Flüchtlinge in Hessen - Bürgerasyl als letztes Mittel

Erstveröffentlicht: 
05.05.2017

Menschen protestieren in Hanau gegen die Abschiebepraxis des Landes Hessen bei Afghanistanflüchtlingen. Dabei wird auch die Forderung laut, nach dem Vorbild von Stuttgart in Hanau ein Bürgerasyl anzubieten.

 

Gegen die Abschiebepraxis der hessischen Landesregierung bei Flüchtlingen aus Afghanistan protestierten gestern Nachmittag auf dem Freiheitsplatz mehr als 100 Menschen. Wiesbaden solle den Handlungsspielraum zugunsten der Geflüchteten nutzen, den die Bundesregierung den Ländern gebe, hieß es auf der vom Arbeitskreis Asyl organisierte Kundgebung, dem verschiedenen Organisationen sowie Kirchen und Gewerkschaft angehören. Die Forderung war mit der Ankündigung verbunden, dass notfalls in Hanau zu einem Bürgerasyl nach dem Vorbild von Stuttgart aufgerufen wird.

 

Mehr als 50 Personen hätten sich auf eine Liste für ein mögliches Bürgerasyl eingetragen, sagt Hagen Kopp vom Arbeitskreis Asyl auf Anfrage der FR. Es seien Menschen darunter, die eine unmittelbar von Abschiebung nach Afghanistan bedrohte Person aufnehmen oder anderweitig etwa bei der Organisation dieser Asylform helfen wollten. Darunter befänden sich Kirchenleute, Gewerkschaftsfunktionäre, Lehrer und Politiker. Kopp sieht darin eine gute Fortsetzung der Tradition des Hanauer Kirchenasyls, das vor allem Menschen vor die Ausweisung in das Ankunftsland   - zumeist Italien - bewahrt habe. Kopp kritisiert, dass die Grünen in der Landesregierung nicht auf den Koalitionspartner entsprechend deutlich einwirkten. Die Asylsuchenden aus Afghanistan würden zur Abschiebung sogar von ihrem Arbeitsplatz geholt. „Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass diese Menschen aus ihrem Leben gerissen werden für eine ungewisse Zukunft in ihrem Heimatland“, so Kopp.

 

Mit der gestrigen Protestkundgebung soll das Bürgerasyl bekannter gemacht werden. Zum einen, um weitere Mitstreiter zu finden und zum anderen, um eine Struktur aufzubauen, heißt es. So werde nicht ausgeschlossen, Betroffene etwa in Wohnungen zu verstecken und sie dort zu versorgen, gegebenenfalls auch medizinisch.

 

Laut Gesetz sei das Bürgerasyl nicht legal. Es könne juristisch als ziviler Ungehorsam ausgelegt werden. „Aber wir halten es für legitim und notwendig, wenn die Landesregierung ihre Haltung nicht ändert“, sagt Kopp. Wer Bürgerasyl gewähre, bleibe bei möglichen rechtlichen Konsequenzen nicht allein. „Es wird anwaltliche Unterstützung geben. Anzeigen werden wir uns kollektiv widersetzen“, sagt Kopp.

 

Zuletzt seien fünf Menschen aus Hessen nach Afghanistan abgeschoben worden, das soll laut Marion Bayer vom Arbeitskreis Asyl nicht wieder geschehen. Bei der Kundgebung sagte sie, nunmehr sei die Entscheidung getroffen worden, eine Ausweisung nicht mehr hinzunehmen. Afghanistan sei alles andere als ein sicheres Herkunftsland.

 

Hiervon erzählte am Donnerstag ebenso ein ehemaliger Bundeswehrsoldat aus Hanau, der dreizehn Monate in dem Land stationiert war. „Ich war zuletzt 2013 in Afghanistan, die gefährliche Lage ist seitdem unverändert“, sagte der Mann und berief sich hierbei auf Aussagen von Kameraden und Freunden, mit denen er noch in Kontakt stehe. Es gebe auch keine Anlass zur Hoffnung auf eine baldige Befriedung dort. „Da unten wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern. Ich appelliere an die Verantwortlichen, die hier lebenden Menschen aus diesem Land weiter zu schützen“, sagte der Mann, der zwölf Jahre bei der Bundeswehr im Dienst gestanden hat.

 

Das Mikrofon nahmen ebenso Personen in die Hand, die sich als potenzielle Bürgerasylgeber beim Arbeitskreis angemeldet haben. Ein Pensionär erklärte sein Engagement mit der Kriegssituation in Afghanistan und berief sich auf den Bund. Das Auswärtige Amt in Berlin habe eine Reisewarnung für das Land ausgesprochen, dies sei allein schon Anlass genug, Menschen nicht gegen ihren Willen dorthin zu schicken. Das Grundgesetz stelle die Würde des Menschen als höchstes Gut dar, dies müsse für alle Menschen gelten, forderte der Mann. „Gegen diese Ungleichheit muss man etwas tun und das tue ich“, sagte er.