen wurden. Doch nun werden die Journalisten selbst von der Polizei gesucht. Die "Goldene Morgenröte" hat einen Prozess gegen Medienvertreter angestrengt - wegen Rufmordes.

Den Rechtsextremen geht es unter anderem um ein Interview, das die investigative Journalistin Maria Psara, 37, mit einem anonymen Aussteiger aus der "Morgenröte"-Partei geführt hatte. Der ehemalige Aktivist beschrieb darin, wie die Partei mit Hilfe von "Überfall-Milizen" Angriffe auf Immigranten organisierte. Maria Psara ist eine der 14 Journalisten, Medienchefs, TV-Sprechern und -Kommentatoren, die in der Anklageschrift der "Goldenen Morgenröte" auftauchen.

Journalistin Psara berichtete SPIEGEL ONLINE von einem unbekannten Aufenthaltsort aus, dass sie von Anhängern der Chrysi Avgi bedroht worden sei, nachdem sie gemeinsam mit einem Kollegen das Interview mit dem ehemaligen Parteimitglied veröffentlicht hatte. Die Partei fühle sich provoziert, da ihr Interviewpartner aus der gleichen Parteizweigstelle stamme wie der Neonazi Giorgos Roupakias, 45. Er wurde im Zusammenhang mit dem Mord an dem bekannten Rapper und linken Aktivisten Rapper Fyssas, 34, festgenommen. Die Partei selbst hatte jede Verstrickung in die Tat bestritten.

Auch Parteichef wird beschuldigt

Die "Goldene Morgenröte" behauptet, das Interview mit dem Aussteiger sei erfunden und bezeichnet die mediale Berichterstattung über den Mord als "Verleumdung gegen die drittgrößte politische Partei des Landes". In der Anklage fordern die Neofaschisten, die Journalisten einzusperren, denn andernfalls würde der "Staat selbst die illegale Propaganda gegen die Partei koordinieren".

Journalistin Psara kündigte SPIEGEL ONLINE ein zweites Interview an, das sie und ein Kollege mit einem aktiven Mitglied der "Goldenen Morgenröte" geführt haben. Es soll am Montag in der Tageszeitung "To Ethnos" erscheinen. Der Neonazi bestätigt darin alles, was der Aussteiger über die Partei berichtet hatte, und verwickelt auch Parteichef Nikolaos Michaloliakos in den Mordanschlag. "Er sagte, Michaloliakos müsse in jedem Fall davon gewusst haben", so Psara. "Weil unser Informant aber den Mord verurteilt, willigte er ein, mit uns zu sprechen."

Der Rapper Fyssas ist das erste griechischstämmige Opfer der zunehmenden sozialen Unruhen in Griechenland. Seit Chrysi Avgi im Juni 2012 ins griechische Parlament gewählt wurde, wird die Partei für mehrere Angriffe auf Einwanderer, Politiker und linksgerichtete Aktivisten verantwortlich gemacht. Bisher allerdings blieb die Partei weitgehend unbehelligt. Erst der Mord an dem 34-jährigen Rapper Fyssas sorgte für landesweite Empörung und Ausschreitungen in mehreren Städte.

Gezielte Straftaten

In der Presse wurde die "Goldenen Morgenröte" seitdem weiterer Taten bezichtigt. "Ethnos" berichtete, dass Übergriffe auf Immigranten gängige Praxis seien und Teil eines Initiationsritus für neue Parteimitglieder. In einem Fall sollen demnach die Neonazis den Kopf eines Pakistaners mit Füßen getreten haben, "als sei es ein Fußball".

Der Fernsehsender Skai berichtete mit Berufung auf den Präsidenten der pakistanischen Gemeinschaft, dass die "Goldene Morgenröte" für mehr als 900 Übergriffe auf Pakistaner verantwortlich gemacht wird. Auch über die Existenz einer paramilitärischen Einrichtung mit 3000 Kämpfern, die von ehemaligen Armeeoffizieren trainiert werden sollen, wurde geschrieben. Andere Berichte mutmaßten die Existenz organisierter Gruppen der "Goldenen Morgenröte" in Schulen.

Die Parteichefs aller anderen Parteien verurteilten in der Sonntagszeitung "To Vima" die "Goldene Morgenröte". "Die Demokratie ist nicht wehrlos", sagte Premierminister Antonis Samaras, "wir haben Mittel, um uns gegen solche Provokationen zu wehren." Alexis Tsipras, Chef des Linksbündnisses Syriza, nannte den Kampf gegen die "Goldene Morgenröte" einen "Kampf für die Demokratie".

Landesweite Razzien

Auch die griechischen Behörden gehen gegen die Rechtsradikalen vor. Bei Razzien überall im Land wurden Parteimitglieder und Neonazis aus dem Umfeld der Partei festgenommen. Fünf Menschen wurden am Freitag in Thessaloniki in der Nähe eines Parteibüros festgenommen. Sie trugen Tränengas und Klappmesser bei sich. Auf Anweisung des Ministeriums für öffentliche Ordnung werden künftig alle Ermittlungen zu Gewalttaten, hinter denen Chrysi Avgi stehen soll, von den Anti-Terror-Diensten übernommen.

Am Donnerstag sandte der Minister für öffentliche Ordnung dem Staatsanwalt am Obersten Gericht rund 30 Dossiers zu mutmaßlichen Gewaltakten von Chrysi-Avgi-Mitgliedern zu, um die Ermittlungen zu beschleunigen. Gleichzeitig kündigte er eine Verschärfung der Strafgesetze gegen die "organisierte Kriminalität" an.

Die Popularität der Neofaschisten in der Bevölkerung hat unter dem Mord an Rapper Fyssas und den nachfolgenden Aufdeckungen stark gelitten. Unterstützten in der Woche zuvor noch etwa 15 Prozent der Griechen die Partei, sank ihr Wert in einer Umfrage für "Ethnos" nach dem Mord auf knapp acht Prozent.

 

Von Giorgos Christides, Thessaloniki