Aus dem Knast in den Baumarkt - Was in der JVA Halle alles produziert wird

Erstveröffentlicht: 
14.05.2017

Wenn Häftlinge nach Jahren aus dem halleschen Knast freikommen, werden sie irgendwann einen Baumarkt betreten. Viele von ihnen werden dann in die Kabelabteilung gehen, zum Regal mit den Steckerleisten. Sie werden die Leisten umdrehen und auf der Rückseite nach einer Zahl suchen: 918. Alle Produkte, die in der Gefängniswerkstatt der JVA Halle in der Frohen Zukunft von Häftlingen gefertigt werden, tragen diese Nummer.

 

Nicht nur die aus Tübingen stammende Firma Brennenstuhl, die im halleschen Gefängnis Steckerleisten, Strom-Schalter und Kabeltrommeln zusammenbauen lässt, hat Gefangene als Arbeiter für sich entdeckt. Auch namhafte deutsche Autohersteller und internationale bekannte Getränkefirmen lassen in der JVA Halle produzieren: Holzpaletten mit Euro-Norm. Welche Marken genau das sind, soll nicht unbedingt publik werden. Aus Halles Knast direkt in den Baumarkt - Made hinter Gittern, das ist nicht ungewöhnlich, aber manch einer rümpft trotzdem die Nase.

 

Knast in Halle: Wie funktioniert diese Wirtschaft hinter Gittern?

 

Wie funktioniert diese Wirtschaft hinter Gittern? Zwei Dinge sind dafür unerlässlich: Vertrauen und Kontrolle. Ist es Wahnsinn, einem Straftäter ein Cuttermesser in die Hand zu geben? In einer Werkhalle mit 20 anderen Verurteilten, die Scheren, Schraubenzieher und Bandsägen bedienen? Marko Geitz findet nicht. Er ist Niederlassungsleiter für Beschäftigung und Bildung der Gefangenen in Halle.

 

„Hier ist noch nie jemand mit Werkzeugen aufeinander losgegangen“, sagt er. Sträflinge die das wagen, würden nicht nur eine Anzeige bekommen, sondern auch direkt die Stelle in der Gefängniswerkstatt verlieren. Und das will niemand. „Auf der Zelle ist es total langweilig, da ist das eine willkommene Abwechslung“, sagt ein Häftling in grüner Arbeitshose, der Steckerleisten zusammenschraubt.

 

Werkstatt im Knast in Halle: „Hier zu arbeiten ist ein Privileg“


„Hier zu arbeiten ist ein Privileg“, sagt Geitz. Geld gibt es für die Gefangenen auch: etwa 200 Euro im Monat, von denen sie im Gefängnisladen einkaufen können. Ein Teil des Geldes kommt auf ein Konto - für die Zeit nach dem Knast. Trotzdem sind die Beamten, die die Gefangenen bei der Arbeit beobachten speziell ausgebildet und haben einen Notfallsender am Mann. „Wenn die den Knopf drücken, ist in 20 Sekunden die ganze Halle voller Hilfe“, sagt Geitz.

 

Werkzeuge aus der Werkstatt mitzunehmen ist so gut wie unmöglich. Morgens wird es aus einem Stahlschrank heraus an die Häftlinge ausgegeben. Vor der Mittagspause und dem Feierabend wird jedes noch so kleine Stück wieder eingesammelt. „Wenn das Werkzeug nicht komplett ist, geht hier keiner raus“, sagt Geitz. Noch nie sei etwas nicht mehr gefunden worden.

 

JVA Halle: In der Werkstatt arbeiten vor allem ungelernte Männer


In der Werkstatt arbeiten vor allem ungelernte Männer. Deshalb ist zur Qualitätssicherung vom Auftraggeber auch jedes Produkt zurückverfolgbar, bis zur Werkbank eines jeden Gefangenen. Würden an einer Stelle besonders viele defekte Produkte hergestellt, würde Geitz die Fehler abstellen. Wöchentlich verlassen zwei Sattelzüge die JVA in der Frohen Zukunft.

 

Auf der Ladefläche stehen dann rund 70 Paletten mit Elektroware, die zu Toom, Obi, Hellweg, Media-Markt oder Saturn geht. Auf der Rückseite die 918. Schwere Jungs wissen, wofür sie steht.