Mit Geige und Bigband gegen Fluglärm

Erstveröffentlicht: 
21.10.2012

Genau ein Jahr ist es her, dass die Nordwestlandebahn am Frankfurter Flughafen in Betrieb ging. Die Proteste gegen Fluglärm reißen seitdem nicht ab: Mehrere Tausend Menschen haben zum Jubiläum am Flughafen demonstriert.

 

Zum ersten "Geburtstag" der Landebahn Nordwest waren am Sonntagmittag nach Polizeiangaben rund 3.500 Fluglärmgegner vor den Zaun im Kelsterbacher Wald gezogen. Die Veranstalter – ein Bündnis von Bürgerinitiativen aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet – sprachen dagegen von bis zu 8.000 Teilnehmern.


Mit Pauken und Trompeten, Transparenten und Fahnen protestierten sie gegen den zunehmenenden Fluglärm in der Region - dieser werde von den Betroffenen als physische und seelische Gewalt erlebt, sagte ein Sprecher des Bündnisses. Die gesundheitlichen Schäden durch Lärm und Abgase seien unermesslich.
 
"Stoppen Sie Gier und Größenwahn"


"Fraport braucht nicht zu glauben, dass es einen Gewöhnungsprozess gibt oder die Bewegung einschläft", sagte Michael Wilk, der Sprecher der Veranstalter und kündigte an, die sogenannten Montagsdemonstrationen im Terminal eins des Flughafens würden weitergehen. Die Forderung der Fluglärmgegner ist klar umrissen: die Ausweitung des Nachtflugverbots auf die Zeit zwischen 22 und sechs Uhr morgens und die Schließung der neuen Landebahn.

Außerdem setzen sich die Demonstranten für einen Baustopp am dritten Terminal des Flughafens ein. "Stoppen Sie endlich Gier und Größenwahn", rief ein Redner an Fraport adressiert.

Eingeläutet wurden die Aktionen musikalisch: Den Auftakt machte der Protestmusiker "Klaus der Geiger" aus Köln. "Was soll man sagen, außer dass es Scheiße ist", fasste der Musiker den Unmut der Demonstranten zusammen. Auch eine Bigband aus Mainz, das ebenfalls unter gestiegenem Fluglärm zu leiden hat, zeigte Solidarität mit den Demonstranten.

Am Mittag hatten die Proteste mit einer Mahnwache vor der Abflughalle des Flughafens begonnen. "Schluss! Aus! Basta!" lautete das Motto, unter dem rund 60 Bürgerinitiativen zu der Demonstration aufgerufen hatten.
 
100.000 Starts und Landungen weniger

Eine weitere Hauptforderung der Demonstranten ist eine Reduzierung des Flugverkehrs um 100.000 auf 380.000 Starts und Landungen pro Jahr. Unterstützung gab es in diesem Punkt vom Präsidenten der europäischen Fluglärmgegner, John Stewart. "Ihr seid nicht allein", sagte er und verwies auf erfolgreiche Proteste gegen Landebahnen in München, London-Heathrow und im italienischen Sienna. Wenn sämtliche Flüge, die kürzer als 500 Kilometer seien, auf die Schiene verlagert würden, sei an keinem dieser Flughäfen ein Ausbau nötig, meinte Stewart.

Für die Proteste, die nach Polizeiangaben friedlich verlaufen sind, war eine Zubringerstraße zum Flughafen gesperrt worden. Der Flughafenbetreiber Fraport hatte Passagiere im Vorfeld vor Auswirkungen der Kundgebung gewarnt. Reisende sollten Verzögerungen bei der Anreise einplanen, hatte Fraport empfohlen.
 
Landesregierung betont Wachstumschancen
Nach jahrzehntelangen Debatten wurde die Landebahn am 21. Oktober 2011 in Betrieb genommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war die Erste, die auf der 2.800 Meter langen Landebahn Nordwest gelandet war. Damit jährt sich nicht nur der Protest der Flughafenausbaugegner aus den angrenzenden Kommunen, seit einem Jahr wiederholen die Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft, wie wichtig der Ausbau für die Region war.

Für die schwarz-gelbe Landesregierung kommt eine Einschränkung des Flugverkehrs keinesfalls in Frage. Wirtschaftsminister Florian Rentsch (FDP) hatte vielmehr im Vorfeld des Jubliäums die neue Landebahn verteidigt und die positive Wirkung des Nachtflugverbots betont. "Damit hat die Landesregierung einen Ausgleich zwischen den Interessen der Anwohner und denen der Luftfahrt gefunden", erklärte Rentsch.

Die CDU hob hervor, dass der Ausbau des Flughafens neue Wachstumschancen eröffnet habe. Gleichzeitig bleibe die Reduzierung der Lärmbelastung eine beständige Aufgabe, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Walter Arnold. Erst am Donnerstag waren drei neue Maßnahmen zum Lärmschutz umgesetzt worden, darunter eine Anhebung des Anflugwinkels und eine Erhöhung der Flughöhe.
 
Grüne und Linke unterstützen Proteste
Die Opposition im Landtag erneuerte ihre Kritik an der Landesregierung. Auch nach einem Jahr habe sie keine wirksamen Maßnahmen gegen Lärm ergriffen, erklärten die Grünen im Vorfeld, die einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" zufolge einen weiteren Anlauf planen, die vierte Piste am Flughafen schließen zu lassen. Die Partei will demnach prüfen lassen, ob die "öffentliche Sicherheit und Ordnung" durch Fluglärm gefährdet ist.

Auch die Sozialdemokraten warfen der Landesregierung vor, zu spät und vor allem nicht ausreichend gehandelt zu haben.