"Deutschland-Kurier": Redaktion der Ehemaligen

Erstveröffentlicht: 
11.07.2017
Eine "Bild" von rechts: Ein AfD-naher Wahlwerbeverein bringt diese Woche ein rechtspopulistisches Boulevardblatt auf den Markt. Wer dahintersteckt und wer mitmacht

 

Lichtenfels ist ein Städtchen in Oberfranken. Es bietet dem Besucher eine Fossiliensammlung in der Herzog-Otto-Mittelschule und einen Campingplatz. Ende des Jahres hält hier der letzte ICE. Für seine Medienlandschaft war Lichtenfels bisher nicht bekannt.

 

Das will David Bendels jetzt ändern. Er lebt in Lichtenfels und will von hier aus den Deutschland-Kurier starten, eine neue Boulevardzeitung, die wöchentlich erscheint. Am Mittwoch erhalten 300.000 Berliner Haushalte kostenlos und ungefragt die erste Ausgabe der "Bild von rechts", wie Bendels das Projekt beschreibt. In großen Lettern, mit vielen Fotos und einem klassischen Tabloidlayout soll die Zeitung die Leser erreichen, für die die Junge Freiheit zu intellektuell und die Preußische Allgemeine Zeitung zu bieder ist.

 

Der 32-jährige PR-Berater Bendels mit stets korrekt gegeltem Haar und der Deutschlandfahne am Anzugrevers ist nicht nur Chefredakteur des neuen Blatts, sondern gleichzeitig auch Vorsitzender des Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten e.V., der auch Herausgeber des Deutschland-Kuriers ist. Der Verein steht seit einem Jahr in der Kritik, weil er millionenschwere Werbekampagnen für die Alternative für Deutschland (AfD) zu den vergangenen Landtagswahlen organisiert hatte. Woher das Geld stammt, ist bis heute nicht transparent. Kritiker werfen der Vereinigung darum "verdeckte Wahlwerbung" vor. Teil der Kampagnen war auch stets ein kostenlos verteiltes Extrablatt. 

 

Themen, die angeblich anderswo verheimlicht würden


Thematisch scheinen sich Extrablatt und Deutschland-Kurier sehr zu ähneln. Die neue Zeitung wirkt wie das Zentralorgan der Wutbürger mit den rechtspopulistischen Hits der letzten Jahre: Einwanderungskritik, Merkel-Kritik, EU-Kritik. Im Gespräch mit ZEIT ONLINE sagte Bendels, dass sich das Boulevardblatt in der ersten Ausgabe dem "Versagen von Rot-Rot-Grün in Berlin", dem "Gender-Gaga mit den Unisex-Toiletten", der "Vetternwirtschaft von Martin Schulz" und dem "Linksterrorismus" widmen werde. Außerdem wolle man darüber aufklären, wie Justizminister Heiko Maas die Meinungsfreiheit abschafft und was "Merkels teurer Freund Emmanuel Macron" uns Deutsche kosten wird. Themen, die angeblich von anderen Medien verheimlicht würden. Mit dieser Mischung und dem behaupteten Mut zur Haltung hatten zuletzt das Querfront-Magazin Compact und die Junge Freiheit ihre Auflagen steigern können.

 

Im Gegensatz zu anderen Klatschblättern soll es in dem achtseitigen Kurier jedoch keinen Sport geben, keine Wirtschaftsthemen, keine Promi-Enthüllungen – und auch keine nackten Mädchen. Inhaltlich soll sich das Blatt allein mit Politik beschäftigen.

 

Für die rechtspopulistischen Zuspitzungen hat Chefredakteur Bendels prominente Kolumnisten verpflichtet, die vor allem eins verbindet: Es sind Ehemalige. Der Ex-Bild-Chef Peter Bartels, die Ex-CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, der Ex-FAZ-Redakteur Konrad Adam und die Ex-FPÖ-Bundespräsidentschaftskandiatin in Österreich, Barbara Rosenkranz. Der Dresdner Ex-CDUler und Neu-AfDler Maximilian Krah soll regelmäßig über das "Skandalurteil der Woche" berichten, Steinbach wird in der ersten Ausgabe darüber schreiben, "Warum wir im deutschen Bundestag wieder eine echte Oppositionspartei brauchen".

 

Die Personalien zeigen, wie stramm rechts die Wochenzeitung ausgerichtet sein wird. So publizierte der ehemalige Bild-Redakteur Bartels zuletzt im verschwörungstheoretischen Umfeld des Kopp-Verlags, die erzkonservative FPÖ-Politikerin Rosenkranz gilt als "Galionsfigur der Rechten" im Nachbarland, und Erika Steinbach war in der Vergangenheit vor allem durch ihre rechten Provokationen auf Twitter aufgefallen.      

 

Verbindungen in die Schweiz


 

Ein Absage erhielten die Projektleiter jedoch von einem anderen prominenten Ex. Der vormalige stellvertretende Chefredakteur der Bild-Zeitung, Nicolaus Fest, bestätigte ZEIT ONLINE, angefragt worden zu sein. Er habe jedoch abgelehnt, da er mit seiner Arbeit für die AfD und Vorträgen zu beschäftigt sei. "Eine konservative Alternative zu Bild wäre sicherlich ein schönes Projekt, aber ich habe dafür schlicht keine Zeit."

 

Die Macher sehen im Deutschland-Kurier eine Antwort auf die "politisch gleichgeschaltete Presse" in der Bundesrepublik. Chefredakteur David Bendels finde es falsch, dass "Linksextremisten und Gewalttäter in Mainstream-Medien als 'Aktivisten' und 'Demonstranten' verharmlost werden", sagte er ZEIT ONLINE. Darum sei in der ungefähr 20 Mitglieder zählenden Redaktion auch eine Vielzahl von Journalisten, die von anderen Medien gewechselt seien, weil sie "den Linksrutsch in den deutschen Medien nicht mehr hinnehmen wollen". Namen nannte er keine. Bisher arbeiteten die Redakteure in ganz Deutschland verstreut über Skype und Telefonkonferenzen zusammen, ein fester Redaktionssitz sei jedoch geplant. 

 

Symbolischer Preis von 30 Cent


Nach den ersten vier Ausgaben, die später auch gratis in Frankfurt, Köln, Stuttgart, Düsseldorf, Hamburg oder Dresden verteilt werden sollen, muss der Deutschland-Kurier abonniert werden. Der Preis von 30 Cent pro Ausgabe scheint jedoch eher symbolisch zu sein. Die Bild-Zeitung kostet am Kiosk 90 Cent. Für 52 Euro könne man sich den Kurier dann ein Jahr lang nach Hause senden lassen, sagt Bendels. Denn das rechte Revolverblatt solle "unkonventionell, aber erschwinglich" sein. 

 

Verbindungen des Projekts führen in die Schweiz. Bereits die bisherigen Pro-AfD-Plakate, Extrablätter und die Website des AfD-Unterstützervereins Recht und Freiheit wurden von der Schweizer Werbeagentur GOAL AG gestaltet. Auch für das grafische Konzept und das Layout der Boulevardzeitung ist die Agentur von Alexander Segert verantwortlich. Nach ZEIT-ONLINE-Informationen wird es auch eine Onlineausgabe der Zeitung geben. Die Adresse deutschland-kurier.org und der dazugehörige Mailserver dk-cloud.org wurden von Segerts GOAL AG angemeldet, bestätigt der Systemadministrator Florian Wagner vom Blog Crumbling Walls.