Kapitalismuskritik bleibt verfassungsfeindlich

Erstveröffentlicht: 
12.06.2013

Die Existenz rechter Terrorgruppen ist weiterhin möglich - trotzdem hält der Verfassungsschutz an der Beobachtung von Kapitalismuskritikern fest

 

Der aktuelle Verfassungsschutzbericht [1], den Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Dienstag gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfS), Hans-Georg Maaßen, vorstellte, zeigt, dass sich auch nach dem Auffliegen der rechtsextremen Terrorgruppe NSU die Prioritäten nicht grundlegend verändert haben.

So vermeldet das BfS, dass die Zahl der Rechtsextremen im vergangenen Jahr leicht abgesunken sei – von 22.400 in 2011 auf nunmehr 22.150. Zum ersten Mal zählt das BfS auch die Anhänger von "pro NRW" mit, die vor allem mit gezielten Provokationen gegen Muslime auf sich aufmerksam machen. Die Gewaltbereitschaft in den rechtsextremen Kreisen steigt laut Verfassungsschutz hingegen stark an, zudem sei nahezu jeder zweite Rechtsextremist auch gewaltbereit. Vage werden die Aussagen, wenn es um die mögliche Existenz weiterer rechter Terrorgruppen geht. Dies sei „zumindest möglich“, auch sonstige militante Vorgehensweisen seien "vorstellbar".

Derart windelweiche Formulierungen können jedoch vor allem als Lehre aus dem NSU-Debakel verstanden werden. Immerhin haben Polizei, Verfassungsschutz und weite Teile der Politik bis dahin Rechtsterrorismus auf deutschem Boden für abwegig gehalten. So wirken die Worte im Jahresbericht vor allem wie eine Hintertür, die die Beamten nutzen können, sollte demnächst ein weiterer Skandal vor der Tür stehen.

Steckenpferd: Beobachtung linker Zusammenhänge

Ein besonderes Steckenpferd von Verfassungsschutz und Innenminister Friedrich bleibt nach wie vor die Beobachtung linker Zusammenhänge. Mehrfach betonte [2] Friedrich bei der Vorstellung des Berichtes, die Beobachtung von Teilen der Linkspartei stünde auf seiner Prioritätenliste ganz oben. Das Hauptproblem scheint dabei für die Verfassungsschützer die Kritik am Kapitalismus zu sein, die durch die Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa immer populärer wird – dabei schreibt das Grundgesetz keine Wirtschaftsordnung vor, sondern überlässt deren Wahl und Ausgestaltung prinzipiell den Bürgern und der Politik. Kapitalismuskritik an sich kann demnach nicht verfassungsfeindlich sein.

Dennoch beschreibt der Verfassungsschutzbericht ausdrücklich die Aktionstage "Blockupy Frankfurt" 2012 in seinem Abschnitt über Linksextremismus. Von den 20.000 Demonstranten in Frankfurt seien etwa 1.000 gewaltbereite Linksextremisten gewesen, die Polizeibeamte angegriffen hätten. Zudem hätten die Linksextremisten zu zivilem Ungehorsam aufgerufen. Auch die Kritik an der von Deutschland in den europäischen Krisenstaaten oktroyierten Sparpolitik hält der Verfassungsschutz für berichtenswert.

Dass sich der Verfassungsschutz ins besondere auch an dem für Linksextremisten "traditionellen Aktionsfeld Antifaschismus" stört, sorgt vor allem bei der Linkspartei für Empörung. "Antifaschistischer Widerstand gegen gewalttätige Neonazis ist legitim, nicht extremistisch", erklärte deren innenpolitische Sprecherin, Ulla Jelpke.

Gefahr durch Fundamentalisten

Ebenfalls von zentraler Bedeutung ist laut BfS der Zuwachs an islamistischen Fundamentalisten. Der islamistische Terrorismus sei weiterhin die größte Gefahr für Deutschland. Das Personenpotential sei von rund 38.000 in 2011 auf rund 42.500 in 2012 angestiegen. Was auf den ersten Blick nach einem sprunghaften Wachstum aussieht, ist jedoch in Wirklichkeit nur eine geänderte Zählweise. Erstmals sind nämlich auch Mitglieder oder Anhänger salafistischer Bewegungen eingerechnet worden. Deren Zahl setzt das BfS mit rund 4.500 Personen an, was den sprunghaften Zuwachs vollständig erklärt.

Links
[1] http://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2012-vorabfassung.pdf
[2] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kommentar/2139884/