[WIEN 11.4.] Erneut Eskalation bei Demo gegen FRONTEX-Abschiebung

Frontex Versenken!

Am Donnerstag, 11. April 2013, versammelten sich ab ca. 18 Uhr bis zu 120 Personen vor dem Polizei-Anhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände um gegen eine Sammel-Abschiebung nach Nigeria zu protestieren. Ein Aufruf ("Stoppt die Charter-Massenabschiebung nach Nigeria!") findet sich u.a. auf no-racism.net. Es kursierte die Information, die Abschiebung solle noch im Verlauf dieser Nacht erfolgen, mit einem Abtransport aus dem PAZ sei ab 22 Uhr zu rechnen. Über die Anzahl der Personen, die erst in dieser Nacht aus dem PAZ zum Flughafen überstellt werden sollen, gab es nur sehr unterschiedliche Angaben.

 

Letztlich wurden jedoch mindestens 3 Gefangenen-Transporter der Polizei bei der Abfahrt aus dem PAZ beobachtet. Es kam zu Blockadeversuchen und in der Folge zu aggressiven Räumungs- und Vertreibungsversuchen durch die Polizei, bestehend aus behelmten Unterstützungseinheiten (EE) sowie etwa einem dutzend WEGA-Beamt(innen?) - insgesamt wohl 70-80 sowie ein halbes Dutzend Zivil- und LVT-Beamte.


Über den Verlauf der Demonstration und des aggressiven Polizeieinsatzes wurde auf Twitter insbes. von @stopdep und @nochrichten live berichtet. Erst vor wenigen Monaten, am 5. Dezember 2012, kam es bei einer Demonstration gegen eine am selben Abend geplante Abschiebungen zu ähnlichen Vorfällen, bei denen die Polizei mehrere Personen mit Knüppelhieben und Pfefferspray verletzte. Damals berichteten die Massenmedien kein Wort, trotz zweier Presseaussendungen (Sozialistische Jugend und Refugee Camp Vienna), die diese Polizeiübergriffe gegen die Demonstration schilderten.

Zur Chronologie:              
18:30 Ca. 80 Personen sind, teils mit Transparenten und Megaphon, auf dem Grünstreifen zwischen Berggasse und Türkenstraße zur Kundgebung versammelt. Das PAZ ist zur Rossauer Lände hin komplett mit Tretgittern, die nur an den Gehsteigenden noch etwas geöffnet waren, abgeriegelt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, hinter der Werbeplakatwand bzw. auf der Fläche daneben (mit Blick auf die Straße) war ein halbes Dutzend Zivil-Polizisten und Verfassungsschutz-Beamte postiert, die Notizen und Fotos machten und laufend über die Lage berieten und telefonierten. Um 19:51 Uhr traf schließlich auch LVT Wien-Chef Erich Zwettler persönlich vor Ort ein und unterhielt sich mit dem uniformierten Einsatzleiter.
19:00 Mittlerweile sind 110-120 DemonstrantInnen vor Ort. Bis ca. 21:00 bleibt die Lage äußerst ruhig, die Menge schrumpft leicht auf etwa 100 Personen.

 ca. 21:25 Ein Gefangenentransporter kommt aus dem PAZ und fährt auf der Rossauer Lände Richtung Kundgebungsort - einige Leute laufen spontan auf die Straße, der Transporter biegt in hohem Tempo um die Kurve vor der Kundgebungsmenge in die Berggasse ab - und mehrere Straßen später Richtung Ring ein. Einige Personen strömen Richtung Ring, andere sind in die Berggasse gelaufen. Die meisten versammeln sich jedoch in großer Aufregung auf der Kreuzung Rossauer Lände / Türkenstraße und blockieren diese.
21:27 Nach kurzer Verwirrung riegeln PolizistInnen die Rossauer Lände ab.

 

ca. 21:30 Die Polizei stürmt zum ersten Mal in die Menge und versucht diese - teils hängen sich die Leute zu Menschenketten ein - von der Straße zu drängen. Viele Personen versuchen stehen zu bleiben, woraufhin die Polizei zusehends aggressiver, lauter und gewalttätiger wird. Widerspenstige Menschenketten werden mit blitzartigen, sich wiederholenden, Knüppelstößen in den Hüftbereicht drangsaliert, wiederholt werden Personen beidhändig und mit voller Wucht gestoßen, wodurch es teilweise zu Stürzen kommt. Mehrere Personen mit Handy- und Digitalkameras, die diese Szenen Filmen, werden von einzelnen der behelmten Polizisten verfolgt, geschubst, gepackt und geschlagen. Dies zog wiederum immer mehr solidarische Menschen an, die diesen Polizisten folgte, sie verbal von ihren Übergriffen abzuhalten versuchte und dadurch zum Teil selbst wieder Ziel von weiteren aggressiven Polizisten wurden. So gab es in diesen etwa 5-10 Minuten gleich mehrere Hetzjagd-artigen Szenen, teilweise schien es, die Gruppenkommandanten hätten ihre Gruppen nicht unter Kontrolle. Ein besonders hartnäckiger Polizist, der sich in einen filmenden Aktivisten regelrecht verbiss, ihn verfolgte und attackierte, musste nach mehreren Minuten schließlich mit Körperkraft von einem seiner Kollegen 20-30 Meter zurück zum Rest der Truppe gebracht werden.


21:40 Die Polizei hat die Menschenmenge auf mehrere Gehsteige der Rossauer Lände und Türkenstraße abgedrängt und ist in Reihen entlang der Gehsteige sowie am Mittelstreifen der Rossauer Lände aufgestellt (etwa 70-80 BeamtInnen, nach wie vor). Die Lage ist nun wieder ruhig, aber äußerst angespannt und durch das brutale Vorgehen der Polizei aufgeheizt. Auf Twitter wird berichtet: Betroffene schildert: Polizist fasst Demonstrantin bei Demo-Auflösung vor PAZ Rossauer Lände gewaltvoll an die Brüste um sie wegzuzerren!!.

 

21:43 Die Polizei verkündet nun per Megaphon Richtung Grünstreifen Berggasse-Türkenstraße, dass die Versammlung für aufgelöst erklärt wird. LVT-Chef Zwettler ist ebenfalls dort anwesend. 10 Minuten später erfolgt an der gleichen Stelle die zweite Durchsage. Die Polizei blockiert die Rossauer Lände zeitweise alleine.
22:00 Es gibt ansatzweise den Versuch, das PAZ Rossauer Lände zu umstellen, um alle Ausgänge im Blick zu haben. Es sind jedoch zu wenig Leute vor Ort und als kurz nach 22 Uhr eine Horde Polizisten beim hinaufstürmen der Rossauer Lände beobachtet werden kehren alle zum Kundgebungsort zurück.


ca. 22:10 Mehrere Reihen behelmter PolizistInnen stürmt die Rossauer Lände hinauf um die Straße für zwei Gefangenentransporter (die von mehreren Polizeifahrzeugen eskortiert werden) frei zu machen. Es kommt erneut zu tumultartigen Szenen, zahlreiche Personen versuchen vor die Transporter zu gelangen. Polizisten wenden nun auch Schlagstöcke und andere Formen der "unmittelbaren Zwangsgewalt" an um Personen von der Straße zu entfernen.

Polizei stürmt auf Menge zu, ca. zwischen 22 und 22:15 Uhr


22:21, Kessel Türkenstr./R. Lände

 

22:15 Die Polizei versucht ihre Gruppen rund um die Kreuzung zu formieren und einen Kessel zuzuziehen. Da manche Gruppen trödelten gelang das nur zum Teil. Die meisten DemonstrantInnen rochen die Lunte rechtzeizig und brachten sich auf den umliegenden Gehsteigen (vorerst, später wurden Gruppen auch von den Gehsteigen abgedrängt) in Sicherheit. Etwa 30 Personen, die auf dem Gehsteig bzw. auf dem Grünstreifen Türkenstraße/Berggasse waren (wo vorhin per Megafon die Kundgebung aufgelöst wurde), wurden nun gekesselt. Rechtlich gesehen fast schon korrekt, wenn da nicht noch eine ganze Reihe von Personen, teils einige Minuten nach Beginn des Kessels, von Polizisten gepackt und zum Kessel gezerrt wurden. Mal ganz abgesehen davon, dass eine Auflösung einer Demonstration mit dem bloßen Argument eines flüssigen Verkehrs auf der Rossauer Lände verfassungsrechtlich - hier ist das Versammlungsrecht verankert - als äußerst zweifelhaft betrachtet werden muss.


Bis ca. 22:45 Uhr werden die gekesselten Personen im 1-2-Minutentakt einzeln zur Personalienaufnahme abgeführt. Dabei kommt es erneut zu einiger Aufregung, als eine Person von PolizistInnen hinter die Baustellenabsperrung gebracht wird und BeobachterInnen befürchten, es könnte zu Übergriffen kommen. Daraufhin werden auch die BeobachterInnen von einem Trupp PolizistInnen von der Ebene hinter den Plakatwänden verscheucht. In Befürchtung eines Kessels liefen die meisten Personen davon, ohne dass die Polizei direkt einschreiten musste.


Gegen 23 Uhr kann die Versammlung als aufgelöst betrachtet werden. Es gab dutzende Identitäts-Feststellungen und angeblich auch Verhaftungen (unbestätigt). Wie viele Personen in dieser Nacht tatsächlich abgeschoben wurden bzw. unmittelbar zuvor vom PAZ Rossauer Lände überstellt wurden, ist zur Zeit ebenso nicht klar.