Freispruch für J.A.I.B.!

solidarität mit j.a.i.b

Der sog. AMS4-Prozess, in dem vier Studierenden der Brand von Mistkübeln vor einem Arbeitsmarktservice-Gebäude vorgeworfen wurde, endet mit einem Freispruch der Angeklagten. Auch am zweiten (und letzten) Prozesstag werden die Ermittlungsmethoden des Landesamt für Verfassungsschutz und Landesverteidigung (LVT) und die skandalösen Kriminalisierungsstrategien der Staatsanwaltschaft bloß gelegt.

 

Am Beginn des heutigen Prozesstages stand die Ansicht des sog. Tatvideos. Die Staatsanwaltschaft beharrte wiederum darauf, Angeklagte identifizieren zu können, obwohl bereits am ersten Prozesstag festgestellt wurde, dass die kaum sichtbaren Silhouetten keinerlei Erkennungsmerkmale aufweisen. Eine von den Angeklagten eingebrachte vergrößerte und stabilisierte Version des Videos machte endgültig deutlich, wie sehr der Interpretationswille der Staatsanwaltschaft ins Leere läuft. In ihrem Schlussplädoyer bringt es die Verteidigerin auf den Punkt: „Nur weil die Staatsanwaltschaft gerne etwas sehen möchte, heißt es noch lange nicht, dass dem so ist.“ Damit ist die generelle Charakteristik des Vorgehens von Staatsanwaltschaft und LVT umrissen: Der Wunsch die sog. „linke Szene“ und im Speziellen die #unibrennt-Bewegung zu kriminalisieren, führte zu absurden Beweiskonstruktionen und hochgradig fehlerhaften Quelleninterpretationen, die heute öffentlich wie ein Kartenhaus in sich zusammen gebrochen sind.

 

In ihrem Schlussplädoyer führt die Verteidigerin nochmals vor Augen, dass sich die von der Anklage hervorgebrachten Indizien als teils erfunden oder falsch dargestellt, teils nicht beweisbar, und alle als entlastend herausstellen. Neben dem Tatvideo sind auch die Zeug_innenaussagen null und nichtig für die Beweisführung der Staatsanwaltschaft. Aus den monatelangen, intensiven Observierungen geht vor allem hervor, dass Studierende zuweilen essen und sich manchmal umziehen. Auch die letzten Stützen der staatsanwaltschaftlichen Beweisführung fallen: Rufnummerdatenerfassung und Logauswertungen der Computer der Angeklagten erweisen sich als entlastend. Die Stapel an Prozessakten werden damit Zeugnis der Wucht, mit der die Ermittlungen in das Leben der Angeklagten eingedrungen sind, Zeugnis des polizeilichen Aktenfleißes und nicht zuletzt Zeugnis des Kriminalisierungsversuches gesellschaftspolitischen Engagements.

 

Dieser ist selbst im Schlussplädoyer der Staatsanwältin wiederzufinden, in dem sie nochmals versucht, das Verfahren mit der Teilnahme der Angeklagten an „einschlägigen Demonstrationen“ zu legitimieren; ein Vorgehen, dass die Verteidigerin in der Nähe einer „Gesinnungsüberprüfung“ sieht. Auch betont sie, dass das von den Angeklagten in Anspruch genommene Recht auf Aussageverweigerung nicht als Verdachtsmoment gelesen und zudem im Kontext des Ermittlungsstils der Behörden gesehen werden muss, in dem den Angeklagten jede noch so alltägliche Handlung als Schuldbeweis interpretiert wurde. Sie kommt zu dem Schluss, dass in diesem Prozess die politische Haltung der Angeklagten der Grund dafür war, ins Visier zu geraten und – auf Grundlage von §§278 – als „Terrorist_innen“ observiert und verfolgt worden zu sein. Angesichts dessen ist es schockierend, dass die Staatsanwaltschaft den Freispruch nicht einfach akzeptiert, sondern mit dem „Vorbehalt einer Nichtigkeitsbeschwerde“ gegen das Urteil Einspruch erhebt.

 

Offen bleibt nun zumindest zweierlei: Erstens angemessene Entschädigungen für die Angeklagten für die 8wöchige U-Haft und die hohen Verteidigungskosten. Zweitens wären sowohl Staatsanwaltschaft wie das LVT zur Verantwortung zu ziehen. Die Angeklagten haben in ihren Beweisanträgen darauf gedrungen, Verantwortliche als Zeugen vorzuladen. Dass dem seitens des Richters nicht nachgekommen wurde, ist bedauerlich: Daran hätte sich vor Augen der Öffentlichkeit gezeigt, wie infam im Detail die Methoden und Unterstellungen der ermittelnden Behörden gewesen sind. Auch wenn dies nicht mehr Gegenstand öffentlicher Verhandlungen sein wird: Neben dem Ausgang des Tierrechtsprozesses sollte auch dieser Freispruch – allen, auch dem Justizministerium – klar vor Augen geführt haben, dass die Zeit reif ist, §§278 abzuschaffen.