[H] Ihmeplatz 8 geräumt - eine Stellungnahme der Kampagne Ahoi

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Am Montag, dem 26.09. wurde die Besetzung im Ihme-Zentrum von der Polizei geräumt. Gegen 11.30 Uhr stürmten sie das Gebäude ohne vorherige Aufforderung es freiwillig zu verlassen. Die Instandbesetzung der Ladenfläche am Ihmeplatz 8 stand im Zusammenhang mit der Räumung des Kukutza III, einem Kulturzentrum in Bilbao, dass 13 Jahre lang Platz für Kunst, Kultur und Politik bot. Trotzdem sollte es sich dabei nicht nur um eine symbolische Solibesetzung handeln - in den Räumlichkeiten wäre in Kürze das „Autonome Stadtteilzentrum Linden“ entstanden. Der Anfang davon war bereits am Wochenende zu sehen, hören und schmecken. So wurde der vor sich hin gammelnde Raum zunächst so weit wie möglich von Staub und Schwarzschimmel befreit, als spontanes Kulturprogramm fand eine Lesung der Novelle „Lenz“ von Georg Büchner statt, zu Essen gab es Chilli sin Carne und vor der Tür eröffnete ein Umsonstladen. Ein lyrisches Konzert mit Brecht-Texten konnte auf Grund der Räumung nicht mehr umgesetzt werden.

 

Die Reaktionen der Anwohner_innen auf die Besetzung waren sehr unterschiedlich. Während viele erfreut waren und teils mehrmals täglich vorbeikamen, waren andere erst einmal skeptisch. Einige Bedenken wurden in persönlichen Gesprächen ausgeräumt und wir konnten deutlich machen, dass wir einen Raum schaffen wollen, in dem sich die Nachbar_innen willkommen fühlen. Pläne, wie die eines Nachbarschaftsfrühstücks oder einer Anwohner_innen Vollversammlung, wurden ebenfalls durch die frühzeitige Räumung durchkreuzt.

 

Auf der anderen Seite gab es auch eine ganze Reihe von Menschen, die sich mit ein bisschen Leben in einem tristen Betonklotz einfach nicht anfreunden können – die bürgerliche Eigentumsideologie verbietet es ihnen. Sie scheint so tief in den Köpfen der Menschen verankert, dass geltendes Recht, das somit Legale, den Rahmen für das Legitime festlegt oder beide Worte gar zu einem Synonym verschmelzen. Recht wird mit Gerechtigkeit gleichgesetzt. Mit dieser Logik wurden wir das ganze Wochenende konfrontiert. Die Anhänger_innen dieser Ideologie argumentierten wütend-fragend, wie wir reagieren würden, wenn einfach fremde Leute kommen würden, die uns unser Eigentum wegnehmen wollen. Und ganz ehrlich, wir würden das ziemlich scheiße finden. Das liegt nun mal daran, dass all das bisschen Eigentum, das wir besitzen, einen konkreten Nutzen in unserem Alltag für uns erfüllt und unsere Bedürfnisse befriedigt. Ob es der Herd ist, an dem wir kochen, das Fahrrad, mit dem wir zur Schule, Arbeit oder Uni fahren, oder die Couch, auf der wir danach oder stattdessen chillen. So ist das Verhältnis der allermeisten Menschen weltweit zu ihrem Eigentum, nicht aber von Allen. Ein kleiner Teil der Gesellschaft verfügt darüber hinaus über Eigentum, das sie nur besitzen, um aus Geld noch mehr Geld zu machen. Ihr Bezug zu diesem Eigentum besteht einzig in Profitmaximierung. Das funktioniert nur durch die Ausbeutung der Arbeitskraft Anderer. An einem ganz einfachen Beispiel lässt sich diese Aneignungspraxis veranschaulichen: Eine Bauarbeiterin hat in ihrem Leben wahrscheinlich schon ein dutzend Häuser gebaut, trotzdem wohnt sie selbst immer noch in einer kleinen Wohnung, die nicht einmal ihr gehört.

 

Selbst nutzen wollte die Eigentümerin, die Immobiliengesellschaft Simchen-Gruppe, die Räumlichkeiten des Ihmeplatz 8 nie. Es war und ist ihnen scheißegal was damit passiert, solange es sich rentiert. Und weil sich im Ihme-Zentrum wie bekannt nichts rentiert, gammeln die Räume seit Jahren vor sich hin. Am Montag hat dann die Staatsgewalt dafür gesorgt, dass sie dies auch weiterhin tun werden. Der Versuch viel Arbeit in ungenutzten und in sich verfallenden Raum zu investieren, um diesen in Form eines Stadtteilzentrums zu vergesellschaften und mit Leben und Nutzen zu füllen, ist damit ein weiteres Mal gescheitert. Dafür werden die, die diesen Versuch unternommen haben, mit juristisch zweifelhaften Hausverboten für das gesamte Ihme-Zentrum und Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs belohnt.

 

Aber wie wir wissen: Nach der Räumung ist vor der Besetzung. Wir werden nicht weiterhin zusehen, wie sich unser Stadtteil entlang spekulativer Profitinteressen entwickelt. Wir wollen Stadt selber machen!

 

Um einen Raum zu haben, um uns gegen Verdrängungsprozesse organisieren zu können, brauchen wir ein Autonomes Stadtteilzentrum!

 

In Linden fehlt ein Ort, den Menschen im Stadtteil selbst gestalten, um ein Leben abseits von Herrschaft und Unterdrückung erproben zu können.

 

Das Plenum der Kampagne Ahoi trifft sich mittwochs um 20 Uhr in der Glocksee (Glockseestr.35), also kommt vorbei und helft mit, das Autonome Stadtteilzentrum durchzusetzen!