Burschentag in Eisenach: Geschlossene Gesellschaft

Erstveröffentlicht: 
24.05.2013

Neuauflage des "Ariernachweises", Vorherrschaft völkischer Ideologen: Das Interesse an den Vorgängen in der Deutschen Burschenschaft ist groß - doch die stramm rechten Akademiker schotten sich bei ihrem Treffen in Eisenach ab.

 

Von Michael Stürzenhofecker, Eisenach

 

Sie behaupten gern, für Meinungsfreiheit und Einigkeit einzustehen, doch von Offenheit halten die Vertreter der Deutschen Burschenschaft (DB) wenig: Wenn sie bei ihrem Jahrestreffen im thüringischen Eisenach Kränze niederlegen, mit Fackeln marschieren und sich zur Aussprache treffen, bleiben sie gern unter sich - die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen.

 

Das gelte insbesondere für die Medien, mahnte Walter Tributsch, Pressesprecher des Dachverbandes, der inzwischen nur noch eine Minderheit der deutschsprachigen Burschenschaften vertritt. Eine einzige Pressekonferenz gab es zum Auftakt am Donnerstag, dabei soll es bleiben. Trotz Aufregung um die Neuauflage einer Art "Ariernachweises", den die Burschenschafter internen Unterlagen zufolge diskutieren wollen. Dabei geht es im Kern darum, wer deutsch genug ist für die Deutsche Burschenschaft.

 

Man habe schlechte Erfahrungen mit Journalisten gemacht, heißt es zur Begründung. Mit versteckten Kameras rund um das Burschenschaftsdenkmal wollen die stramm rechten Akademiker ungenehme Zaungäste aufspüren und direkt einem eigens eingeschalteten Sicherheitsdienst melden. Das 33 Meter hohe Bauwerk steht auf Privatgrund, das den Burschenschaften einst geschenkt wurde. In riesigen Lettern prangt der Wahlspruch der Bünde, "Ehre Freiheit Vaterland", auf dem Monument, davor wehen drei schwarz-rot-goldenen Fahnen.

 

Kritiker der Burschenschafter haben für Freitag zu Protesten aufgerufen. Etwa 250 Teilnehmer erwartet die Stadt Eisenach. Die Demonstrationen richten sich vor allem gegen den gewachsenen Einfluss rechstextremer und völkischer Ideologen, die in den vergangenen Jahren die Macht in der DB übernommen haben. Die Polizei will mit einem Großaufgebot den für den Abend geplanten Fackelzug der Burschenschafter und das anschließende Totengedenken schützen, bei dem traditionell alle drei Strophen des Deutschlandliedes gesungen werden. Denn in den vergangenen Jahren gab es Zusammenstöße.

 

Eisenachs Bürgermeisterin hätte die Burschenschafter gerne aus der Stadt


Bis zu tausend Burschenschafter hatte die DB zu dem Treffen nahe der Wartburg erwartet. Auf den Straßen Eisenachs sind sie allerdings kaum zu sehen - sie schotten sich ab. Die zumeist älteren Herren treffen sich im Dauerregen zum Biertrinken an DB-eigenen Ständen und Zelten. Wer keine Farben trägt, ist dort nicht willkommen.

 

Viele Eisenacher bekommen daher wenig mit von dem Burschenschaftstag in ihrer Stadt. Mütter wundern sich über eine belegte Sporthalle, in der das Training ausfällt. Mädchen drehen sich in der Fußgängerzone nach den wenigen Herren mit den seltsamen Kappen um. Die Burschenschafter würden in diesem Jahr wesentlich zurückhaltender auftreten, sagt der Inhaber eines Imbisses. Seinen Namen möchte er nicht nennen.

 

Mit der Einigkeit, die sie so gerne preisen, ist es bei den Burschenschaftern nicht mehr weit her. In den vergangenen zwei Jahren lieferten sich rechtsextreme und liberalere Gruppierungen einen Machtkampf. Zahlreiche liberalere Bünde haben den Dachverband daraufhin verlassen. 18 allein seit dem letzten Treffen, sagt der Sprecher des DB, Burkard Mötz. Eher zwei Dutzend, rechnen Kritiker der DB hoch. Der Dachverband repräsentiert nach eigenen Angaben inzwischen nur noch um die 100 der insgesamt rund 250 deutschen Burschenschaften. Interne Unterlagen, die SPIEGEL ONLINE vorliegen, deuten darauf hin, dass es noch weniger sind - und der Zustand der DB insgesamt desolat ist.

 

Zum Auftakt des Treffens in der Werner-Aßmann-Halle fordern einige Burschenschafter dann, eine Abstimmung über die sogenannten "Ariernachweis"-Anträge zu verschieben, um nicht noch mehr Unruhe zu erzeugen. Das wäre kontraproduktiv, entschied hingegen das Plenum. Burschen-Business as usual.

 

Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke) würde die Burschenschafter lieber heute als morgen aus der Stadt verbannen: "Ich mache keinen Hehl daraus, dass der Eisenacher Burschentag bei mir keine Glücksgefühle auslöst." Sie sieht jedoch keine Möglichkeit, die Versammlung zu verbieten. Denn Polizei und Verfassungsschutz hätten keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass "die DB insgesamt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung arbeite". Die Mietverträge der Stadt mit der Deutschen Burschenschaft hat Wolf inzwischen gekündigt. Sie gelten allerdings noch bis 2018.