Postkutsche: Warum gab es keinen Polizeischutz?

Erstveröffentlicht: 
07.01.2013

Nach linken Anschlägen musste das Lokal „Postkutsche" schließen. Schupelius: Warum stört das niemanden?

Die „Postkutsche“ in der Gerichtstraße 34 in Wedding war 31 Jahre lang ein gutbürgerliches Lokal mit deutscher Küche. 365 Tage im Jahr geöffnet, vom Frühstück bis in die Nacht. Ein beliebter Laden. Jetzt ist der Laden dicht. Die Kündigung kam kurz vor Weihnachten. Am 2. Januar gab Wirtin Karin Ruch den Schlüssel ab. Stammgäste umarmten sie und weinten. Einen Tag später treffe ich sie in der Nachbarkneipe. „Es ging alles sehr schnell“, sagt sie.

 

Im September hatten 25 Gäste in der Postkutsche Eisbein gegessen. Karin Ruch kannte sie nicht. Dann meldete sich für Oktober unter dem Namen „Hoffmann von Fallersleben-Bildungswerk“ eine weitere Gesellschaft an. Doch bevor diese Gesellschaft kam, wurden Karin Ruch alle Scheiben eingeworfen. Im Internet verkündeten Linksradikale, die NPD würde in der Postkutsche tagen und hätte vertrieben werden müssen.

 

Der grüne Politiker Daniel Gollasch behauptete sogar, die Weddinger CDU pflege dort einen „gemeinsamen Stammtisch“ mit der NPD. Diese Lüge löschte er schnell wieder aus dem Internet. Niemand sprach indes mit Karin Ruch. Sie erfuhr jetzt erst, dass die Eisbein-Esser und das Fallersleben-Bildungswerk offenbar aus dem rechtsradikalen Milieu stammen. Woher hatte sie das aber wissen sollen? Die Namen der Anmelder waren unauffällig. Eine Wirtin verlangt nicht das Führungszeugnis ihrer Gäste.

 

Niemand zweifelt an der Wahrheit ihrer Worte, auch der grüne Gollasch nicht. Frau Ruch ist eine ganz normale Berlinerin, CDU-Mitglied. Sie hat nichts am Hut mit Polit-Extremisten. Doch es war zu spät. Schwarz gekleidete Gestalten schlichen täglich um die Postkutsche. Drei davon stellte Karin Ruch: „Wo ist euer Chef, warum schlagt ihr mir die Scheiben ein?“ Sie schwiegen.

 

Beim zweiten Anschlag verschwand die Fassade hinter fingerdicker schwarzer Farbe. Die Gäste blieben weg, ein nahes Balkan-Restaurant brannte aus, der Staatsschutz ermittelte, Nachbarn beschwerten sich, der Vermieter kündigte. Ohne Frist. Die Postkutsche war beim Heimatverein (Vorsitz: SPD) beliebt, die CDU hatte ihren Stammtisch hier, Eigentümergemeinschaften, Familien, der ganze Kiez eben. Aber dann schauten alle weg, als ihre unbescholtene Wirtin aufgerieben wurde.

 

Wo war Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD), wo Innensenator Frank Henkel (CDU)? Warum gab es keinen Polizeischutz? Mitten in Berlin wurde ein Restaurant samt seiner Wirtin für vogelfrei erklärt und binnen drei Monaten sozusagen liquidiert. Und niemand rührte einen Finger. Dass das so möglich war, ist mir unheimlich.