Tsunamis aus Staudämmen bedrohen Atomkraftwerke

Der gefährliche Staudamm in dem Itoiz versunken ist

Bei der Debatte um die Sicherheit von Atomkraftwerken wird erneut versucht, die Gefahrenlage einzugrenzen. Dabei ist sie extrem vielfältig. So drohen riesige Flutwellen nicht allein vom Meer. In Spanien könnten Atomkraftwerke schwer durch brechende Staudämme beschädigt werden. Darunter befindet sich auch das Atomkraftwerk Santa Maria de Garoña. Dieser Reaktor ist baugleich mit den Reaktoren von General Electric in Fukushima, wo man auf den Super-Gau erwartet und die Kernschmelze längst eingetreten ist. Dazu muss angemerkt werden, dass schon seit 1971 den US-Behörden bekannt war, dass die Notkühlung in diesem Reaktortyp nicht einmal funktioniert, wenn die Pumpen funktionieren. 

 

Nachdem sogar die Bundesregierung als Wahltaktik die Überprüfung deutscher Atomkraftwerke angekündigt hat, will auch Spanien seine Meiler nun testen lassen. Industrieminister Miguel Sebastián hat vom Kontrollrat für Nukleare Sicherheit (CSN) ergänzende Berichte angefordert. Zu weiteren Schritten ist die sozialistische Regierung nicht bereit. Schließlich ist auch in Spanien Wahlkampf und so sind auch hier taktische Manöver notwendig. Nach dem Absturz in Katalonien, wo Zapateros Partei im Dezember das schlechteste Ergebnis seit dem Ende der Diktatur 1975 einstecken musste, wird die PSOE bei den Regional- und Kommunalwahlen im Mai die Macht auch in anderen bedeutsamen Regionen und Städten verlieren.

 

Geprüft werden soll auch eine Schwester der Katastrophenreaktoren von Fukushima von der Aufsichtsbehörde. Die Laufzeit des 40 Jahre alten Reaktors hatte die Regierung, die einst den Ausstieg aus der Atomkraft propagierte, bis 2013 verlängert. Grundlage dafür war ein CSN-Bericht. Darin hatte sich die atomfreundliche Behörde 2009 ausdrücklich für eine Laufzeitverlängerung bis 2019 ausgesprochen. Ausgerechnet der CSN den Ball zuzuspielen, zeigt, dass es nur um Beruhigung geht. Die Aufsichtsbehört hat die Atomlobby nicht kontrolliert, sondern wird bisweilen dabei ertappt, dass sie eher an der Vertuschung von Störfällen beteiligt ist. So geschah es zum Beispiel im Atomkraftwerk Ascó. Im April 2008 berichtete Greenpeace, dass die Betreiber schon im November 2007 Radioaktivität nach außen leiteten und dafür sogar Messinstrumente manipulierten.

 

Reaktoren der US-Firma General Electric hätten weder in Fukushima, noch Garoña oder im schwedischen Oskarshamn in Betrieb gehen dürfen, denn die US-Reaktorsicherheitskommission (AEC) hatte schon 1971 gravierende Sicherheitsprobleme festgestellt. So stellte die AEC fest, dass sogar funktionierende Notkühlsysteme nicht fähig waren, den Reaktorkern im Notfall mit Wasser füllen. Das gab der AEC-Präsident 1992 in einem Dokumentarfilm gegenüber dem BBC-Journalisten Adam Curtis zu. In dem Film "A is for Atom" erklärte er, dass die theoretischen Berechnungen nicht sonderlich mit der Realität übereinstimmten. "Aber wir konnten doch nicht vor der Öffentlichkeit zugeben, dass all die Sicherheitssysteme, mit denen die Menschen beruhigt wurden, vielleicht nichts taugen.” 

So dienen die eilig angekündigten Prüfungen in Spanien auch vor allem zur Beruhigung der Bevölkerung, denn plötzlich sollen auch Erdbeben und Überschwemmungen stärker berücksichtigt werden. Um reale Prüfung geht es auch hier nicht. Schließlich müsste man zum Beispiel Garoña nicht nur wegen den bekannten Sicherheitsproblemen sofort abschalten, sondern weil ein Staudamm oberhalb des Atomkraftwerks ein schweres Erdbeben nicht aushalten würde. Darauf haben heute die Umweltschutzorganisationen erneut aufmerksam gemacht. "Welchen Sinn macht es, die Erdbebensicherheit eines Atomkraftwerks zu prüfen, wenn der Staudamm am Oberlauf es nicht aushält", erklären sie.

 

Sie weisen darauf hin, dass nur 90 Kilometer oberhalb von Garoña ein Staudamm am Ebro liegt, der mit 457 Hekto-Kubikmetern Wasser gefüllt ist, also 457 Milliarden Liter. Die Atomaufsicht hatte sich sogar am Rande mit dem Staudamm beschäftigt, wie ein Dokument auf den CSN-Webseiten zeigt. Doch die Gefahr, dass der Staudamm von Reinosa brechen könnte, wird mit einer "sehr niedrigen Wahrscheinlichkeit, die als zu verwerfen angesehen werden kann" eingeschätzt.  Hatte nicht Merkel gerade erklärt, dass uns die Ereignisse in Japan lehren, "dass etwas, was nach allen wissenschaftlichen Maßstäben für unmöglich gehalten wurde, doch möglich werden könnte." Nähme man ernst, dass Risiken, die bisher von Regierungen "für absolut unwahrscheinlich gehalten wurden, doch nicht vollends unwahrscheinlich sind", sollte man in Spanien auch einen Blick auf den ohnehin von Störfällen geplagten Reaktor Ascó werfen.

 

Auch wenn sich sogar die spanischen Umweltorganisationen auf die ebenso unsinnige Debatte einlassen, dass sie Siedewasserreaktor besonders ins Visier nehmen und damit auch Cofrentes, dass ebenfalls am Oberlauf in 90 Kilometer am Jucar einen großen Staudamm hat. Das soll, in der Verengung auf Siedewasserreaktoren auch von der Regierung besonders geprüft werden. Dessen Betriebsgenehmigung hatten die Regierung Zapatero einen Tag vor dem schweren Erdbeben in Japan um weitere 10 Jahre verlängert und man sollte eigentlich denken, dass derlei Prüfungen stattfinden, bevor man die Betriebsgenehmigung verlängert. Auch in Cofrentes ist ein Siedewasserreaktor von General Electric seit 27 Jahre am Netz, dass in einem Erdbebengebiet steht und ist gegen einen Terrorangriff ungeschützt ist. Das hatte die Umweltorganisation Greenpeace kürzlich deutlich gemacht, als Mitglieder der Organisation den Reaktor problemlos besetzten

Besonders gefährlich ist aber der riesige Staudamm in Itoiz, denn vor den Gefahren die aus diesem Staudamm resultieren, wird seit Jahren gewarnt. Mit 1050 Hekto-Kubikmetern ist er mehr als doppelt so groß, wie der Staudamm oberhalb von Garoña, womit die Gefahren auch größer sind, die vom unsicheren und umstrittensten spanischen Staudamm für das Atomkraftwerk Ascó ausgehen. Die Professoren Antonio Casas und Arturo Rebollo haben immer wieder auf die instabile linke Hangseite hingewiesen, auf die sich der riesige Staudamm stützt. Eines der Krisenszenarien der Professoren weist auf die Möglichkeit hin, dass drei Millionen Kubikmeter der linken Hangseite in den See abzurutschen drohen. Das würde zum Brechen der Staumauer führen. Eine Katastrophe, wie es sie sich im norditalienischen Vajont 1963 ereignete, können die Geologen nicht ausschließen. 2600 Tote fielen dem von Menschenhand geschaffenen Tsunami zum Opfer, als eine Talseite in den See abgerutscht war. Eine riesige Flutwelle aus den Pyrenäen könnte das Atomkraftwerk am Ebro schwer in Mitleidenschaft ziehen. Auch deshalb hatten sich Casas und Rebollo erfolglos gegen das Befüllen des Stausees ausgesprochen. Der gefüllte Seeinduziert inzwischen sogar Erdbeben in der Region. Sein Gewicht drückt auf Verwerfungen im Untergrund, was immer wieder zu Erdstößen führt und den unsicheren Damm noch unsicherer macht.

 

Interessant ist vor den Wahlen am Sonntag auch noch das gesamte Geeiere, das sich in der CDU und FDP abspielt. So versucht sich die Landes FDP in Bawü als Anti-Atompartei zu kaprizieren, während Brüderle schon ausgeplaudert hat, dass alles nur Wahlkamptaktik ist. Angesichts der schweren Kritik durch Helmut Kohl ist aber Mappus inzwischen schon wieder zurückgerudert. Ich verweise auf einen Text von mir auf Telepolis. Rolle rückwärts in der Atompolitik vor den Wahlen in Baden-Württemberg


© Ralf Streck, den 26.03.2011