Neofaschismus in Mecklenburg-Vorpommern

Den antifaschistischen Selbstschutz organisieren!

Meck­len­burg-​Vor­pom­mern ist eines von zum Glück nur we­ni­gen Bun­des­län­dern, in denen neo­fa­schis­ti­sche Par­tei­en in den Lan­des­par­la­men­ten sit­zen. Trotz­dem ist die rechts­ra­di­ka­le Szene im Bun­des­deut­schen Durch­schnitt in un­se­rer Re­gi­on mit am stärks­ten. Meck­len­burg-​Vor­pom­mern fun­giert als eine Art Mo­dell­re­gi­on der ra­di­ka­len Rech­ten. Nach­fol­gend fin­det ihr ei­ni­ge As­pek­te der rechts­ra­di­ka­len Szene in Ros­tock und Meck­len­burg-​Vor­pom­mern.

 

Au­to­no­me Na­tio­na­lis­ten vs. Par­tei­gän­ger?
Im Ge­gen­satz zu an­de­ren Bun­des­län­dern, in denen sich die ak­ti­ons­ori­en­tier­ten, ju­gend­li­chen und äu­ßerst ge­walt­be­rei­ten Au­to­no­men Na­tio­na­lis­ten – kurz ANs – mit den oft gut­bür­ger­lich auf­tre­ten­den NPD, DVU und REP Ak­ti­vis­ten ge­ra­de­zu zer­flei­schen, herrscht in M-V fried­li­che Ei­nig­keit. Die ANs, die sich von ihrer Klei­dung, ihren Ak­ti­ons­for­men und ihrem ge­sam­ten Auf­tre­ten nur auf den zwei­ten oder drit­ten Blick von der Au­to­no­men An­ti­fa zu un­ter­schei­den sind, ver­tei­len Flug­blät­ter der NPD, hän­gen zu Wahl­kämp­fen deren Wahl­pla­ka­te auf, sor­gen für Per­so­nen­schutz von NPD-​Kan­di­da­t_In­nen, neh­men an NPD-​Auf­mär­schen teil oder fun­gie­ren sogar als Ord­ner. Im Ge­gen­zug sind Per­sön­lich­kei­ten aus dem Um­feld der Frei­en Ka­me­rad­schaf­ten in die NPD ein­ge­tre­ten. Bir­ger Lüs­sow, Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter und Mit­glied des Ros­to­cker Stadt­par­la­ments für die NPD war vor ei­ni­gen Jah­ren noch der füh­ren­der Kopf der „Ak­ti­ons­grup­pe Front­stadt Ros­tock“. Bis zur Schlie­ßung des rech­ten Sze­ne­ge­schäfts, „Dick­ko­epp“ in der Do­be­ra­ner Stra­ße, war Lüs­sow der La­den­be­sit­zer. Die Ver­schmel­zung ver­schie­de­ner rech­ter Struk­tu­ren führt zu einer mas­si­ven Bal­lung der rechts­ra­di­ka­len Kräf­te. In jeder Stadt und in jedem grö­ße­ren Dorf gibt es Grup­pen so­ge­nann­ter Au­to­no­mer Na­tio­na­lis­ten, NPD-​Orts­ver­bän­de wer­den aus­ge­baut, so­ge­nann­te „na­tio­na­le Wohn­pro­jek­te“ wer­den, ge­ra­de in Vor­pom­mern, ste­tig vor­ran­ge­trie­ben.

 

Rech­te Musik als Ein­stiegs­dro­ge.
Im Sep­tem­ber des letz­ten Jah­res be­gann die NPD mit dem Ver­tei­len ihrer neuen „Schul­hof-​CD“. Kurz dar­auf wur­den Teile von ihr in­di­ziert. Musik gilt unter Ju­gend­li­chen als iden­ti­täts­stif­ten­des Ele­ment, das haben Ka­me­rad­schaf­ten und NPD schon vor Jah­ren er­kannt. So ver­wun­dert es dann auch nicht, dass in einer Mo­dell­re­gi­on wie M-V, der Han­del mit rechts­ra­di­ka­len Mu­sik­trä­gern ge­ra­de zu boomt. Wis­mar, eine neo­na­zis­ti­sche Hoch­burg, ist Dreh- und An­gel­punkt für rechts­ra­di­ka­le On­line Ver­sän­de Deutsch­land-​ und sogar Eu­ro­pa­weit. Auch ver­bo­te­ne Plat­ten – zum Bei­spiel der ver­bo­te­nen und mitt­ler Weile auf­ge­lös­ten Ber­li­ner Grup­pe Land­ser – wer­den von Wis­mar aus ver­schickt. Fast jedes Wo­chen­en­de fin­den ir­gend­wo in M-V, meis­tens un­be­merkt von der Öf­fent­lich­keit und den Ord­nungs­be­hör­den, Rechts­rock­kon­zer­te mit meis­tens meh­re­ren hun­dert Teil­neh­mern statt.

 

NPD und Ka­me­rad­schaf­ten als „Lü­cken­fül­ler“ einer per­spek­tiv­lo­sen Ge­sell­schaft.
Was die „Mo­der­nen Nazis“ at­trak­tiv macht, ist nicht der Punkt, dass Viele ihnen ernst­haft glau­ben wür­den, nein – was sie wähl- und an­nehm­bar macht ist Fol­gen­des: es gibt oft nie­mand an­de­res. In den Dör­fern Vor­pom­merns fin­det sich kaum eine ak­ti­ve Orts­grup­pe einer bür­ger­li­chen Par­tei, dort gibt es auch kaum Frei­zeit­an­ge­bo­te oder Mög­lich­kei­ten der Er­ho­lung – und die Orte die es gibt, denen wer­den die fi­nan­zi­el­len Mit­tel ge­kürzt oder gänz­lich ge­stri­chen. Die NPD stößt genau in diese Leere. Mit Kin­der­fes­ten, Grill­aben­den oder Fuß­ball­tu­nie­ren ge­win­nen sie Sym­pa­thi­san­t_In­nen und sogar ak­ti­ve Mit­strei­ter_In­nen. Wer ganze Land­stri­che aus den Haus­hal­ten streicht, braucht sich dann auch nicht zu wun­dern, wenn Par­tei­en wie die NPD fast 39 Pro­zent der ab­ge­ge­be­nen Stim­men er­hält. Für viele junge Men­schen ist „rechts sein“ ein­fach auch ein Aus­druck von Cool­ness, ein Zei­chen der Re­bel­li­on gegen die äl­te­re Ge­ne­ra­ti­on.

 

Und was ler­nen wir aus dem Gan­zen?
All das ist nur ein klei­ner und sehr kur­zer Ein­blick, es gäbe noch viel mehr zu sagen, was neobrau­ne Rat­ten­fän­ger in M-V und auch an­ders­wo trei­ben. Umso wich­ti­ger ist der Aus­bau von de­mo­kra­ti­schen und an­ti­fa­schis­ti­schen Struk­tu­ren; gleich wel­cher Art! Pro­jek­te, wie die No­vel­lie­rung der Aus­stel­lung „Neo­fa­schis­mus in Deutsch­land“ des Ver­eins „Ver­ei­ni­gung der Ver­fol­gen des Na­zi­re­gimes – Bund der An­ti­fa­schis­t_In­nen (VVN-​BdA)“ oder dem Ros­to­cker Woh­nungs­pro­jekt „Al­ter­na­ti­ves Woh­nen in Ros­tock – AWIRO e.V.“ sind des­halb nö­ti­ger als sie es in den letz­ten 20 Jah­ren je­mals zuvor waren. Die Ver­gan­gen­heit zeigt, dass ein ent­schlos­se­nes und ge­mein­sa­mes Auf­tre­ten ge­gen­über ras­sis­ti­scher, an­ti­se­mi­ti­scher, is­la­mo­pho­ber und se­xis­ti­scher Hetze Er­folg haben kann. Neo­fa­schis­ti­sche Auf­mär­sche kön­nen ge­mein­sam blo­ckiert oder be­reits im Vor­aus un­ter­bun­den, all­tags­ras­sis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­run­gen kön­nen ein­ge­dämmt und be­en­det wer­den, wenn sich eine brei­te Struk­tur des an­ti­fa­schis­ti­schen Wi­der­stan­des her­aus­bil­det. Das sol­che Er­fol­ge in der Ver­gan­gen­heit mög­lich waren und sind, haben wir nur dem Zu­sam­men­spiel von pro­gres­si­ven Par­tei­en, Ge­werk­schaf­ten, Ein­zel­per­so­nen, an­ti­fa­schis­ti­schen Ju­gend­grup­pen, Stif­tun­gen und en­ga­gier­ten Ver­ei­nen zu ver­dan­ken. Par­tei-​ und ideo­lo­gie­über­grei­fen­de Bünd­nis­se sind nötig, wenn wir das wei­te­re Er­star­ken neo­fa­schis­ti­scher Or­ga­ni­sa­tio­nen – egal ob Ver­ein, Par­tei, Ka­me­rad­schaft oder au­to­no­me Grup­pe – ver­hin­dern wol­len.

 

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