Reitschule hat «Tanz dich frei» subventioniert

Erstveröffentlicht: 
19.06.2013

Offiziell ging die Reitschule stets auf Distanz zu den anonymen Organisatoren von «Tanz dich frei». «Bund»-Recherchen zeigen nun: Das Kulturzentrum hat die Hintermänner der Tanzdemo finanziell unterstützt.

 

Reto Nause ist kein Weg zu weit. Der Berner Sicherheitsdirektor legt sich aktuell mit dem irischen Europa-Hauptsitz von Facebook an, um zu erfahren, wer sich hinter dem Aufruf zu «Tanz dich frei» (TDF) verbirgt. Jener Demo, die Ende Mai von schweren Krawallen überschattet wurde. Vielleicht sollten die Strafverfolgungsbehörden ihr Augenmerk wieder auf die nähere Region Bern legen.

«Bund»-Recherchen zeigen, dass das autonome Kulturzentrum Reitschule, das von der Stadt Bern subventioniert wird, den Hintermännern von TDF finanziell unter die Arme gegriffen hat. Es liegt damit auf der Hand, dass die Reitschule zumindest von einigen Personen im Umfeld der TDF-Organisatoren die Namen und Kontoverbindungen kennt. Und dass die Reitschule über einen direkten Draht zu den Hintermännern der eskalierten Tanzdemo verfügt. Ob die Urheber des Demo-Aufrufs bei den Krawallen mitmischten, ist ungeklärt.

Geld stammt aus dem «Pool»

Mehrere Personen aus der Reitschule bestätigen gegenüber dem «Bund», dass bei der Koordinationsgruppe des Kulturzentrums im Frühling ein Antrag zur finanziellen Unterstützung der TDF-Organisatoren eingegangen ist. Das Geld sollte dem sogenannten Pool entnommen werden. Einem Fonds, der unter anderem zur Finanzierung von Veranstaltungsdefiziten, Infrastrukturkosten und politischen Aktionen dient und aus einer Alkoholgebühr gespeist wird. Über mehrere Wochen hat sich die Koordinationsgruppe, die sich aus Delegierten der einzelnen Reitschule-Räume zusammensetzt, mit dem Antrag auseinandergesetzt. Reitschüler schildern die Diskussionen als sehr intensiv. Insbesondere vonseiten der Kulturschaffenden habe es Widerstand gegen die TDF-Subvention gegeben. Nach langer Auseinandersetzung gaben sie klein bei: Das Gesuch wurde mit Konsens bewilligt.

Wie hoch der Beitrag ausfiel, ist offen. Die Mediengruppe der Reitschule wollte sich gestern auf Anfrage nicht zur Sache äussern. «Es handelt sich um einen symbolischen Betrag», sagt ein Aktivist, der über eine Arbeitsgruppe vom Gesuch erfahren hat. Eine andere Person sagt, der Beitrag bewege sich im ähnlichen Rahmen wie 2012.

Bereits letztes Jahr beteiligte sich die Reitschule an den Kosten der Tanzdemo. Damals aber unter anderen Vorzeichen: Die von Regierungsstatthalter Christoph Lerch (SP) verfügten Zwangsmassnahmen hatten den politischen Druck auf die Reitschule akzentuiert – und so eine Solidarisierung mit den Tanzdemo-Leuten bewirkt. Viele andere Clubs und Lokale schlossen sich dem Protest an. 2013 jedoch stand die Demo von Anfang an unter einem schlechten Stern. Nicht zuletzt, weil die Organisatoren den Dialog mit den Behörden beharrlich verweigerten. Am Tag des Umzugs markierte die Reitschule demonstrativ Distanz zu TDF: Veranstaltungen wurden abgesagt, die Lichter gelöscht, die Türen zugesperrt.

Strafaktionen gegen Kulturtäter?

Die finanzielle Unterstützung zeigt nun zweierlei: Erstens hat die Reitschule eine grössere Nähe zu den Organisatoren als bisher bekannt; auch hierzu wollte sich die Reitschule gestern nicht äussern. Zweitens werfen die Auseinandersetzungen um den TDF-Antrag ein Schlaglicht in die Reitschule-Strukturen: Dort findet offensichtlich ein Richtungskampf statt. Auf der einen Seite stehen dabei die «Politos», die sich mit linker Politik, Protest und Demos wie TDF befassen. Auf der anderen Seite stehen die «Kulturtäter», die ihre Aufgabe im Ermöglichen von – durchaus politischen – Kulturdarbietungen sehen. Grundsätzlich ist dieser Konflikt zwar so alt wie die Reitschule selbst. Manche Beobachter sagen jedoch, dass er jüngst wieder aufgeflammt sei.

Zum Beweis verweisen sie auf einen Vorfall, der sich erst kürzlich ereignete: Eines Nachts wurde die Eingangstüre des Tojo-Theaters im Innenhof der Reitschule versprayt, zudem wurde ein Einlassschild beschädigt. «Das könnte eine Bestrafungsaktion gewesen sein», sagt ein Insider. Schliesslich habe das Tojo zu den Kritikern des TDF-Gesuchs gezählt. Ein anderer Insider glaubt nicht an diesen Zusammenhang.

Der ominöse Schriftzug

Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass ein Kulturraum durch andere Reitschüler angegriffen wird. Ein Kenner des Zentrums erinnert im Gespräch an einen Vorfall vom Herbst 2011. Damals empfing die Reitschule die Teilnehmer des SVP-Familienfests mit dem auf dem Dach prangenden Graffito «Welcome to Hell». Einige Wochen nach dem Fest war der Schriftzug teilweise überpinselt, neu hiess er nur noch «Welcome». Das brachte die Gerüchteküche in der Reitschule zum Brodeln: Der Verdacht fiel dabei auch auf das Tojo. Wenige Tage später war der Eingang zum Theater versprayt und beschädigt. Wie sich später herausstellte, waren es die Stadtbehörden, welche die Übermalung des Schriftzugs angeordnet hatten.

Alle fünf Personen, die dem «Bund» Auskunft gegeben haben, bestehen darauf, anonym zu bleiben. Manche befürchten ernsthafte Konsequenzen im Falle einer Enttarnung. Personen, die sich in den Reitschule-Strukturen bewegen, sind grundsätzlich nicht befugt, Interna an die Öffentlichkeit zu tragen. (Der Bund)