Räumung steht bevor

Errekaleor: Räumung steht bevor

Die Tage des selbstverwalteten Projekts Errekaleor in der baskischen Hauptstadt Gasteiz (span: Vitoria) scheinen gezählt. Am 18.5. erschienen Angestellte des Energiekonzerns Iberdrola in Begleitung eines bewaffneten Einsatzkommandos der baskischen Polizei, um den Häusern den Strom abzudrehen.

 

Die der Stadt gehörenden Häuser sind seit drei Jahren besetzt, sie befinden sich in einem Außenbezirk der Stadt. Gebaut wurden sie in den 50er Jahren während des Franquismus, innerhalb eines Programms zur Beschaffung von Arbeiterwohnungen im damals schnell wachsenden Gasteiz, das eine starke Industrialisierung erfuhr. Gasteiz als traditionelle Militär- und Verwaltungsstadt war baskischer Lieblingsort des Diktators, „Vitoria“ war die einzige Stadt, die sich 1936 sofort den Putschisten angeschlossen hatte.

 

Seit Jahren verfolgt die Stadtverwaltung einen Plan mit den Blocks, die mehrere Dutzend Wohneinheiten beherbergen und in denen mehrere Hundert Personen gelebt haben bzw. leben können. Sie sollen abgerissen werden und „okölogischen Gärten Platz machen“, so die Stadt. Deshalb wurde bereits vor einiger Zeit damit begonnen, die langjährigen Bewohner*innen umzusiedeln in Neubauten anderer Stadtteile. Nicht alle der Alt-Bewohner*innen kamen bislang in den Genuss dieser Umsiedlungen, einige leben noch in Errekaleor. Gleichzeitg begannen jüngere Leute, die leerstehenden Wohnungen und Blocks zu besetzen. Circa 150 Besetzer*innen leben mittlerweile hier, sie organisieren sich in Vollversammlungen. Ein idealer Ort für ein solches Wohn- und Lebensprojekt, zu dem auch ökologische Anbau gehört und kleine Werkstätten. Dass sich das Besetzungs-Projekt in den Stadtteil Errekaleor integriert hat und gute nachbarschaftliche Beziehungen pflegt, versteht sich von selbst. Gasteiz hat im Baskenland mit die längste Besetzungs-Tradition, das besetzte Kulturzentrum in der Altstadt besteht seit mehr als 25 Jahren und hat mehr als ein Jahrzehnt lang einem PP-Rathaus getrotzt, das unter allen Umständen räumen wollte.


Nun stellen die baskischen Christdemokraten wieder den Bürgermeister, er regiert zusammen mit den Sozialdemokraten und hat wenig Sinn für alternative Wohnprojekte. Gleich nach der Polizeiaktion bekannte er sich zum Abrissplan und bekräftigte die Entscheidung, die Polizei zu schicken und den Strom zu kappen.


Polizeiintervention


Als die Techniker des Strommultis mit Polizeideckung anrückten, erwartete sie eine „Menschenwand“ – so werden die Personen-Ansammlungen im Baskenland mittlerweile genannt, die von der Polizei angegriffene Orte blockieren und passiven Widerstand leisten. Die Besetzer*innen waren gut vorbereitet: sie hatten um das Stromverteilungshaus ein Gerüst gebaut, auf dem sie sich angekettet hatten. Die Polizei prügelte zwar drauf los, konnte aber gegen die Blockade nicht ankommen. Einzelne Personen wurden aus der Blockade gerissen, die jedoch stand hielt. Deshalb änderten die Techniker ihre Strategie, sie rissen die Kabel von der Fassade und aus dem Boden und machten sie unbrauchbar. Drei Personen wurden festgenommen (wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und wegen Ungehorsam), die Personalien der Gerüstblockierer*innen wurden festgestellt.


Zu einem besonderen „Zwischenfall“ kam es, als die Polizei auch die Feuerwehr nach Errekaleor beordern wollte. Die weigerte sich jedoch und ließ mitteilen, sie würde nur ausrücken, wenn es sich um einen Notfall handele. Es war nicht das erste Mal, dass sich die Feuerwehr nicht in ein schmutziges Spiel von Repression einbinden ließ, auch bei der KUKUTZA-Räumung in Bilbao-Rekalde im Jahr 2011 hatte sie deutlich gemacht, dass sie keine Ordnungskraft ist – keine andere öffentliche Insititution ist so beliebt wie die Feuerwehr.


Verdeckte Räumung?


Gleich nach dem Polizeiaufmarsch war gemutmaßt worden, ob es sich um eine verdeckte Räumung handele. Geräumt wurde nicht, dsas Projekt geht also weiter. Vorläufige Strategie scheint zu sein, den Besetzer*innen das Leben in Errekaleor unmöglich zu machen. Vielleicht auch nach weiteren Vorwänden zu suchen, mit denen eine Räumung gerechtfertigt werden soll. Wie in diesem Fall, bei dem technische Probleme und vermeintliche Gefahren vorgeschoben wurden.

 

Wer leerstehende Häuser wieder nutzbar macht und sich nicht an die parlamentarischen Spielregeln hält, wird im Baskenland als „anti-sistema“ bezeichnet: „gegen das System gerichtet“. Damit haben die Besetzer*innen kein Problem, sie lehnen den Kapitalismus ab, auf dem bekanntlich das gegenwärtige System fusst. Zu diesem System gehört es, Wohnraum nicht als Menschenrecht zu verstehen sondern als Spekulationsobjekt. Die Mehrheit der jüngeren Generation hingegen hat große Probleme, sich überhaupt auf eigene Beine zu stellen: keine Jobs, kein Geld, keine Wohnung. Die Jugendarbeitslosigkeit im Baskenland liegt bei über 40%. Viele sind gezwungen, bis weit über das Alter von 30 Jahren bei den Eltern zu leben. Wohnprojekte sind deshalb mehr als ein Ausweg, für viele stellen sie eine Zukunft dar. Die Besetzer*innen werden dieses Projekt sicher nicht einfach verlassen wegen fehlenden Stromanschlüssen.

Nachschlag:

 

Die Umsiedlung des bisherigen Bewohner*innen von Errekaleor wird nicht von der Stadtverwaltung selbst, sondern von einem Privatunternehmen organisiert. An diesem Unternehmen beteiligt ist ist der Ehemann einer Kusine des ehemaligen PP-Bürgermeisters Alonso (eine weitere Kusine war an der spanischen Skandalbank Bankia beteiligt, Alonsos Bruder war Rathaussprecher). Wer bisher nicht wusste, was Vetternwirtschaft bedeutet weiß es hiermit. Bei dem Umsiedlungs-Unternehmen war auch ein gewisser Prusilla, der Ratsmitglied, wegen absichtlichem Bankrott angeklagt und Funktionär beim Araba-Technologiepark war. Für den aktuellen Bürgermeister sind dies Altlasten, die die schmutzige Arbeit machen.