Allein in Berlin soll es Hunderte Fälle gekaufter Vaterschaften geben – die Frauen werden anschließend teils erpresst.
Geld macht ideologisch flexibel. Eben noch läuft man mit verfassungsfeindlichen Symbolen herum und plötzlich geht man aufs Amt, um die Vaterschaft eines vietnamesischen Kindes anzuerkennen. Hauptsache, die Kohle dafür stimmt. So wie ein verurteilter Neonazi haben laut Recherchen des rbb offenbar deutschlandweit Männer ausländischen Müttern ein Aufenthaltsrecht verschafft, indem sie die Vaterschaft ihrer ungeborenen Kinder anerkannten.
Jede der Mütter habe dafür bis zu 5.000 Euro an Scheinväter, Rechtsanwälte und Notare gezahlt. Viele der schwangeren Frauen seien per Touristenvisum aus Vietnam, Afrika und Osteuropa nach Deutschland eingereist, um dann Asyl zu beantragen. Durch die Anerkennung der Vaterschaft erhielten die Kinder automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft – die Mütter erhielten ein Bleiberecht.
Die Hintermänner haben als potentielle Väter offenbar vor allem Sozialhilfeempfänger angesprochen, die oft keinen Unterhalt zahlen müssen. Laut dem Parlamentarischen Staatssekretär des Innenministeriums, Ole Schröder (CDU), sind die organisierten Betrüger in ganz Deutschland aktiv und begnügen sich dabei nach rbb-Recherchen nicht mit einer Vermittlungsgebühr. Weil sich die Mütter durch den Vaterschaftsdeal erpressbar machen, landen viele von ihnen in der Zwangsprostitution.
Neonazi erregte Verdacht
Das Ganze flog auf, als bekannt wurde, dass sich unter den Scheinvätern auch ein verurteilter Neonazi befand. Der 28-Jährige stand mehrfach wegen des Tragens von verfassungsfeindlichen Symbolen vor Gericht, auf seiner Facebook-Seite sympathisierte er mit der NPD. Das hielt ihn offensichtlich nicht davon ab, die Vaterschaft eines vietnamesischen Kindes anzuerkennen.
Laut Martin Steltner von der Berliner Staatsanwaltschaft seien manche Scheinväter besonders fleißig gewesen. Einige Männer hätten bis zu zehn Kinder als ihr eigenes anerkannt. Alleine in Berlin werden bis zu 700 falsche Vaterschaften vermutet.
Neues Gesetz gegen Scheinvaterschaften
Die Behörden können bisher kaum gegen solche Fälle vorgehen, was unter anderem mit dem Schutz der Kinder zu tun hat. Wie das Bundesverfassungsgericht 2013 entschieden hat, darf die Vaterschaft auch in einem Verdachtsfall nicht angefochten werden. Ansonsten würden die Kinder keine Geburtsurkunde erhalten, könnten ihre Nationalität nicht nachweisen und wären somit staatenlos.
In Zukunft soll sich das jedoch ändern. Bundestag und Bundesrat haben gerade ein Gesetzespaket verabschiedet, das es Ausländerbehörden gestatten soll, bei Betrugsverdacht aktiv zu werden; und zwar bevor sie überhaupt eine Urkunde für die Scheinvaterschaft ausstellen. Das nimmt gesinnungsflexiblen Neonazis zwar eine lukrative Einnahmequelle, erschwert aber auch die Lage von Flüchtlingskindern in Deutschland. Weil das Asylverfahren für minderjährige Flüchtlinge nach dem neuen "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" künftig beschleunigt ablaufen soll, können sie schneller wieder abgeschoben werden.