Legte BND die Bombe?

Erstveröffentlicht: 
13.04.2013

Ein Bundeswehr-Hauptmann soll das Attentat auf das Münchner Oktoberfest im Jahre 1980 organisiert haben – die Medien in Deutschland interessiert das wenig Von Peter Wolter

 

Geht das Bombenattentat auf das Münchner Oktoberfest im Jahr 1980 auf das Konto des Bundesnachrichtendienstes (BND)? Sind deusche Staatsbedienstete verantwortlich für 13 Tote und 211 Verletzte?

Schon damals hatten zahlreiche Spuren auf die Verwicklung geheimer NATO-Truppen in die Mordtat hingewiesen – vielleicht gibt es jetzt auch handfeste Beweise: Der Duisburger Historiker Andreas Kramer hat in dieser Woche vor dem Luxemburger Kriminalgericht unter Eid ausgesagt, sein Vater habe dieses und andere Attentate eingefädelt. Details dazu beschreibt Kramer in einem Exklusiv-Interview mit der jW.

Kramer senior – ein Bundeswehr-Hauptmann, der auch für den BND gearbeitet haben soll –, hat demnach den aus US-Beständen stammenden Sprengstoff mit Hilfe des niederländischen Militärgeheimdienstes beschafft. Er habe auch den Bau der Bombe überwacht und den Attentäter Gundolf Köhler angeworben, sagte Kramer. Er habe in Deutschland etwa 50 geheime Waffenlager für die »Stay-behind«-Truppe der NATO angelegt und überwacht. Ihm hätten 350 Mann unterstanden, die vorwiegend in rechtextremen Kreisen rekrutiert worden seien.

Sein Vater sei im November gestorben, sagte Kramer weiter. Erst jetzt fühle er sich frei, sein Hintergrundwissen preiszugeben. Er werde dem Gericht Dokumente vorlegen, die seine Aussagen untermauern.

Auch bei den 18 Anschlägen, die es zwischen 1984 und 1986 in Luxemburg gab, sei sein Vater der Strippenzieher gewesen, sagte Kramer weiter. Wegen Beteiligung an dieser Bombenserie müssen sich zur Zeit zwei ehemalige Polizeibeamte vor dem Kriminalgericht verantworten. Kramer hatte davon erfahren und sich sofort als Zeuge zur Verfügung gestellt. Die Luxemburger Staatsanwaltschaft hat zusätzliche Kriminalisten angefordert, die den Vorwürfen nachgehen und auch den Nachlaß von Kramer senior sichten sollen.

Für Luxemburg ist das Verfahren vor dem Kriminalgericht so etwas wie ein Jahrhundertprozeß – die deutschen Medien haben ihn bislang allerdings ignoriert. Nicht zuletzt mit Blick auf den am Mittwoch in München beginnenden NSU-Prozeß wäre es angebracht, daß sich deutsche Ermittlungsbehörden einschalten. Laut Kramer stand sein Vater damals unter dem Befehl des deutschen NATO-Generals Leopold Chalupa.

Parlamentsausschüsse in Italien und Belgien hatten schon Anfang der 90er Jahre nachgewiesen, daß geheime NATO-Truppen in Mord- und Bombenanschläge in beiden Ländern verwickelt waren. Dazu gehörte die Explosion auf den Bahnhof der nord­italienischen Stadt Bologna, bei der 1980 85 Menschen getötet wurden. In der belgischen Provinz Brabant hatten zwischen 1982 und 1985 Vermummte wahllos in Supermärkte hineingeschossen und 28 Menschen umgebracht.

Wie der Schweizer Wissenschaftler Daniele Ganser herausfand, gab es ähnliche Aktionen auch in anderen NATO-Staaten – strategisches Ziel sei es gewesen, diese Anschläge Linken in die Schuhe zu schieben und so einen Rechtsruck zu befördern. Sollte diese Strategie beim Oktoberfest-Attentat eine Rolle gespielt haben, so ist sie gründlich daneben gegangen: Acht Tage danach wurde der 9. Bundestag gewählt – Unions-Spitzenkandidat Franz Josef Strauß (CSU) fiel durch, Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) wurde wiedergewählt.