Rhein-Pfalz-Kreis Umstrittene Entwürfe für umkämpften Gedenkstein

Erstveröffentlicht: 
22.07.2013

Ein Gedenkstein bei Iggelheim erinnert an das Gefangenenlager, in dem deutsche Soldaten nach Kriegsende eingepfercht wurden. Doch das Mahnmal zieht immer wieder die Falschen an. Um rechtsextremen Umtrieben ein Ende zu setzen, will ein Arbeitskreis die Gedenkstätte umgestalten. Diese Idee allerdings hat auch Gegner.

 

Böhl-Iggelheim - Helme mit heruntergelassenem Visier auf dem Kopf, Schutzwesten um den Oberkörper, Panzer an den Schienbeinen: Polizisten in voller Kampfmontur eskortieren ein paar Rechtsextreme durch Böhl-Iggelheim. So war es im Jahr 2009, so war es 2010 - und so soll es nicht noch einmal sein, meint der lokale Arbeitskreis ”Für Vielfalt und gegen Extremismus” unter der Führung von Werner Scarbata.

 

Doch er will die Besucher mit der bräunlichen Gesinnung mit Mitteln vergraulen, die im Ort nicht unumstritten sind. Die Aktivisten schmieden Pläne für den Gedenkstein zwischen den beiden Ortsteilen, der die NPD-Anhänger anzieht. Das Mahnmal erinnert an das Rheinwiesenlager Nummer 17. Dort hatten die Amerikaner in den ersten Monaten nach dem Kriegsende 50.000 Menschen unter freiem Himmel zusammengepfercht: deutsche Soldaten, Hitlerjungen, SS-Leute, Angehörige des Volkssturms, verdächtige Zivilisten.

 

Einwurf Der falsche Weg
Von Christoph Hämmelmann

Der Böhl-Iggelheimer Gedenkstein ist geschändet worden: einmal mit rosa Farbe. Und mehrfach von Rechtsextremisten. Mit ihren Märschen trampeln sie auf dem Andenken der Lagerinsassen herum. Dass die unter elenden, für viele tödliche Bedingungen zusammengepfercht wurden, ist nicht in erster Linie auf Rachegelüste der Amerikaner zurückzuführen. Schuld war die katastrophale Versorgungslage nach den Verwüstungen des Krieges. Diesen Krieg hatten die Nationalsozialisten vom Zaun gebrochen. Also waren die Lagerinsassen tatsächlich Nazi-Opfer, wenn auch in einem speziellen Sinn. Doch das wird nur deutlich, wenn es einen Gedenkstein gibt, der speziell ihnen gewidmet ist. Ihn zum allgemeinen Anti-Rassismus-Monument umzudeuten, ist der falsche Weg, um ihn vor Schändung zu schützen.

Wie viele von ihnen dort starben, ist bis heute unerforscht geblieben. Dass seit 1995 der Gedenkstein an ihr Schicksal erinnert, dafür hat der Heimat- und Geschichtsverein gesorgt. Dessen Vorstand ist jetzt besorgt. Denn der Anti-Rassismus-Arbeitskreis hat Ideen für eine Umgestaltung des Mahnmals gesammelt. Insgesamt 19 Vorschläge haben Schüler einer Kunstklasse der Mutterstadter Gesamtschule gemacht. Und einige sind ziemlich radikal ausgefallen.

Beispiel: das Konzept ”Krone der Vielfalt”. Dafür sollen drei Bäume so um den Stein herum gepflanzt und zusammengebunden werden, dass sie miteinander verwachsen, das Mahnmal vielleicht sogar ganz verbergen. Oder der ”Spiegel der Gesinnung”: Da würde der Stein hinter reflektierenden Flächen verschwinden, wäre nur noch durch einen schmalen Spalt zu erreichen. Und aus dem Gedenkort für die Opfer des Lagers würde ein Mahnmal gegen Rassismus.

Scarbata findet diese Umdeutung durchaus passend. Seine Argumentation: Die Lagerinsassen seien nur deshalb in Gefangenschaft geraten, weil Nazi-Deutschland den Krieg begonnen hatte. Also seien sie mit unter die Opfer des Nationalsozialismus zu rechnen. Irma Nonnenmacher vom Heimat- und Geschichtsverein dagegen findet, dass ihnen auch weiterhin eine eigene Gedenkstätte gebührt. Weil ihnen hier eigenes Unrecht geschehen sei: ”Das waren doch nicht alles Nazis. Das waren einfache Soldaten, die mussten doch in den Krieg.”

Und dem Anti-Extremismus-Arbeitskreis misstraut sie ohnehin. Sie erinnert an einen Vorfall im Jahr 2009: Damals war der Gedenkstein vor einer NPD-Demo mit rosa Farbe beschmiert worden. Was Nonnenmacher als Schändung empfand, bewertete Scarbata ganz anders: ”Irgendwie sah der Stein mit der rosa Farbe ja auch lustig aus”, hatte er später in einem Interview gesagt.

Doch trotz solcher Vorgeschichten gibt es für beide Seiten keinen Grund, sich um den Stein zu streiten, meint Böhl-Iggelheims Bürgermeister Peter Christ (CDU). Denn er versichert: Niemand hat die Absicht, den Gedenkstein wirklich umzugestalten. Was ihm Irma Nonnenmacher nicht ganz abnimmt: ”Ich glaube das nicht.” Und tatsächlich hat Scarbata nicht vor, die Ideen der Mutterstadter Gesamtschüler einfach wieder in die Schublade zu packen.

Erst einmal habe der Arbeitskreis noch andere Projekte, zum Beispiel die Verlegung von ”Stolpersteinen” im Ort, sagt er. Doch danach wolle die Gruppe sich wieder dem Gedenkstein und seiner Gestaltung zuwenden. Denn Scarbata ist sich ziemlich sicher: Rechtsextremisten werden sich nicht mehr von Polizisten in voller Kampfmontur durch den Ort eskortieren lassen, wenn sie dann vor einer Gedenkstätte für Opfer des Nationalsozialismus und Rassismus stehen. Von Christoph Hämmelmann