Gorleben: Ethikkommission statt Bürgerbeteiligung?

BI Umweltschutz vermutet neue Tricks bei der Endlagersuche

Nachdem die SPD und die Grünen Vorschläge vorgelegt haben, wie die Endlagersuche in Deutschland neu gestartet werden kann, legt die Bundesregierung jetzt nach. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung will sie die Federführung an ein neues Bundesamt für Endlagerung delegieren. Den Suchprozess soll eine Ethikkommission für Atommüll begleiten. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) vermutet, dass hinter diesen Vorschlägen ein doppelter Schachzug Norbert Röttgens (CDU) steht: Einmal solle das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) entmachtet und zum zweiten das Ansinnen, Gorleben im Spiel zu halten, damit hoffähig gemacht werden.

 

Die BI erinnert daran, dass das BfS wiederholt auf Schwachpunkte des Salzstocks Gorleben verwies und schon seit langem für ein vergleichendes Suchverfahren eintritt. Dazu komme, dass eine "handverlesene Ethikkommission" nicht gleichbedeutend mit der Partizipation von Umweltverbänden und Kritikern sei. "Ein Parteienkonsens, der garniert wird durch Empfehlungen einer Ethikkommission, überregelt wieder die Expertise der Bürgerinitiativen. Beständig wird die Zivilgesellschaft außen vor gehalten", sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.

 

"Entweder Neuanfang, dann muss das auch basisdemokratisch und transparent erfolgen, dann muss aber auch Schluss sein mit dem 35-jährigen Getrickse in Gorleben, wo nicht einmal ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren eröffnet wurde", fordert die BI.

 

Unterdessen verwahren sich die Gorleben-Gegner gegen die Planspiele der Grünen-Verhandlungsführer/innen bei den Bund-Länder-Gesprächen zum Neustart der Endlagersuche, die Gorleben bei einem Vergleich im Pool lassen wollen. "Konsensuales Denken und staatsmännische Pose stehen gegen die geologischen Defizite und Bürgerferne, gerade bei den Grünen, die in dieser Frage das Sagen haben. Das ist kein Nord-Süd-Konflikt, sondern einer in der Sache", so Ehmke.

 

 

Gorleben-Dialog zum Thema Eiszeit

 

Aus Protest gegen die Weiterführung der Arbeiten unter Tage wird am 27. Januar demonstriert und blockiert, denn das Bundesumweltministerium (BMU) gibt nicht auf. Trotz aller gescheiterten Versuche, die Gorleben-Gegner in die "vorläufige Sicherheitsanalyse Gorleben" (VSG) einzubinden, um zu suggerieren, es habe ein faires und transparentes Verfahren gegeben, will das BMU seinen "Gorleben-Dialog" im Januar 2012 fortsetzen.

 

Thema des nächsten Fachdialogs am 25.Januar ist die Frage: " Die nächste Eiszeit - K.O.- Kriterium für ein Endlager Gorleben?" "Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass die Kritiker thematisch den Takt vorgeben und das BMU stets im Nachklapp Fragen aufwirft, die bereits beantwortet wurden", befindet die BI.

 

Der Gorlebener Salzstock wird innerhalb von einer Million Jahren wahrscheinlich von 10 Eiszeiten berührt, und zwar mit erheblichen Folgen für das Deckgebirge und die Integrität des Salzes. Zu diesem Ergebnis kamen in getrennten Studien der Dipl. Geologe Ulrich Schneider und sein Berufskollege Dr. Ulrich Kleemann. Die Antwort der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) steht auch schon fest: da nicht auszuschließen sei, dass auch andere Salzstöcke von Eiszeiten berührt werden, sei dieser offensichtliche Standortnachteil in Gorleben dahin…

 

"Wie oft soll Gorleben eigentlich noch k.o. gehen?" fragt Ehmke. Es mache keinen Sinn mehr, an Gorleben als Referenzstandort, wie es Norbert Röttgen formulierte, festzuhalten. "Um die Ausschlusskriterien für Gorleben anzuerkennen, brauche man keine 8.97 Millionen, die Röttgen für seine vorläufige Sicherheitslüge Gorleben ausgibt, sondern nur unvoreingenommene Geologen, nicht aber die BGR, die sich unbeeindruckt von der Kritik gibt. Das Gorleben-Kartenhaus ist nicht mehr zu retten", resümiert Ehmke. Auf Eis liegt auch der Dialog zwischen Gegnern des Projekts und dem BMU.

 

Alle Parteien im Kreistag Lüchow-Dannenberg - mit Ausnahme der CDU - , alle Umweltverbände, die Bäuerliche Notgemeinschaft und die Gorleben-Kläger sehen wie die BI in dem "Dialog" in erster Linie den Versuch, Verfahrensfehler wie die fehlende Bürgerbeteiligung bei der Durchsetzung Gorlebens als Atommüllendlager zu heilen, weil ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren bewusst nicht eröffnet wurde. Das Internetforum des BMU zum Gorleben-Dialog finde deshalb auch keinen Anklang: Bisher gab es zum Thema Eiszeit nur drei Einträge.

 

Die BI:"Immer mehr Menschen durchschauen die Absicht Röttgens und sind verstimmt. Wir fordern, Gorleben muss vom Tisch, sofort!"

 

P.S.
BMU-Einladungstext: "Für eine Million Jahre sollen die Sicherheit und Integrität eines potentiellen Endlagers für Wärme entwickelnde Abfälle gewährleistet sein. Kann eine geowissenschaftliche Prognose für solch eine lange Zeitspanne zuverlässig sein? Was für Folgen hätte zum
Beispiel eine Eiszeit? Welche Aussagen sind für den Salzstock Gorleben möglich? Fragen der geowissenschaftlichen Langzeitprognose sind nicht
nur für die Erkundung des Salzstocks Gorleben wichtig, sondern für die Suche nach einem Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle von grundsätzlicher Bedeutung."

 

Auszug aus der Kleemann-Expertise: „Für die übertiefe Ausprägung kommt der neotektonisch abgesenkten Mitteleuropäischen Senkungszone eine besondere Bedeutung zu. Deren unterkompaktierte und wassergesättigte Sedimente gerieten durch das sie überfahrende Inlandseis unter hydrostatischen Überdruck….Die übertiefen Tunneltäler sind daher das Ergebnis von endo- und exogenen landschaftsgenetischen Prozessen.“
(STACKEBRANDT 2009)

 

Wolfgang Ehmke 0170 501 56 06

www.gorleben-epilog.de

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