Grüne Alternative: Führungslose Marathondebatte

Erstveröffentlicht: 
06.09.2012

Glosse zur Mitgliederversammlung

 

Die Grüne Alternative Freiburg hat sich in Grabenkämpfen aufgerieben und steht nun ohne Vorstand da. Die jüngste Mitgliederversammlung war so skurril, dass sie sich nur glossieren lässt.

 

Die Grüne Alternative Freiburg steht für "ein tolerantes, buntes und entspanntes Freiburg", heißt es auf der Homepage der GAF. Wie das in der Praxis aussieht, war am Dienstagabend zu erleben.

In der linken Wählervereinigung ist in den letzten Monaten viel, heftig und öffentlich gestritten worden. Auslöser war die Frage, ob die frühere Vorstandssprecherin und Rechtsanwältin Tina Gröbmayr einen Neonazi verteidigen durfte. Nach und nach traten alle vier Vorstandsmitglieder zurück, zuletzt Andreas Langbein. Er und Gröbmayr gehörten auch zu denen, die der GAF ganz den Rücken kehrten. Da Langbein als letzter zurückgetretener Vorstand keinen Adressaten für seine Erklärung mehr hatte, sah er sich befugt, eine außerordentliche Mitgliederversammlung für Dienstag einzuberufen.

In der "Goldenen Krone" haben sich um einen Tisch in der Ecke elf Leute versammelt, ansonsten ist das Gasthaus leer. Der Wirt zieht sich in den Nebenraum zurück, wo ein Fernseher läuft. Mit dabei sind auch die GAF-Stadträte Monika Stein und Coinneach McCabe, die zurückgetretenen Vorstandsmitglieder Andreas Langbein, Stefanie Hochreuter und Christoph Löffler, GAF-Mitglied Jörg Dengler und Tina Gröbmayr, um die sich das ganze Tohuwabohu dreht. Sie habe für ein klärendes Gespräch zur Verfügung stehen wollen, sagt Gröbmayr am Tag danach der BZ, "aber das war im Prinzip kein klärendes Gespräch".

Sie, die am Dienstagabend meistens schweigt, ist unter den Anwesenden eines von mindestens drei Nicht-Mitgliedern. Sie sagt: "Ich bin ausgetreten. Ich weiß nur nicht, ob es rechtsgültig ist." Das vergrößert die Konfusion nur noch. Beantworten kann diese Frage niemand am Tisch. Wie die beiden GAF-Stadträte Stein und McCabe die einstige Mitstreiterin wegen ihres beruflichen Engagements im Neonaziprozess gegeißelt haben, lehnten und lehnen Dengler und Langbein ab.

Schnell entbrennt eine Debatte darüber, wer die Versammlung überhaupt moderieren darf. Andreas Langbein hatte die Einladungen verschickt und will, soll aber nicht, finden einige am Tisch. Drei Mitglieder, die sich in der Diskussion um Gröbmayr für "unbefangen" halten, erklären sich bereit, den Abend zu moderieren. Plätze werden getauscht, so dass das Moderatorentrio am Tischende sitzt. Aber ist die Versammlung überhaupt beschlussfähig? Kann ein zurück- und ausgetretenes Vorstandsmitglied (Langbein) überhaupt einladen? Darf es die Auflösung des Vereins beantragen, wie es Langbein im Zorn getan hat? Kann eine Mitgliederversammlung eröffnet werden, wenn sich zu Beginn herausstellt, dass über den E-Mail-Verteiler gar nicht alle Mitglieder eingeladen wurden? Und durfte die junge Frau namens Andrea spontan Mitglied werden und am Dienstag mit abstimmen, nur weil niemand am Tisch was dagegen hat? Es hätte einen Juristen mit Fachkenntnissen im Vereinsrecht gebraucht, der die GAF-Satzung prüft. Einen Vorstand, der die Geschäfte des Vereins führt, gibt es jedenfalls nicht. Als Langbein dem Beispiel von Andrea folgen und später wieder in die GAF eintreten will, entbrennt darüber eine Debatte. Nicht allen wäre das recht, Monika Stein ist ausdrücklich dagegen.

Irgendwann meint eine Frau, es brauche zur Aussprache einen geschützten Rahmen. Dass der in einem offenen Gastraum nicht gegeben ist, ist allen Anwesenden klar. Die BZ und ein Kollege vom Radio werden mit knapper Mehrheit von der Versammlung ausgeschlossen. Wir Journalisten legen den Stift beiseite und setzen uns an den Nebentisch, schließlich befinden wir uns in einem öffentlichen Lokal. Der Rausschmiss müsste durch den Wirt erfolgen, doch der macht keine Anstalten. Die Diskussion am Nebentisch läuft derweil gesitteter, wenn auch konfus weiter. Wer reden will, meldet sich. Der Moderator gibt sein Bestes, den Diskussionsverlauf zu ordnen und zu moderieren. Irgendwann sind alle des gegenseitigen Beschuldigens müde. Raucherpause. Alle verlassen den Raum. Danach bittet ein Mann mit Bart die Medienvertreter nach draußen. Was sie zu berichten gedenken? Die Intention ist klar – immerhin hat der Bärtige den Rausschmiss nett formuliert. Ich gehe, denn irgendwann hat auch der investigativste Journalist keine Lust mehr auf Vereinspossen.


PS: Über den Antrag, den Verein GAF aufzulösen, wurde nicht abgestimmt. Weitere Beschlüsse fielen in der Versammlung nicht. Einen Vereinsvorstand gibt es derzeit nicht, auch keinen kommissarischen. "Es wird irgendwann eine neue Versammlung geben", sagt GAF-Stadtrat Coinneach McCabe am Mittwoch auf Nachfrage der BZ. Es sei allerdings unklar, wer dann noch dabei sein wird. Tina Gröbmayrs Fazit der Versammlung: "Es war wirklich haarsträubend." Für sie ist die GAF gestorben. Für Langbein auch.