»Freie Kräfte Ortenau« zogen gestern überraschend Anmeldung zurück / Reaktion auf Vorfall in Riegel?

Erstveröffentlicht: 
07.10.2011

Erleichterung allenthalben: Die »Freien Kräfte Ortenau« haben gestern ihre Anmeldung für den am 22. Oktober geplanten Nazi-Aufmarsch in Offenburg zurückgezogen. Krawalle und Tumulte bleiben der Stadt damit erspart, denn nach einem Vorfall in Riegel drohte die Situation regelrecht zu eskalieren.

 

Offenburg. Gewaltbereite Massen, fliegende Steine, klirrende Schaufensterscheiben: Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, wenn am 22. Oktober rechte und linke Gruppierungen in der Offenburger Innenstadt aufeinandergestoßen wären Doch seit gestern ist der Nazi-Spuk vorbei: Die »Freien Kräfte Ortenau« zogen bei einem Gespräch mit Vertretern des Polizeireviers und der Stadt Offenburg überraschend ihre Anmeldung für den Nazi-Aufmarsch zurück.

 

Ausgerechnet am 22. Oktober, dem Tag an dem die Offenburger Juden nach Gurs deportiert worden sind, wollten die Neonazis in Offenburg braunes Gedankengut verbreiten. Doch nachdem sich in den letzten Tagen die Ereignisse überschlugen, machten die Rechten gestern einen Rückzieher.

 

Die Situation war eskaliert, als der Rädelsführer des geplanten Nazi-­Aufmarsches, ein 29-Jähriger Neonazi aus Offenburg, am Samstagabend auf einem Autobahn-Parkplatz bei Riegel einen 21-jährigen Linksautonomen mit dem Auto angefahren und schwer verletzt hatte. Laut Ermittlungen der Polizei war der Neonazi zuvor von einer Gruppe Vermummter angegriffen worden. In Panik sei er vom Parkplatz geflüchtet und habe dabei den 21-Jährigen mit seinem Fahrzeug erfasst.

 

Taktischer Wechsel

 

Rund 175 Linksautonome protestierten in einer Spontan-Demo am Mittwochabend in der Offenburger Innenstadt gegen die Attacke des Neonazis auf den 21-Jährigen, der mit einem Hirntrauma auf der Intensivstation eines Freiburger Krankenhauses liegen soll. Eine Sprecherin der Demonstranten machte bei der Spontan-Demo, bei der es zu Tumulten kam (siehe Infobox) die Ereignisse von Riegel und den Namen des Neonazis öffentlich

 

Der 29-Jährige hatte bereits am Dienstag seine Anmeldung für den Nazi-Aufmarsch zurückgezogen. Aber nur, um für einen neuen Anmelder Platz zu machen, der sich auch prompt für gestern im Offenburger­ Rathaus ankündigte. Der Grund für den Anmelderwechsel: Für die Kommune wäre eine Straftat – auch eine mutmaßliche – ein klarer Grund, eine Demonstration zu verbieten, so der städtische Sozialchef Michael Hattenbach gegenüber dem OT.

 

Negativschlagzeilen

 

Folglich erschien gestern ein neuer Anmelder der »Freien Kräfte Ortenau« zum Gespräch mit Vertretern des Polizeireviers und der Stadt in Offenburg. Begleitet wurde der 28-Jährige aus Wyhl von einer weiteren Person. Doch nach gerade mal zehn Minuten war das »sachliche Gespräch« beendet, wie Boris Klatt und Frank Appelmann vom städtischen Ordnungswesen berichteten. Gründe für den überraschenden Rückzug hätten die beiden Vertreter der »Freien Kräfte« nicht genannt. »Ich denke, die lesen auch die Berichte in der Presse«, meinte Frank Appelmann. Offensichtlich habe man die Negativschlagzeilen im Zusammenhang mit dem Vorfall in Riegel in der rechten Szene als kontraproduktiv erachtet. »Ich bin jetzt einfach nur froh, dass es so gekommen ist«, sagte Frank Appelmann. Auch Boris Klatt wertete die Entwicklung als »absolut erfreulich für Offenburg«.

 

Keinen Bezug mehr

 

Peter Dieterle, seit 1. Oktober neuer Leiter des Polizeireviers Offenburg, war ebenfalls beim gestrigen Gespräch dabei. »Die Anmelder, die jetzt auf dem Plan sind, haben im Gegensatz zu dem 29-Jährigen keinen Bezug zu Offenburg«, nannte der Polizeioberrat einen möglichen Grund für den Rückzug.

 

Dieterle war am Mittwochabend Einsatzleiter der Polizei, als die Spontan-Demo der Linksautonomen teilweise eskalierte: »Da war Druck im Kessel.« Er ist erleichtert, dass es nun am 22. Oktober zu keiner Konfrontation rechter und linker Kräfte kommen wird. Auch Einzelhandel und Gastronome atmen auf. Das Stadtmarketing hatte in einem Rundschreiben bereits geraten, am 22. Oktober Auslagen und Außenbestuhlung mit Vorsicht aufzustellen.

Auch die Antifa-Demo am morgigen Samstag, 15 Uhr, dürfte nun in ruhigeren Bahnen verlaufen.

Die Spontan-Demo von linken Gruppierungen am Mittwochabend (Bild) bleibt zum Glück nur ein Vorgeschmack auf das, was Offenburg am 22. Oktober erwartet hätte, wenn die rechte Szene den geplanten Aufmarsch gestern nicht abgesagt hätte. Die Bilanz vom Mittwoch:

Unter den rund 175 Demonstrationsteilnehmern waren laut Polizei etwa 60 gewaltbereite und 15 vermummte Personen.

Sieben Personen wurden vorläufig festgenommen, gegen sieben ein Strafverfahren und gegen drei Personen ein Bußgeldverfahren eingeleitet.
Ein Polizeibeamter wurde verletzt und an zwei geparkten Privat-Pkw entstand ein Sachschaden von rund 1000 Euro.
Bei 142 Personen stellte die Polizei die Identität fest. 127 Personen erhielten einen Platzverweis.
Im Laufe des Polizeieinsatzes wurden eine im Tumult abhanden gekommene Hiebwaffe der Polizei sowie 35 Sturmhauben und Buff-Tücher, ein Pfefferspray, zwei Fahnen mit langen Stangen, 16 als Fahnen getarnte Schlagstöcke und 32 pyrotechnische Gegenstände aufgefunden und sichergestellt.