Rotlicht: Militanz

Mit militanten Aktionen erhoffen sich radikale Linke, Sand ins Getriebe des Kapitalismus zu streuen – Hamburg, 7.7.2017. Foto: Willi Effenberger
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Erstveröffentlicht: 
19.07.2017

»Militanz« ist nach dem G-20-Gipfel ein vieldiskutiertes Schlagwort. Der aus dem Lateinischen abgeleitete Ausdruck »Militanz« geht auf den Begriff »militare« zurück und meint das »Dienen als Soldat« bzw. »Kriegsdienst tun«. Von Oliver Rast

 

Im angelsächsischen Sprachgebrauch steht Militanz in erster Linie für ein energisches Engagement von politischen Aktivisten. Der damit verknüpfte Regelverstoß, der mitunter strafrechtlich relevant sein kann, äußert sich oft als eine gewaltfreie Methode des zivilen Ungehorsams. Das kann eine friedliche Straßenblockade, eine Ankettaktion oder die Teilnahme an einer unangemeldeten Demonstration sein.

 

Die Besonderheit im deutschen Sprachgebrauch liegt darin, dass sich die Militanz der radikalen Linken als Widerstandshandlung in erster Linie gewalttätig ausdrückt. Militanz ist Sabotage und direkte Aktion. Ihr Ziel ist es, in Arbeitsabläufe einzugreifen, Infrastruktur und Logistik zu attackieren und letztlich zu zerstören. D. h. Sachbeschädigungen, aber auch körperliche Angriffe auf Personen werden von den Militanten als legitim angesehen.

 

Kleine Sachbeschädigungen sind zum Beispiel das Sprühen von Parolen an Häuserwände, das Verkleben von Türschlössern an Tagungsorten rechter Parteien und das Verschütten übelriechender Buttersäure in von Nazis frequentierten Räumen. Brandanschläge auf Fuhrparks von Ordnungsämtern, Polizei und Bundeswehr oder auf Gebäude von Arbeitsagenturen, Wirtschaftsverbänden und Konzernzentralen verursachen einen deutlich höheren Sachschaden. Im Einzelfalle werden diese Brandsätze mit einem Sprengstoffcocktail niedriger Intensität kombiniert.

 

Die Verwendung von Industriesprengstoff mit hoher Sprengwirkung und der Einsatz von Schusswaffen gehören – von Ausnahmen abgesehen – hingegen zu »Interventionsformen« von Aktivisten einer Stadtguerilla. Militanz ist in dem hier vorgestellten Sinne eine »extralegale« Praxis, die sich zwischen friedfertigen Ausdrucksmitteln des zivilen Ungehorsams und Attentaten mit Todesfolge bewegt.

 

Zu unterscheiden sind massenmilitante Aktionen und Aktivitäten von militanten Kleingruppen. Die Massenmilitanz geht zumeist von einer größeren Anzahl Aktivisten auf Großdemonstrationen aus. Mehrere organisierte Bezugsgruppen von fünf bis zehn Personen scheren aus der Demo aus, um Schaufensterscheiben einzuwerfen und Barrikaden zu errichten. Die »nächtlichen Streifzügler« militanter Kerne verüben nach längerer Vorbereitungszeit (Brand-)Anschläge auf ausgekundschaftete Objekte. Diese »Feierabendterroristen« organisieren sich klandestin. Ein Übertritt in die Illegalität mit einem Identitätswechsel findet in der Regel nicht statt.

 

Militante in Kleingruppen bilden entweder lockere Zusammenhänge, die breite Kampagnen sozialer Bewegungen »militant flankieren« und mit wechselnden Namensbezeichnungen in Bekennerschreiben auftreten. Oft zerfallen diese Gruppen nach einem Kampagnenhöhepunkt wieder, um sich gegebenenfalls bei einem weiteren Anlauf in alter oder neuer Besetzung wieder zusammenzufinden.

 

Militante Kleingruppen können sich aber auch eine feste Struktur geben und unabhängig von bewegungspolitischen Konjunkturzyklen unter einem »Markennamen« agieren. Diese Zellen von Klandestinen führen oft auch einen gruppenübergreifenden Austausch über die inhaltliche Stoßrichtung von Militanz, die Bandbreite praktischer Aktionsformen und die Möglichkeiten einer gemeinsamen Organisierung in einem Netzwerk. Für ein »Konzept klandestine Militanz« standen unter anderem Gruppen wie »Klasse gegen Klasse«, die antiimperialistische zelle (aiz), Das K.O.M.I.T.E.E. oder die militante gruppe (mg).